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Fusion: Weiche Faktoren sind wichtig

«Bei einer echten Fusion, einem Zusammenschluss, soll etwas Neues entstehen.»
Michael Ritter, Partner, Ritter Schierscher Rechtsanwälte AG
Michael Ritter, Partner, Ritter Schierscher Rechtsanwälte AG

Gemäss einer Deloitte-Studie fanden im ersten Halbjahr 2016 97 Fusionen und Übernahmen mit Schweizer Beteiligung statt. Auch in Liechtenstein gab es in letzter Zeit einige Zusammenschlüsse. Der Begriff Fusion steht dabei allerdings meist für die Übernahme von Unternehmen. Dabei gibt es durchaus einen Unterschied: Bei einer echten Fusion, einem Zusammenschluss, soll etwas Neues entstehen. Im Falle einer Übernahme besteht in der Regel ein bestimmendes Unternehmen, dessen Kultur als Vorgabe gilt, während sich die «Übernommenen» fügen und anpassen müssen. 

Gerade kleinere und mittlere Unternehmen profitieren von einem echten Zusammenschluss, sind sie doch oft von Unternehmerpersönlichkeiten mit eigenen Philosophien geprägt, für die eine Integration der jeweiligen Firmen-Lebensläufe im Vordergrund steht. Nicht immer sollen mit der Fusion Effizienzgewinne durch Einsparung von Arbeitsplätzen realisiert werden. Auch langfristiger Schutz von Arbeitsplätzen kann eine Motivation für einen Unternehmenszusammenschluss sein. In der Regel führen «harte» auf der Basis wirtschaftlicher Kennzahlen ermittelter Faktoren zum Fusionsgedanken; sie sind Gradmesser für den künftigen Erfolg: Synergien nutzen, Angebote verbessern, Skaleneffekte auslösen, Produktionskosten senken, Regulierungen bewältigen, schnelleres Wachstum, mehr Umsatz, mehr Kunden, mehr Kompetenz dank zusätzlicher Spezialisten. Es kann sinnvoll sein, durch das Verschmelzen mit einem anderen Unternehmen mehr Marktbreite und -wirkung zu erzielen, die aufgrund der Kleinheit oder einer einseitigen Spezialisierung nicht möglich wäre. 
Kultur wird unterschätzt
Dennoch scheitern Übernahmen und Fusionen immer wieder. Der Grund liegt oft in der zu geringen Beachtung der weichen Faktoren. Die Übernahme von Struktur und Kultur des einen durch das andere Unternehmen ist immer eine anspruchsvolle Aufgabe, die häufig zu Konflikten führt. Die Bedeutung von Unternehmenskulturen wird oft unterschätzt und ebenso die im Falle einer Fusion daraus entstehenden Kosten. Sie sind im Voraus kaum zu beziffern. KMUs sollten deshalb den Umstand, dass etwas wirklich Neues entsteht, verinnerlichen. Fusion heisst ja nichts anderes als Verschmelzung – mit der Idee, dass aus zwei Unternehmen eines «aus einem Guss» werden soll; eine anspruchsvolle Aufgabe. Oft wird der betriebswirtschaftlich an sich korrekt berechnete Gewinn aus der Fusion durch unerwartete Fusionskosten beträchtlich geschmälert. Wenn ein Unternehmen über Nacht doppelt so viel Kunden und Umsatz hat, so ist dies nur bedingt von Wert, wenn etwa Schlüsselpersonen das Unternehmen verlassen, weil sie mit der neuen Situation nicht fertig werden. Fusionen können Ängste und Verunsicherung bezüglich Arbeitsplatz und künftiger Aufgabendefinition auslösen. Geliebte Dinge gehen verloren – und sei dies nur die plötzlich anders gestaltete Kaffeepause. Überschaubare und eingespielte Verhältnisse müssen neuen Strukturen weichen, neue Beziehungen entstehen, die Kultur des neu entstehenden Unternehmens ist noch nicht geprägt. Das kann lähmende Ängste auslösen und beträchtlichen Schaden anrichten. Gefährlich wird es dann, wenn sich das Unternehmen in einer solchen Phase mehr mit sich selbst beschäftigt als mit den Kunden, für die dann Energie und Zeit fehlen.

Entscheidend sind deshalb eine gute Strategie, ein geordneter Prozess und eine frühe aufrichtige Abwägung auch der weichen emotionalen Faktoren. Sie sind allerdings schwieriger zu beurteilen als rein betriebswirtschaftliche Kennzahlen. Es ist naturgemäss schwer vorauszusagen, ob zwei Unternehmen tatsächlich zusammenpassen, ob ihre Philosophien übereinstimmen und integrierbar sind. Jeder Fusionsprozess bedeutet eine herausragende Führungsaufgabe. Mitarbeitende müssen vor, während und nach einem Zusammenschluss begleitet werden. Eine Fusion kann mehr Kompetenz, mehr Marktstärke und vor allem langfristige Stabilität bringen. Die Umwandlung eines oder eben zweier Unternehmen in ein neues «Ich» braucht Zeit, Energie und Aufmerksamkeit. Wenn dies beachtet wird, gelingt eine echte Fusion zum Vorteil aller: Der Unternehmer, der Mitarbeitenden und der Kunden.  

Von Michael Ritter, Partner, Ritter Schierscher Rechtsanwälte AG

 
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