Geschäftsführer von Biker-Netzwerk im Interview
«In Malbun könnte über einen Bikepark nachgedacht werden»
Roger Walser ist 51 Jahre alt und wohnt in Walenstadt SG. Aufgewachsen ist er in Triesen, er lebte 27 Jahre dort. Nach einer Banklehre bildete er sich zum Touristiker weiter. Er ist Mitgründer und -inhaber sowie Geschäftsführer der Firma Biker-Netzwerk AG und selbst leidenschaftlicher Mountainbiker. Im Interview spricht er darüber, weshalb sich Radfahren und Biken längst zum Volkssport entwickelt hat, warum Angebote für Biker auch den Wanderern zugutekommen und weshalb Liechtenstein eine Bike-Strategie benötigt.
Können Sie mir Ihren schönsten Glücksmoment auf dem Mountainbike beschreiben?
Roger Walser: Da gibt es viele. (lacht) Aber der letzte war gestern Morgen, als ich mit meinem Bike auf dem neuen Veloweg am Walenseeufer entlang fuhr. Ich musste anhalten und ein Foto machen. Es war eine so idyllische Stimmung mit der Morgensonne, dem ruhigen See und der frischen Luft.
Haben Sie an der Entwicklung dieses Velowegs auch mitgewirkt?
Ja, Der Seeufer-Weg Walensee wird für Fuss- und Veloverkehr ausgebaut und verbindet die verschiedenen Spielplätze am Walensee. Wir planen mit Orientierungstafeln, Holzliegen und Fotopoints, den Aufenthalt für die Fahrradgäste zu verbessern. Denn neben der Entwicklung von Bike-Strecken wollen wir das Erlebnis beim Velofahren verbessern.
Gibt es so ein Beispiel auch in Liechtenstein?
Das gibt es. Liechtenstein ist ein Teil des neu lancierten E-Bike-Erlebnisses «Rheinwelten», bei dessen Entwicklung Liechtenstein Marketing aktiv dabei ist. Die Rhein-Route 2 entlang des Rheins gibt es ja schon lange, aber jetzt ist sie mit 245 Erlebnissen verbunden und führt durch 15 Erlebniswelten. In Liechtenstein nennt sich die Erlebniswelt «Fürstenhut & Gipfelkreuz» und lädt die Leute ein, den Rheindamm zu verlassen und Liechtenstein zu entdecken.
Eine Koexistenz von Wanderern und Bikern ist möglich.
Ein wichtiger Geschäftsbereich von Biker-Netzwerk ist die Entwicklung von Bike-Strecken und Trails in den Bergen. Was macht so einen Trail aus?
Das kommt darauf an, welche BikeGruppe angesprochen werden soll. Eine Gruppe nennen wir Genussbiker. Die haben gerne eine gut befahrbare Forststrasse und am Ende sollte eine Beiz sein, wo eingekehrt werden kann, deshalb nennen wir sie auch Genussbiker. Die Gafadurahütte ist ein gutes Beispiel dafür. Eine andere Zielgruppe von Mountainbikern sucht ein Naturerlebnis und Fahrspass. Das findet sie auf Wegen mit technischen Herausforderungen – sogenannten Singletrails. Bereits 50 Prozent der Mountainbiker suchen solche Möglichkeiten und sind auf Wanderwegen unterwegs. Leider fehlen oft offizielle Angebote. Unser Anliegen ist es, diese Angebote zu schaffen, damit Konflikte verhindert werden können.
Können Sie beschreiben, wie die Arbeit Ihrer Firma aussieht?
Wir sind ein Planungsbüro für Bike-Routen. Wir planen und betreuen die Arbeiten bei der Erstellung einer Bike-Route oder eines Velowegs. Ganz wichtig ist unsere Zusammenarbeit mit den Behörden und den betroffenen Anspruchsgruppen. Bevor eine Strecke entwickelt werden kann, muss eruiert werden, was überhaupt möglich ist, und welche Zielgruppen angesprochen werden sollen. Denn es sind viele Aspekte zu berücksichtigen.: Grundeigentümer, Naturschutz oder Wildtiere sind nur einige Beispiele. Es muss vieles abgeklärt werden, damit es zu keinen Konflikten kommt. Deswegen arbeiten auch Umweltingenieure bei uns.
Stichwort Konflikte. Was ist die grösste Herausforderung dabei, eine Bike-Strecke mit Singletrail zu planen?
Die Ängste, die vorherrschen. Ängste, dass jetzt eine Horde von wilden Bikern kommt und kreuz und quer den Hang hinunterfährt. Doch so ist es überhaupt nicht.
Weshalb nicht? Ich denke, die Ängste sind schon berechtigt.
Nein, eigentlich ist das Gegenteil der Fall. Denn attraktive Angebote lenken. Wenn die Biker nicht auf allen Wanderwegen unterwegs sein sollen, dann müssen gewisse Wege attraktiver gemacht werden. 90 Prozent der Fahrer werden diese auf sie ausgerichteten Strecken nutzen. Das zeigt die Erfahrung ganz klar, wie beispielsweise am Flumserberg.
Auch dort waren Sie in die Entwicklung involviert. Was für Erfahrungen wurden denn gemacht?
Dort haben wir die Seeabfahrt realisiert, die sehr gut angenommen wird – sowohl von Wanderern als auch von Mountainbikern. Ein typisches Beispiel für eine funktionierende Koexistenz der beiden Freizeitgruppen. Heute wählen 90 Prozent der Biker die offizielle Strecke, während sie früher über drei mögliche Routen ins Tal gefahren sind. Erstaunlicherweise konnten wir auf der Seeabfahrt nach der Realisierung sowohl mehr Biker, aber auch gleichzeitig mehr Wanderer zählen. Durch Hinweistafeln, natürliche, aber geplante Hindernisse zur Temporeduktion und die Aufwertung des Weges gibt es hier kaum Konflikte. Ein Miteinander ist sehr wichtig.
Das stelle ich mir schwierig vor. Viele Wanderer haben es nicht gerne, wenn plötzlich ein Biker von hinten kommt.
Wie gesagt, es muss aktiv etwas unternommen werden. Sowohl bei der Ausgestaltung der Wege, aber auch in der Kommunikation. Mit Tafeln darauf hinweisen, dass auch Biker unterwegs sind und umgekehrt. In der Schweiz gilt der Mountainbike-Kodex, der das Miteinander fördert.
Machen die Biker den Weg nicht kaputt?
Ein weiteres Vorurteil, das so nicht stimmt. Die Biker schädigen einen Weg nicht, wenn er gut unterhalten wird. An diesem Unterhalt hapert es an vielen Orten.
Wie sieht es denn in Sachen Naturschutz und Wildtiere aus? Das birgt bestimmt auch ein Konfliktpotenzial?
Wenn keine Angebote für die Biker geschaffen und die Wegnutzung aktiv kanalisiert wird, dann führt das natürlich zu Problemen. Es ist eine grosse Herausforderung, in Naherholungsgebieten mit Naturschutzgebieten Angebote für Biker zu schaffen. Aber sowohl Behörden als auch Naturschützer und Wildhüter müssen sich bewusst sein, dass die Biker so oder so zunehmen werden. Und dem muss man mit einer Planung und Lenkung gerecht werden. Denn der Druck auf die Gebiete wird noch mehr steigen.
Weshalb sind Sie sich da so sicher?
Die E-Bike-Verkäufe haben in den vergangenen Jahren stark zugenommen und zeigen steil nach oben. Vor zehn Jahren noch fuhr hauptsächlich die ältere Generation ein E-Bike. Heute ist der Altersdurchschnitt um einiges tiefer. Ab 30 fährt fast jeder Radfahrer ein E-Bike oder ein E-Mountainbike. Somit ist es für eine viel grössere Gruppe möglich, abends noch auf die Gafadurahütte zu treten oder eine andere Feierabendtour zu machen. Die Zahlen belegen es: Das Fahrradfahren hat sich längst zum Breitensport entwickelt. Schon die Kleinsten fahren Velo und haben grossen Spass in den Bikeparks. Da kommt eine Generation nach, die mit dem Bike aufwächst.
Die Schweiz hat bereits auf den Trend reagiert. Seit Januar dieses Jahres ist das Velogesetz in Kraft.
Ja genau. Durch das Gesetz sind alle Kantone verpflichtet, eine Mountainbike-Strategie zu entwickeln. Graubünden hat bereits im Jahr 2006 damit begonnen und nimmt heute eine Vorreiterrolle ein. Wir begleiten den Kanton St. Gallen und auch hier muss noch einiges passieren. Es braucht eine Strategie, die definiert, wie der Mountainbikesport sich entwickeln kann.
Über die Firma
Die Biker-Netzwerk AG wurde durch die Initiative von regionalen Tourismusorganisationen im Heidiland im Jahr 2017 mit dem Ziel gegründet, das Biken in der Region weiterzuentwickeln. Mittlerweile ist das Unternehmen mit Sitz in Unterterzen schweizweit tätig. Neben dem Touristiker und Geschäftsführer Roger Walser sind noch zwei Umweltingenieure angestellt. Die Umweltingenieure sind vor allem für die Wegnetzplanung und Strategien verantwortlich und Roger Walser für touristische Velo- und Bike-Konzepte.
Sie kennen Liechtenstein gut. Wie sieht die Situation hier aus?
Auch Liechtenstein sollte sich proaktiv mit dem Thema auseinandersetzen. Denn auch hier ist das Bedürfnis nach offiziellen Strecken gross.
Hatten Sie zu diesem Thema bereits Kontakt mit den liechtensteinischen Behörden?
Wir haben vor einigen Jahren einen Anlauf gewagt, eine Mountainbike-Skizze erstellt und aufgezeigt, wo sich aktuelle Hotspots befinden, was bereits gut funktioniert, wo aktiv eingegriffen werden sollte und wo Entwicklungspotenzial besteht. Denn Liechtenstein ist prädestiniert für den Fahrradsport und kann viele Bedürfnisse abdecken. Im Tal findet der Genussfahrer jetzt schon viele Angebote, die gut funktionieren. Doch im Bereich Singletrail-Fahrer muss noch einiges unternommen werden.
Das klingt nicht so, als ob sie Gehör gefunden hätten.
Es ist dann auch aufgrund von Corona versandet. Es gibt in Liechtenstein sicher auch einen gewissen Widerstand oder Zurückhaltung seitens des Alpenvereins oder auch des Amts für Umwelt. Aber auch ihnen wäre mit einer Strategie geholfen. Mountainbiken wird weiter zunehmen. Diese Entwicklung ist nicht aufzuhalten.
Biker schädigen einen Weg nicht, wenn er gut unterhalten wird.
Nehmen Sie nochmals Kontakt mit den Liechtensteiner Behörden auf?
Wir sind bereit und es wäre eine Chance, in Anlehnung an die Entwicklung der MTB-Strategie des Kantons St. Gallen sowie der Rahmenbedingungen in Graubünden, auch für Liechtenstein die Grundlagen zu klären. Denn die Mountainbiker kennen keine Gemeinde- und Landesgrenzen.
Wäre denn in Liechtenstein ein Angebot für Biker im Bereich Singletrail möglich?
Natürlich. Es gibt sehr viele interessante Orte. Wie erwähnt, wird an einigen Orten bereits fleissig gefahren – auch ohne offizielle Bezeichnung.
Ist das denn überhaupt erlaubt, auf Wanderwegen zu fahren?
Wo ein Weg ist, sollte man eigentlich auch fahren dürfen. Aber dazu gibt es juristisch verschiedene Interpretationen. Im Kanton St. Gallen beispielsweise wurde 2018 von der Regierung bekräftigt, dass das Befahren von klassierten Wegen wie beispielsweise Wanderwegen mit Mountainbikes sowie E-Bikes bis 25 km/h gestattet ist, sofern nicht ausdrücklich ein allgemeines Fahrverbot besteht.
Der Druck auf die Gebiete wird noch mehr steigen.
Die Wanderwege auf der Rheintalseite werden hauptsächlich von Einheimischen als Singletrails genutzt. Würde sich Liechtenstein auch für ein touristisches Angebot eignen?
In Malbun könnte über einen Bikepark nachgedacht werden. Dieser muss aber in die Strategie für den Tourismus in Malbun passen und benötigt eine umfassende Planung. Aber interessant wäre es sicher und das Gelände wäre auf jeden Fall geeignet.
Was denken Sie ist wichtig in Sachen Bikesport für die Zukunft?
Wir müssen die vorhandenen Ängste ablegen und miteinander Lösungen finden. Die Realität ist, dass sich das Biken gerade auch durch das E-Bike zu einem beliebten Volkssport entwickelt hat und sich weiterentwickeln wird. Das ist gut so, denn es ist gesund und bewegt junge sowie ältere Leute.
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