Schneckenballett am Baum
Vaduz. – Eine Leopardenschnecke, auch Tigerschnegel genannt, kriecht durch den Wald und nimmt Fährte auf. Genauer gesagt die Schleimspur einer zweiten Leopardenschnecke. Sie folgt der Spur, bis sie auf den Verursacher des Schleims trifft. Die Leopardenschnecke schnüffelt an dessen Hinterteil, um zu checken, ob ihr der Geschmack taugt. Passt der Geschmack, folgt sie der Schnecke und die beiden kriechen hintereinander den Baum zu einem Ast hinauf. Dann beginnt der Paarungstanz: Ineinander verschlungen drehen sie sich bis zu einer Stunde auf dem Ast und überprüfen mit dem Geschmacksinn gegenseitig die Qualität des anderen. Vergleichbar mit Menschen in der Disco – auch dort wird beim Tanzen abgecheckt, ob das Gegenüber für «mehr» geeignet ist.
Nach dem Winden bilden die Nacktschnecken einen Schleimfaden, der am Ast befestigt wird. Die Schnecken seilen sich daran rund 40 Zentimeter ab. Sie hängen, immer noch ineinander verzwirbelt, frei in der Luft und drehen sich weiter um sich. Erst jetzt nimmt das Vorspiel langsam sein Ende und der Paarungsakt kommt zum
Höhepunkt: Die zwei Leopardenschnecken, welche wie die meisten Schnecken Zwitter sind, fahren gleichzeitig ihre Penisse aus. Diese können die halbe Körperlänge der 15 Zentimeter grossen Schnecken erreichen. Die Tigerschnegel verdrehen nun auch
ihre weiss-bläulichen, blumenartigen Geschlechtsteile ineinander und sondern einen Schleimklumpen aus. Nun werden die Spermien in den Klumpen das anderen eingeführt. Dann ziehen sie die Penisse wieder ein und jede Schnecke speichert das Samenpaket des anderen in ihrer Geschlechtsöffnung. Die Paarung ist vollzogen. Eine Schnecke lässt sich auf den Boden fallen, die andere zieht sich wieder hinauf und frisst den Schleimfaden, der sehr proteinreich ist.
Genauste Überprüfung der Qualität
«Der Paarungsakt der Leopardenschnecke ist wirklich komplex», bestätigt Holger Frick vom Amt für Wald, Natur und Landschaft. Der Grund dafür liege darin, dass die Schnecken die Qualität des Gegenübers genaustens überprüfen wollen. «Ist der Partner zu klein oder krank, kommt es erst gar nicht zur Paarung», so Frick. Nach der Begattung – die Paarungszeit ist im August und September – befruchten die Tigerschnegel mit dem gespeicherten Samen ihre Eier. 100 bis 200 Eier können sie ablegen. Ein Ei hat eine Grösse von bis zu vier Millimeter. Einen Teil des Samens behält die Schnecke jedoch in sich auf und befruchtet im darauffolgenden Jahr im Juni, Juli weitere 100 bis 200 Eier. Die Jungen schlüpfen jeweils nach drei bis sechs Wochen. Allerdings werden viele Eier durch Parasitenbefall vernichtet oder gefressen.
Kommt in Liechtenstein vor
Limax maximus ist der wissenschaftliche Name des Tigerschnegels. Obwohl «maximus» übersetzt «Der Grösste» heisst, ist sie «nur» die zweitgrösste Schneckenart in Europa. Die grösste Schnecke heisst Limax cinereoniger und kann bis zu 30 Zentimeter messen. Beide «Limax»-Schnecken kommen laut Holger Frick in Liechtenstein vor. «Bei einer Untersuchung im Jahre 1988 wurden beide etwa gleich häufig gefunden», sagt er. Die Leopardenschnecke ist zwar weit verbreitet, hat jedoch keine dichten Populationen und kommt deshalb lokal eher selten vor. Ursprünglich war die Art nur in Süd- und Westeuropa beheimatet, ist aber inzwischen europaweit zu finden und wurde auch durch den Nahrungstransport weltweit verschleppt.
Lieblingsspeise: Pilze
Die Lieblingsspeise der hellbraunen Schnecke mit dunklem Fleckenmuster – das übrigens sehr unterschiedlich sein kann – sind Pilze und welke bis tote Pflanzenteile. Sie frisst aber auch andere Nacktschnecken. «Weil sie kaum frisches Gemüse fressen und nie in Massen auftreten, werden sie nicht als Schädlinge angesehen und gelten sogar als Nützlinge wegen ihrer Vorliebe für andere Nacktschnecken», sagt Frick. Limax maximus lebt hauptsächlich im Wald, kann aber auch in einem Garten mit Kompost und Bäumen vorkommen.
Unterschied zu Tauschnecken
Und noch eine Besonderheit zeichnet die Leopardenschnecke aus: Anders als die normalen Tauschnecken (Wegschnecken), welche weich sind, hat sie hinter dem Kopf einen harten Teil unter der Haut. Dieser ist ein verkümmerter Schalenrest, also ein zu einer Patte unter der Haut verkleinertes Schneckenhaus. Darüber liegt ein Mantelschild, den sie ebenfalls während der Paarung vom Kopf abspreizt. Übrigens: Solche Verhärtungen (der sogenannte Schulp) haben auch Tintenfische, die nahe mit den Schnecken verwandt sind. (manu)
Dokumentarfilm des Paarungstanzes von David Attenborough
<%LINK auto="true" href="http://www.youtube.com/watch" class="more" text="www.youtube.com/watch"%>
Schlagwörter
-
Wirbellose Tiere