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Ansprache des Landtagspräsidenten

Albert Frick kritisiert Casinogeschäft

Landtagspräsident Albert Frick hat in seiner Ansprache zum Staatsfeiertag das Casinogeschäft kritisiert. Er fordert, dass der «ideelle Gedanke der Wertschöpfung» nicht verloren geht. Er sieht einen Grund im Steuergesetz, dass es attraktiver geworden sei «Geld zu verjubeln» anstatt Vermögen zu bilden. Die Ansprache des Landtagspräsidenten im Wortlaut:

Durchlauchter Landesfürst
Durchlauchter Erbprinz
Königliche Hoheit
Durchlauchten
Geschätzte Mitglieder von Regierung und Landtag
Exzellenzen
Liebe Liechtensteinerinnen, liebe Liechtensteiner
Liebe Gäste

Wie haben wir auf diesen Tag gewartet. Beisammen sein, miteinander feiern, ohne Maske, ohne Zertifikat, einfach die Freude am Staatsfeiertag ohne Einschränkungen geniessen zu können. Was für eine Befreiung.

Die Covid-Pandemie hat etliche unter uns in die Einsamkeit getrieben. Ein Stück Freiheit ging verloren. Unterschiedliche Ansichten zur Gefahr und der Umgang mit ihr haben den Zusammenhalt im Lande geschwächt. Niemand wollte Schlechtes für andere, niemand wollte andere bevormunden. Es ging einzig darum, in einer Situation, die mit grosser Unsicherheit behaftet war, nach bestem Wissen und Gewissen zu handeln. Jetzt wieder zu unserer Gemeinschaft zusammenzufinden, setzt genau diesen guten Willen von allen voraus.

Mit dem Angriffskrieg gegen die Ukraine zeigt sich neues Ungemach. Wir leben in einer Zeitenwende, die uns vieles abverlangt und die unsere Arbeitskraft und unseren Willen zur Zusammenarbeit in hohem Masse erfordert.

Das Inflationsgeschehen wird im Alltag deutlich spürbar. Für gleich viel Geld gibt es weniger zu kaufen als noch vor Kurzem. Die Teuerung bei Heizöl, Gas, Benzin und Lebensmitteln wird für viele zum ernsthaften Problem. Energieknappheit ist über Nacht zum vorherrschenden Thema geworden. Es gilt, möglichst rasch auf andere Energiequellen umzustellen, vorwiegend auf Elektrizität. Dabei darf nicht übersehen werden, woher der Strom kommen soll. Bereits wird Strom aus Atomkraft wieder als grüne Energie angepriesen und Ausstiegsszenarien werden zurückgestellt. Bei der aktuellen Dominanz des Themas Energieknappheit darf die wohl grösste Herausforderung der Menschheit, der rasend schnelle Klimawandel, nicht aus dem Bewusstsein gedrängt werden. Was hat unsere Gemeinschaft dieser Vielfalt an Herausforderungen entgegenzusetzen?

Meine Antwort: Unsere Werte, die auf christlichen Werten basieren. Das heisst, eine freiheitliche Gesellschaft, eine gelebte Demokratie, ein stabiles Staatswesen, unsere Arbeits- und Innovationskraft und eine wertschöpfungsorientierte Wirtschaft.

Zum ersten Mal seit Langem wird uns wieder bewusst, dass Freiheit nicht selbstverständlich ist. Auf europäischem Boden werden Menschen getötet, verschleppt, unterjocht. Menschenleben und die Menschenwürde gelten auf Teilen unseres Kontinents nichts mehr. Das bedeutet auch für uns: Zusammenrücken, unsere Kräfte bündeln, uns gegenseitig stärken.

Anstand und Respekt müssen in unserer Politik und in unserer Gesellschaft wieder ihren festen Platz haben. Wir können es uns nicht leisten, unsere Kräfte in kleinkarierten Scharmützeln zu vergeuden. Die Menschen im Lande haben die Nase voll davon. Gehen wir gemeinsam den aufrechten Gang und bringen wir das Land mit vereinten Kräften weiter.

Liebe Festgemeinde,

100 Jahre mit unserer Verfassung haben uns gezeigt, dass die Verankerung der Staatsgewalt im Fürsten und im Volk eine gute Voraussetzung ist, um unser Staatswesen auch durch raue Winde zu führen. Dabei gilt es stets, auf Entwicklungen zu reagieren. Man muss sich heute die Frage stellen, ob der Landtag, die Volksvertretung, noch richtig aufgestellt ist. Der Landtag muss seine verfassungsmässig zugeordneten Aufgaben vollumfänglich wahrnehmen können. Das entstandene Ungleichgewicht zwischen Exekutive und Legislative darf nicht weiter zunehmen. Den Landtag zu stärken, heisst, das Volk zu stärken.

Eine Abkehr vom Milizsystem wäre meines Erachtens nicht opportun. Zu gross wäre die Abhängigkeit vom Arbeitsplatz Landtag und zu gross wäre die Versuchung, sich diesen Arbeitsplatz durch Gefälligkeitspolitik zu sichern. Aber innerhalb des Milizsystems sind Anpassungen möglich, welche die Arbeit der Abgeordneten unterstützen und erleichtern könnten. Dies wiederum würde zu effizienterer Arbeitsweise führen und sich qualitätssteigernd auswirken. Voraussetzung dafür ist, dass der Landtag ein Selbstbewusstsein an den Tag legt, das seiner Stellung in der Verfassung entspricht.

Werte Einwohnerschaft,

Unsere freiheitliche Gesellschaft sieht viel Selbstverantwortung vor, was durch geeignete Rahmenbedingungen zu unterstützen ist. Aufgrund der guten Wirtschaftslage hat sich ein eigentliches Luxusproblem ergeben. Es fehlt in vielen, um nicht zu sagen in fast allen Bereichen an Arbeitskräften. Dazu passt nicht, dass sich immer mehr gut- und auch bestausgebildete Frauen bei Mutterschaft und gleichzeitiger Berufstätigkeit grössten Hindernissen gegenübersehen. Der Bedarf an teilzeitlicher Arbeitsweise wäre gross, wird aber nicht in genügendem Masse angeboten.

Zudem ergibt sich derzeit die Situation, dass sich diese Arbeit in vielen Fällen gar nicht lohnt. Wenn für die Betreuung der Kinder, durch höhere Steuern und für andere einkommensabhängige Belastungen ein Grossteil des Zusatzlohns aufgeht, so ist dies völlig demotivierend. Familienpolitik hat auch dafür zu sorgen, dass sich Arbeit lohnt.

Wesentlich erscheint mir auch, dass in unserer liberalen Wirtschaftsordnung der ideelle Gedanke der Wertschöpfung weiterhin hoch gewichtet wird. Wenn wir mit unserer industriellen Produktion dazu beitragen, dass weltweit sicher gebaut wird, dass Häuser gut beheizt sind, dass Menschen ein hübsches Lächeln haben oder ihr Hunger gestillt wird, so ist dies gut so. Ebenso hilfreich ist es, wenn wir durch ausgezeichnete Dienstleistungen dafür besorgt sind, dass Menschen ihr Geld sicher verwaltet sehen oder dass sie gut versichert sind.

Weniger stolz dürfen wir auf Wirtschaftszweige sein, bei denen es zum eigenen Vorteil darum geht, Menschen das Geld aus der Tasche zu ziehen und Sozialfälle zu produzieren. Wir sind mit wertschöpferischer Tätigkeit immer gut gefahren.

Ich will noch einmal betonen, dass sich Arbeit lohnen muss. In unserem Steuersystem ging der Anreiz verloren, im Laufe des Lebens Vermögen zu bilden. Die beste persönliche Altersvorsorge, Geld anzusparen oder eine eigene Wohnung schuldenfrei zu machen, muss heute als Sollertrag auf Vermögen jährlich erneut versteuert werden. Es ist in der Tat verlockender geworden, sein Geld zu verjubeln. Das schwächt vor allem unsere breiteste Bevölkerungsschicht, den Mittelstand.

Mit einem angemessenen Freibetrag auf das zu versteuernde Vermögen könnten der Sparwille und die Selbstvorsorge wieder gestärkt werden. Während des Sommers wurde in unserer Nachbarschaft ein schon dramatischer Mangel an Lehrpersonen bekannt. Es müssen Personen ohne entsprechende Ausbildung angestellt oder Klassen zusammengelegt werden. Diese Problematik wird auch vor uns nicht Halt machen, was für das so wichtige Bildungswesen Gift wäre. Es gilt, vorausschauend wirksame Massnahmen zu treffen, um einen der einst angesehensten Berufe für junge Menschen wieder attraktiv zu machen.

Liebe Liechtensteinerinnen, liebe Liechtensteiner,

Grosse Ereignisse werfen ihre Schatten voraus. Liechtenstein ist in Jubiläumsstimmung. Nach den Feiern zu 300 Jahre Fürstentum Liechtenstein und zu 100 Jahre Verfassung dürfen wir im kommenden Jahr 100 Jahre Zollvertrag mit der schweizerischen Eidgenossenschaft feiern. Kaum ein anderer Schritt hat so viel zu unserem Wandel vom veritablen Armenhaus zu einem der wohlhabendsten Staaten beigetragen. Das soll und wird 2023 gebührend und auf vielfältige Weise gefeiert werden. Als Landtagspräsident ist es mir eine besondere Freude, aus Sicht des Landtages eine Sondersitzung zur Würdigung dieses für uns so bedeutenden Vertragswerks ankündigen zu dürfen.

Geschätzte Einwohnerschaft,

Zu Zeiten, die von Unsicherheit und Wandel geprägt sind, ist es wichtig und hilfreich, Zuversicht zu verströmen. Glauben wir in unserem kleinen, aber feinen Fürstentum an die Kraft unserer Gemeinschaft. Setzen wir unsere Stärken ein, jede und jeder im eigenen Wirkungsbereich.

Der Staatsfeiertag soll uns in Erinnerung rufen, dass wir in Liechtenstein in Frieden und Freiheit leben dürfen und dass uns für den Erhalt dieser Werte kein Einsatz zu hoch sein darf. In Dankbarkeit wollen wir auch grosszügig Solidarität mit jenen zeigen, die vom Glück weniger begünstig sind.

Wie sehr haben wir darauf gewartet, wieder miteinander feiern zu können. Geniessen wir den heutigen Festtag und lassen wir unsere Heimat hochleben. Freuen wir uns über all das, was uns verbindet. Ich wünsche allen ein frohes, beglückendes Beisammensein und Gottes Segen.»

 

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