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Reiche verlieren Vertrauen in Finanzwelt

Unter Reichen ist die Enttäuschung über das Verhalten der Grossbanken vor und während der Finanzkrise gross. Unter dem allgemeinen Vertrauensverlust haben die Privatbanken vergleichsweise am wenigsten gelitten. Das ergab eine Studie der Universität Linz im Auftrag der LGT Bank in Liechtenstein.

Zürich/Vaduz. – Eine repräsentative Befragung unter vermögenden Anlegern in der Schweiz, in Deutschland und in Österreich zeigt, dass das Verhalten der Banken vor und während der  Finanzkrise zu einem erheblichen Verlust an Vertrauen in die Branche geführt hat. So stimmten über 80 Prozent der Befragten der Aussage zu, die Banken seien für kurzfristige Gewinne zu hohe Risiken eingegangen, und fast ebenso viele sind der Meinung, die Bonussysteme hätten falsche Anreize gesetzt, wie aus dem am Freitag in Zürich vorgestellten «LGT Private Banking Report 2010» hervorgeht. Der Vertrauensverlust ist in der Schweiz gegenüber den beiden anderen Ländern am stärksten ausgeprägt. Die Abteilung für Asset Management der Johannes Kepler Universität in Linz unter der Leitung von Professor Teodoro Cocca hatte für den Report im Frühjahr 2010 eine repräsentative Befragung unter vermögenden Anlegern in der Schweiz, in Deutschland und in Österreich organisiert und ausgewertet.

Nichts gelernt

Weniger als 25 Prozent aller Befragten, glauben der Studie zufolge, dass die Banken aus der Krise gelernt haben. Trotzdem zeigen sich 76 Prozent der Kunden zufrieden oder sehr zufrieden mit ihrer eigenen Hauptbank, und 68 Prozent sind sogar begeistert oder sehr begeistert. Gemäss der Studie haben es insbesondere Privatbanken verstanden, auch während der Finanzkrise durch ihre Kundennähe und Betreuungsintensität die Zufriedenheit ihrer Kunden zu wahren oder gar zu steigern – das gaben 95 Prozent der Privatbankkunden an.

Flucht in die Sicherheit

Als eine der Haupterkenntnisse bestätigt die Studie, dass die Finanzkrise bei Private-Banking-Kunden aller drei Länder eine Flucht in Cash und sichere Anlagen ausgelöst hat. Die Finanzkrise führte nach Aussagen der Befragten zu erheblichen Umschichtungen weg von Derivaten, Aktien, Alternativen Anlagen und Anlagefonds hin zu Rohstoffen, Gold und anderen Edelmetallen sowie vor allem Bargeld, das am Durchschnittsportfolio mit 29 Prozent den zweitgrössten Anteil ausmacht. Aktien sind mit einem Anteil von 32 Prozent am durchschnittlichen Vermögensportfolio nach wie vor die bedeutendste Anlageklasse.

Klumpenrisiko Heimatmarkt

Wie die Befragung weiter ergab, wollen 60 Prozent der Befragten als Lehre aus der Finanzkrise künftig komplexe und schwer verständliche Anlageprodukte meiden. Rund zwei Drittel der Anlagevermögen werden im Heimmarkt investiert, was den Studienautoren zufolge einem «erheblichen Klumpenrisiko» entspricht.

Verluste gut gemacht

Die durchschnittliche Anlagerendite aller Befragten lag im Jahr 2009 bei 8,4 Prozent, wobei fast jeder sechste Kunde Verluste verbuchte. Knapp die Hälfte der Befragten zeigte sich mit der jeweils erreichten Rendite zufrieden. Der Kursverlust in einem Jahr, der als noch tolerierbar angegeben wurde, betrug im Durchschnitt aller Befragten 17 Prozent. Von den gut 50 Prozent der Befragten, deren Toleranzwert schon einmal überschritten wurde, sagten 38 Prozent, sie hätten als Reaktion darauf «nichts» unternommen. 31 Prozent haben Aktien aufgestockt, während ebenfalls 31 Prozent als Reaktion auf die Verluste einen Teil oder ihre ganze Aktienposition verkauft haben.

Riskantes Wissen

Der Anteil der Befragten, der sich als risikobereit einstuft, liegt bei 24 Prozent, jener der risikoabgeneigten bei 17 Prozent. Eine generell höhere Risikobereitschaft ist mit 30 Prozent bei Schweizern, Männern, Grossbanken-Kunden, Befragten mittleren Alters und mit mittlerem Vermögen sowie Unternehmern zu beobachten. Frauen und sehr Vermögende sind besonders risikoavers. Insgesamt 60 Prozent aller Befragten gaben an, über gute oder sehr gute Kenntnisse zu Anlagethemen zu verfügen. Grundsätzlich nimmt die Risikoneigung mit der Selbsteinschätzung des Wissensniveaus zu. Dieser Zusammenhang ist bei Schweizer Kunden sowie Männern besonders ausgeprägt.

Verbreitete Irrationalität

Unter Einbezug eines umfangreichen Fragen-Sets aus der sogenannten Behavioral-Finance-Theorie, das spezifischen Verhaltensmerkmalen und psychologischen Einflussfaktoren nachging, konnte demgegenüber festgestellt werden, dass eine hohe Selbstwahrnehmung des Wissensniveaus besonders oft mit irrationalem Anlegerverhalten einhergeht. Trotz technischen Kenntnissen fehlt es dem typischen Private-Banking-Kunden demnach an Know-how im Umgang mit der Psychologie der eigenen Handlungen und des Marktes. Dies erscheint gemäss der Studie umso gefährlicher, als vermeintliches Wissen zu einer höheren Risikobereitschaft führt.

Bankgeheimnis en vogue

Das Bankgeheimnis findet mit 61 Prozent eine hohe Zustimmung bei Private-Banking-Kunden in der Schweiz und mit 80 Prozent in Österreich. Vor allem in Deutschland sind Kunden mit 87 Prozent zu einem grossen Teil der Meinung, das Steuersystem sollte vereinfacht werden. Während 58 Prozent der Schweizer Anleger die Steuerbelastung in ihrem Land für angemessen halten, sind dies in Österreich 26 Prozent und in Deutschland lediglich 9 Prozent.

«Gespaltenes Verhältnis»

Hans Roth, CEO der LGT Bank (Schweiz) AG, zeigte sich angesichts der Studioenergebnisse gestern in Zürich zuversichtlich: «Die Tatsache, dass Kunden von Privatbanken ihre Bankbeziehung besonders positiv beurteilen, bestärkt die LGT in ihrem Betreuungsansatz.» Das «gespaltene Verhältnis» zwischen der Einschätzung der eigenen Bank und der Finanzbranche insgesamt müsse jedoch allen Anbietern zu denken geben. Klare und verständliche Produkte, eine umfassende Beratung und die Sensibilisierung für Verhaltens- und Entscheidungs- schwächen stünden für die LGT für im Vordergrund. (pd/wfr)

Im Wortlaut: Studie zum Download

Lesen Sie mehr zum Thema in der morgigen Ausgabe von «Wirtschaft regional»

 

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