Ein Damoklesschwert namens Verschuldung
VON MARIANNE TRUTTMANN, BRÜSSEL
Nach der tiefsten Rezession ihrer Geschichte kommt die EU-Wirtschaft wieder langsam in Fahrt. Im laufenden Jahr wird sie gemäss der gestern in Brüssel vorgestellten Frühjahrsprognose der EU-Kommission dank des anziehenden Aussenhandels um 1 Prozent und im nächsten Jahr um 1,75 Prozent wachsen, nachdem sie im vergangenen Jahr um über 4 Prozent zurückging. Laut EU-Wirtschafts- und Währungskommissar Olli Rehn muss allerdings dafür gesorgt werden, dass das Wachstum nicht durch Risiken im Zusammenhang mit der überbordenden Staatsverschuldung einiger EU-Länder beeinträchtigt wird.
Die EU hat ihre Wachstumsprognose im Frühjahrsgutachten gegenüber dem Herbst um einen Viertelprozentpunkt nach oben korrigiert. Verbessert haben sich insbesondere die
Aussenhandelsaussichten. Weniger schlimm als befürchtet fiel auch der Anstieg der Arbeitslosenzahlen aus, dies dank der Konjunkturprogramme sowie der Kurzarbeit. EU-weit erreicht die Arbeitslosigkeit im laufenden Jahr dennoch fast 10 Prozent. Wegen der verzögerten Auswirkung der Krise wird die Beschäftigtenzahl im laufenden Jahr nochmals um ein Prozent sinken, bevor sie im nächsten Jahr wieder steigt.
Staaten unter Druck
Schwer am Erbe der Rezession tragen die öffentlichen Finanzen. Die Defizite der EU-Staaten haben sich seit 2008 auf 7,25 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) verdreifacht. Für 2011 erwartet Rehn einen Rückgang auf 6,5 Prozent des BIP.
Die Defizite der schlimmsten Sünderländer sollen bereits im laufenden Jahr zurückgehen, in Griechenland von 13,6 auf 9,3 Prozent, in Irland von 14,3 auf 11,70 Prozent, in Portugal von 9,4 auf 8,5 Prozent und in Spanien von 11,2 uf 9,8 Prozent des BIP.
Die Verschuldung der Staaten wird nach Einschätzung der EU-Kommission trotz der rückläufigen Defizite weiter ansteigen. In den Eurostaaten erhöht sie sich von 78,7 Prozent des BIP im vergangenen Jahr auf 88,5 Prozent im Jahr 2011. Dass die Defizite und die Verschuldung in den USA und in Japan noch viel höher sind als bei der EU, ist für Rehn kein Trost.
Keine Entwarnung
Die steigende Staatsverschuldung werde als Folge der Krise noch lange zu spüren sein und sich weit über den derzeitigen Prognosehorizont hin auf die Wirtschaft auswirken, hielt die EU-Kommission gestern fest. Um ein nachhaltiges Wachstum zu sichern, forderte Währungskommissar Rehn von allen Mitgliedstaaten die Begrenzung der Schulden sowie Reformen, die sich positiv auf die Produktivität auswirken.
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