Wirtschaft fordert mehr Einwanderung
VON VALESKA BECK
Vaduz. – «Fachkräfte werden gesucht wie die Stecknadel im Heuhaufen.» So formulierte es diese Woche Martin Gleitsmann, Sozialexperte bei der österreichischen Wirtschaftskammer. Damit spricht er wohl auch vielen Liechtensteiner Arbeitgebern aus der Seele. Obwohl sie nach dem Abflauen der Rezession wieder mehr offene Stellen haben, haben sie ein Problem: Liechtenstein hat es schwer, hoch qualifizierte Mitarbeiter zu rekrutieren. Der Grund: Viele Fachkräfte sind nur im Ausland zu finden. Und wenn diese hören, dass sie zwar willkommen als Arbeitkräfte sind, aber nicht in Liechtenstein wohnen dürfen, winken viele ab.
Verbände beklagen sich bitter
Liechtenstein gilt bei der Vergabe von Aufenthaltsbewilligungen an Ausländer als sehr restriktiv. Als Mitglied des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) muss der Staat per Gesetz zwar Ausländern den Aufenthalt gewähren – aber nur in sehr geringer Zahl: 28 Aufenthaltsbewilligungen pro Jahr werden an erwerbstätige EWR- beziehungsweise EU-Bürger verlost, angelehnt an das amerikanische «Green Card»-Modell. Über weitere 28 Gesuche entscheidet die Regierung. «Dazu kommen zwölf Aufenthaltsbewilligungen, die wir an Schweizer vergeben, die in Liechtenstein eine Stelle haben», sagt Hans Peter Walch, Leiter es Ausländer- und Passamts (APA). Zusammengerechnet ergibt das 68 Aufenthaltsbewilligungen pro Jahr, die Liechtenstein mindestens erteilen muss – das sei viel zu wenig, monieren die Wirtschaftsverbände.
«Wachstum in Gefahr»
«Die restriktive Einwanderungspolitik setzt dem weiteren Wachstum der Wirtschaft Grenzen», sagt Josef Beck, Geschäftsführer der Liechtensteinischen Industrie- und Handelskammer (LIHK), die grosse Industrieunternehmen und die drei Liechtensteiner Grossbanken vertritt. Die LIHK fordere deshalb einen erleichterten Zuzug für ausländische Fach- und Führungskräfte. Ähnlich tönt es bei der Liechtensteinischen Treuhändervereinigung (THV), die sich nach eigenen Angaben seit Jahren für eine Lockerung der Zuzugsbeschränkungen stark macht. «Qualifizierte und somit gut verdienende Arbeitskräfte sollen an ihrem Arbeitsort wohnen dürfen», sagt THV-Geschäftsführer Clemens Laternser.
Diskussion neu lancieren
Dass diese Forderungen gerade jetzt wieder laut werden, überrascht nicht. Der Aufschwung kündigt sich – wenn auch noch zaghaft – an, weshalb die Unternehmen mit qualifizierten Mitarbeitern gerüstet sein wollen. Doch auch die Krise am Vaduzer Finanzplatz bringt mit sich, dass Banken und Treuhandfirmen sich nach neuen Geschäftsfeldern umsehen müssen – und damit auch nach neuen Spezialisten.
Nach einer lange ablehnenden Haltung von Regierung und Landtag, die Liechtensteiner Grenzen für Zuwanderer zu öffnen, kommt nun Bewegung in die Diskussion. Eine Arbeitsgruppe, bestehend aus APA-Chef Walch und Vertretern der wichtigsten Wirtschaftsverbände, will der Regierung bis zu den Herbstferien ihre Forderungen schriftlich vorlegen.