Schräg: "Kaspar Hauser und Söhne" in Basel
Das Stück von Olga Bach hat mit dem historischen Kaspar Hauser, einem mysteriösen Findelkind, das 1828 in Nürnberg aufgegriffen und fünf Jahre später ermordet wurde, kaum etwas gemein. Dafür konfrontiert es einen mit jeder Menge Kaspar Hausers und stellt sie allesamt als Sprösslinge einer 1890 gegründeten, Bilderrahmenwerkstatt vor. Ihre Geschicke werden in vier Etappen über die Generationen verfolgt: 1940, 1960, 1990 und 2018.
Der Abend zeigt eindrucksvoll jene Stärken und Schwächen, mit denen der 1987 in eine türkische Kreuzberger Familie geborene Regisseur innerhalb weniger Jahre zu einer der umstrittensten und begehrtesten Nachwuchskräfte Deutschlands wurde: seinen Hang zum Gesamtkunstwerk sowie der weitgehende Verzicht auf klar konturierte Figuren und eine nachvollziehbare Handlung.
Nackte Fettklösse im bunten Puppenhaus
Was Mondtag mit "Kaspar Hauser und Söhne" genau erzählen möchte, lässt sich schwer sagen. Nur wie er es erzählt, lässt sich beschreiben.
Mondtag schickt jedem Akt einen Film-Vorspann voraus, der die überlieferte Hauser-Geschichte noch am deutlichsten aufgreift. Er bedient von Anfang an jene Grusel-Elemente, die für ihn typisch sind: düstere Wolken, Spannungs-Musik, Käuzchen-Rufe. Er hat seine acht Darsteller erneut in jene bemalten Fatsuits gesteckt, die bereits seine Inszenierungen "Vernichtung" und "Das Internat" geprägt haben. Und er hat diesmal ein Riesen-Puppenhaus gebaut, das einen förmlich umhaut.
Ein kindlich-bunt angemaltes, enges Heim aus Pappe mit zwei überaus niedrigen Stockwerken und einer Dachmansarde sowie einem rückwärtigen Anbau samt Matratzenlager. Hier wird gesägt und geschrieben, gegessen und geschimpft, geliebt und gehasst, geschlafen und gevögelt. Gelebt eben.
Dazu gibt es eine etwas abseits gelegene, von einem Portal aus rosa Neon markierte Kellertreppe, von der schon mal laute Schmerzensschreie herauftönen, wenn ein Vater-Kaspar mit einem Sohn-Kaspar (sie sind von 1 bis 7 durchnummeriert) in der Unterwelt verschwindet.
Dunkles Familiengeheimnis
Allmählich schält sich aus dem ganzen mittelständischen Schlamassel von Kleingewerbe und Kleinfamilie ein Geschichtenstrang: Einer der Kaspars wird in der Nazizeit in eine "Pflege- und Heilanstalt" versorgt. Ein dunkler Fleck in der Familienchronik, in der nach der Wiedervereinigung kurzfristig glanzvolle Seiten aufgeschlagen werden, ehe Wohlstandsverwahrlosung und Vernachlässigung der Sorgfaltspflicht die Zerrüttung vorantreiben.
Sprachlich zwischen Fantasiesprache-Gestammel, fast herkömmlichen Dialogen und einem Verlain-Lied schwankend, findet der Abend sein Ende im Klamauk: Die Jugend will das bankrotte Familienunternehmen durch Herstellung nachhaltigen Holzspielzeugs mit Online-Versand wieder flott machen und versucht, die grantige Grossmutter zur Herausgabe des Markennamens zu bewegen. Und dann ist es plötzlich aus. Ganz ohne Schlusspointe. (sda/apa)
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