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«Europa steht am Scheideweg» (Video)

Die Euro-Krise spitzt sich zu. Führende Politiker erklärten die drohenden Staatsbankrotte im Süden der Eurozone gestern zur Schicksalsfrage für ganz Europa. Während die Krise in Athen die ersten Toten forderte, verlor der Euro weiter an Wert.

VON WOLFGANG FREY

Berlin. – In ungewohnter Deutlichkeit malten Spitzenpolitiker der Europäischen Union (EU) gestern den Teufel förmlich an die Wand. Für die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel steht angesichts der überbordenden Schulden einiger Euro-Länder inzwischen die Zukunft der Europäischen Union  und der Eurozone auf dem Spiel. «Europa steht am Scheideweg», sagte die Kanzlerin im Deutschen Bundestag in einer Regierungserklärung zur Schuldenkrise und dem 110 Milliarden Euro schweren Rettungspaket für den Pleitekandidaten Griechenland, von dem Deutschland mit mehr als 22,4 Milliarden Euro so viel zahlen soll, wie kein anderes Land in Europa.

Merkel mahnt zur Eile

«Es geht um die Zukunft Europas und der Eurozone», sagte Merkel vor den Abgeordneten in Berlin, die der Griechenlandhilfe im Eilverfahren zustimmen sollen. Die EU müsse sich entscheiden, ob sie sich von den Fehlern der Vergangenheit einholen lasse, sagte Merkel mit Blick auf die Schummeleien Griechenlands beim Beitritt zur Eurozone. Zu lange seien Probleme nicht direkt beim Namen genannt und nicht konsequent angegangen worden. Merkel forderte in diesem Zusammenhang ein striktes Festhalten am Stabilitätspakt, das den Staaten Verschuldungsobergrenzen vorschreibt und die Stabilität der Gemeinschaftswährung gewährleisten soll.

Merkel verteidigte die am Sonntag beschlossenen Hilfen für Griechenland als «alternativlos, um die Stabilität des Euro zu sichern». Für den Ausfall der deutschen Kredite und Bürgschaften haftet der Bund und damit der Steuerzahler. Bis Freitag soll das Paket Bundestag und Bundesrat passiert haben. Die Opposition hat jedoch Vorbehalte, auch die Reihen der Regierungskoalition sind nicht ganz geschlossen. Deutsche Eurokritiker kündigten für Freitag eine Verfassungsklage gegen das Hilfsgesetz an, falls es beschlossen werde. Am selben Tag soll ein Sondergipfel der EU die Hilfen absegnen.

EU-Wirtschaftskommissar Olli Rehn gab dazu am Mittwoch bereits die Richtung vor: «Das Buschfeuer in Griechenland muss unbedingt eingedämmt werden, damit es sich nicht zu einem Waldbrand ausbreitet und zu einer Bedrohung für die Finanzstabilität und Wirtschaft der gesamten EU wird», sagte er in Brüssel. Griechenland sei ein «einzigartiger Fall», weil es jahrelang seine Statistiken gefälscht habe. Der

Wirtschaftskommissar unterstrich, für Spanien werde derzeit kein Rettungspaket vorbereitet, «weil dies nicht notwendig ist».
Die Finanzmärkte schenkten Beteuerungen wie diesen auch gestern keinen Glauben. Die Risikoaufschläge für spanische, griechische und portugiesische Staatsanleihen kletterten auf neue Höchststände. Für die Länder wird es damit immer teurer, sich Geld am Kapitalmarkt zu leihen.

Ratingagenturen zweifeln

Befeuert wurde die Skepsis durch Zweifel der Ratingagentur Standard & Poor’s am Hilfspaket für Griechenland. «Das Rettungspaket von Europäischer Union und Internationalem Währungsfonds ist nicht die Lösung», sagte Moritz Kraemer, der bei S&P das Team für die Bonitätsbewertungen europäischer Staaten leitet, der Wochenzeitung «Zeit» (Donnerstagsausgabe) laut einer am Nachmittag veröffentlichten Vorabmeldung. «Das wird in der öffentlichen Diskussion häufig verwechselt: Jetzt haben wir 110 Milliarden Euro, jetzt ist der Fall Griechenland gelöst. Das ist mitnichten so. Es bringt nur eine Verschnaufpause.» An den Märkten gebe es Zweifel, ob Griechenland das Sparprogramm tatsächlich umsetzen könne: «Die haben wir auch», sagte er.

Die Ratingagentur Moody’s drohte kurz darauf Portugal mit einer Herabstufung seiner Kreditwürdigkeit. Eine Herabstufung könnte um ein oder maximal zwei Stufen erfolgen, teilte die Agentur am Nachmittag mit. Das aktuelle Rating liegt zwei Noten unter der Bestnote «Aaa». EU-Währungskommissar Olli Rehn fand mit seiner Aussage, das Hilfsprogramm für Griechenland reiche aus, an den Märkten kein Gehör. Dort wurde bereits über eine nötige Aufstockung der Hilfen spekuliert.

Währung im Sturzflug

Der Euro stürzte angesichts dieser Hiobsbotschaften und Nachrichten von blutigen Krawallen in Griechenland weiter. Bereits am Dienstagabend hatte er erst die Marke von 1,31 US-Dollar und am Abend die psychologisch wichtige Mauer von 1,30 Dollar nach unten durchbrochen. Am Mittwoch fiel die Gemeinschaftswährung bis auf 1,2805 Dollar.

Der Chef des Internationalen Währungsfonds, Dominique Strauss-Kahn, warnte derweil vor einem Übergreifen der griechischen Finanzkrise auf andere EU-Staaten und plädiert für eine Wirtschaftsregierung der Euro-Zone. «Wir müssen es schaffen, eine Ansteckung zu verhindern», sagte Strauss-Kahn dem «Parisien». «Der Umfang des Griechenland-Plans dient auch dazu. Jeder muss aber extrem wachsam bleiben.»

Video:

Ausschreitungen in Athen

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