Schuldenkrise spitzt sich weiter zu
VON WOLFGANG FREY
Berlin/Athen. – Die Angst vor Staatsbankrotten in der Eurozone hat die Börsen am Mittwoch den zweiten Tag in Folge abrutschen lassen. Nachrichten über einen neuen Rekordstand der Risikoprämie für griechische Staatsanleihen führte erneut zu einer Verkaufswelle. Inzwischen müsste Griechenland für die Platzierung einer zehnjährige Staatsanleihe mehr als 12 Prozent Zinsen anbieten, um an den Finanzmärkten frisches Geld zu bekommen. Das ist das Vierfache dessen, was beispielsweise Deutschland aufwenden muss. Nachdem die Börse in New York am Dienstag knapp 2 Prozent abgerutscht ist, verlor der Schweizer Leitindex SMI am Mittwoch gut ein Prozent, der Deutsche Aktienindex DAX knapp 2 Prozent. Der Euro fiel auf einen der niedrigsten Stände seit einem Jahr.
EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy kündigte unterdessen in Tokio einen Eurozonen-Gipfel für den 10. Mai an. Die Staats- und Regierungschefs sollen dort in Absprache mit der EU-Kommission der Europäischen Zentralbank (EZB) und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) über die Auszahlung der von Griechenland beantragten Finanzhilfen entscheiden. Es geht um 30 Milliarden Euro von der Eurogruppe und um weitere 15 Milliarden Euro vom IWF.
Banken sollen nicht zahlen
Die Beratungen über die Freigabe der Finanzhilfen seien «auf gutem Wege», sagte Van Rompuy. Es gehe nicht darum, private Gläubiger wie Banken an der Hilfsaktion zu beteiligen, unterstrich der EU-Ratspräsident: «Eine Restrukturierung der Schulden steht nicht zur Debatte.»
EZB-Chef Jean-Claude Trichet hatte einen Schuldenverzicht privater Gläubiger bereits am Dienstagabend ausgeschlossen. Die Ratingagentur S&P hatte zuvor die Kreditwürdigkeit Griechenlands auf Ramschstatus herabgestuft. Auch Portugals Rating wurde wegen der hohen Staatsverschuldung zurückgenommen, allerdings nicht ganz so stark wie jenes Griechenlands.
Mehr Geld vom Währungsfonds?
Die «Financial Times» berichtete am Mittwoch unter Berufung auf Bankenkreise, der IWF erwäge, seine Hilfe für Griechenland um 10 Milliarden Euro auf 25 Milliarden Euro heraufzusetzen. Der IWF kommentierte den Bericht zunächst nicht. Athen braucht bis spätestens 19. Mai an die 9 Milliarden Euro, um Anleihen zu bedienen.
Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel, ihr Finanzminister Wolfgang Schäuble und die Spitzen der Bundestagsfraktionen wollten sich am Mittwoch in Berlin mit dem Chef des Internationalen Währungsfonds, Dominique Strauss-Kahn, sowie dem Präsidenten der Europäischen Zentralbank, Jean-Claude Trichet, treffen.
Euro «nicht gefährdet»
Der deutsche Bundesbankpräsident Axel Weber sagte derweil in Berlin, die Europäische Währungsunion sei durch das Hilfeersuchen der Griechen nicht gefährdet. «Und wir werden dafür sorgen, dass es dabei bleibt», so Weber laut Redetext. Die Stabilität des Finanzsystems sei aber im dritten Jahr der Krise noch nicht gesichert. Dies führten aktuell die Entwicklung im Fall Griechenlands und die daran anknüpfenden Befürchtungen möglicher Ansteckungseffekte vor Augen. Daher sei die Sicherung des Finanzsystems und nicht die Hilfe für den griechischen Staat, der sich selbst in diese schwierige Lage manövriert habe, das Motiv für die Vorbereitung von Stützungsmassnahmen.
Portugal scheut Vergleich
Der portugiesische Finanzminister wies unterdessen jeden Vergleich zu Griechenland zurück: Es sei Mehrheitsmeinung, dass die Lage in Portugal und die in Griechenland «zwei verschiedene Realitäten» seien, sagte Fernando Teixeira dos Santos am Mittwoch in Lissabon. Er verwies dabei auf den Internationalen Währungsfonds, die Europäische Zentralbank, die EU-Kommission und die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. (mit Agenturen)
Dossier:
Staaten in der Schuldenfalle
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