Bankkunden am Scheideweg
VON PATRICK STAHL
Vaduz. – Am krisengeschüttelten Bankenplatz Liechtenstein rückt die Stunde der Wahrheit näher. Die drei Vaduzer Grossbanken stellen in den kommenden zwei Wochen ihre Ergebnisse für das erste Halbjahr 2010 vor. Experten erwarten insbesondere Aufschluss darüber, ob die Banken nach Milliardenabflüssen wieder Boden gutgemacht haben.
Datendiebstähle, Steueraffäre und der Wegfall des Bankgeheimnisses in Steuerdelikten hatten den Finanzplatz Liechtenstein in die schwerste Krise seiner Geschichte gestürzt. Am stärksten spürten dies die drei grössten Banken: Die Anleger zogen seit Ausbruch der Steueraffäre im Februar 2008 netto insgesamt 9 Milliarden Franken von der LGT Bank, der Liechtensteinischen Landesbank (LLB) und der VP Bank ab.
Optimistische Bankchefs
Dennoch äusserten sich die Bankchefs anfangs dieses Jahres optimistisch, da sich die Geldabflüsse in der zweiten Jahreshälfte 2009 etwas verlangsamt hatten. Die Situation habe sich «wesentlich verbessert», sagte Prinz Max von Liechtenstein, Chef der LGT-Gruppe, nachdem Anleger im Gesamtjahr 2009 rund 3,7 Milliarden Franken von der Bank des Fürstenhauses abgezogen hatten.
Die VP Bank verlor 1 Milliarde Franken im ersten Halbjahr 2009 und noch 100 Millionen in der zweiten Jahreshälfte. Finanzchef Fredy Vogt sagte, die Bank habe den Geldabfluss «praktisch zum Versiegen gebracht». Die LLB verlor 1 Milliarde im Gesamtjahr. Für 2010 ging LLB-Chef Josef Fehr von einem Neugeldzufluss aus: «Die Entwicklung in den ersten beiden Monaten bestärkt uns in dieser Einschätzung.»
Strategie überdenken
Die Finanzanalysten sind mit ihren Einschätzungen vorsichtiger als die Bankchefs. Die grosse Unbekannte ist das Kundenverhalten: Die Kunden fragen sich, ob sie wieder Vertrauen in den Finanzplatz Liechtenstein fassen sollen oder andere Finanzplätze, etwa in Fernost, bevorzugen. Analyst Andreas Venditti von der Zürcher Kantonalbank erwartet, dass die Liechtensteiner Grossbanken ihre Abflüsse «zum Stoppen bringen». Sein Kollege Tobias Brütsch von der Bank Vontobel rechnet mit einer «flachen Entwicklung», sodass sich die Zuflüsse und Abflüsse in etwa die Waage halten.
Zu spät expandiert
Beide Analysten würdigen zwar die klare Strategie Liechtensteins in der Frage der Steuerkooperation. Die Gefahr neuer Druckversuche aus dem Ausland reduziere sich dadurch stark. Es brauche trotzdem einige Zeit, bis die Banken ihre Altlasten aufgeräumt und ihre Strategie angepasst hätten. Diese Situation verunsichere sowohl bestehende als auch potenzielle neue Kunden. «Je rascher sich die Banken neu aufstellen, desto schneller finden sie wieder Neukunden», sagt Brütsch.
Die Vaduzer Banken sind noch immer damit beschäftigt, bestehende Kunden zu halten. Neukunden zu gewinnen, ist in dieser Situation schwierig. Analysten führen dies auch auf die relativ schwache internationale Präsenz der Institute zurück. Die Vaduzer Banken seien im Vergleich zu den Schweizer Instituten geografisch weniger breit aufgestellt und vor allem im Wachstumsmarkt Asien schwächer vertreten, so Venditti. Eine Ausnahme sei die fürstliche LGT-Gruppe.
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