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Mit sich im Reinen

In Maria Reals Welt hat mittlerweile weit mehr Platz als ihr Beruf. Liechtensteins bekannteste «Gastgeberin» hat aber erst lernen müssen, loszulassen und zu delegieren. Je besser ihr das gelungen ist, desto erlebnis- und facettenreicher ist ihr Leben geworden.

Von Shusha Maier

Beschwingt, gut gelaunt und strahlend – so kennt Liechtenstein Maria Real. Sie ist seit vielen Jahren die Seele des von ihren Eltern gegründeten Gourmettempels in Vaduz.  Energisch und bestimmt zieht sie die Fäden im Hintergrund, stets freundlich und verbindlich ist sie ihren Gästen gegenüber.

Als geborene Gastgeberin sieht sich Maria Real dennoch nicht; ihre Arbeit als Managerin des Restaurants und Hotels sieht sie denn auch als Arbeit und keineswegs als spassiges Steckenpferd; was allerdings nicht heisst, dass sie diese Arbeit nicht liebt. «Es ist nur so, dass es für mich mittlerweile auch ein Leben ausserhalb des Betriebs gibt», sagt die Mittfünfzigerin fast entschuldigend.

So nachdenklich und ernst wie Maria Real wird, liegen die beruflichen Pflichten des Tages erst hinter ihr, kennen sie wohl nur wenige. Auch dass ihre liebsten Freizeitbeschäftigungen Lesen und Wandern sind, würde kaum jemand bei einer solch quirligen Frau vermuten. Dabei stehen in erster Linie Werke über Psychologie auf ihrer Leseliste und gewandert wird im Rheintal. «Wir haben hier eine solch wundervolle Natur, ich wüsste keinen Ort, der schöner ist», versichert sie.

Zur Psychologie – das Fachgebiet, das sie am meisten interessiert – kam Maria Real aus praktischen Gründen: «Wer wie ich viel mit Menschen zu tun hat, kommt zwangsläufig an den Punkt, wissen zu wollen, warum der eine so und der andere anders reagiert.»  An der Psychologie fasziniert Maria Real nicht nur der praktische Versuch einer Erklärung allgemeiner menschlicher Reaktionen, sondern genauso sehr die Möglichkeit, ihr eigenes Ich besser kennen und verstehen zu lernen.

«Es ist sehr wichtig, mit sich ins Reine zu kommen», ist sie überzeugt, wichtiger denn je in einer Zeit, in der es gilt, nach Ende der Erwerbsarbeit noch viele Jahre mit Leben zu füllen. «Es ist die Pflicht eines jeden, sich zeitgerecht darüber klar zu werden, wie das Leben nach der Pensionierung ausschauen soll», sagt sie. Für sich ist sie schon seit einiger Zeit dabei, diese Fragen zu klären. Das Wichtigste: «Man muss sich selbst ertragen lernen, muss lernen, allein sein zu können, ohne sich einsam zu fühlen, lernen, sich selbst zu beschäftigen, selbstgenügsam zu werden.»
Dass sie, einmal pensioniert, von einem Museum zum anderen hetzten wird, von einer Theatervorstellung in die nächste, nur um die Zeit zu füllen, kann sich Maria Real nicht vorstellen. «Dabei schätze ich Kunst und Kultur sehr, aber ich will beides als das geniessen, was sie sein sollen: Highlights im Tages- oder Wochenlauf.» Auch an Kinder oder Enkelkinder möchte sie sich nicht klammern müssen, um ihre Tage auszufüllen. Es ist allerdings nicht so, dass Maria Real bereits heute genaue Pläne schmiedet, was sie einst tun will und was nicht. «Ich will mich aber in die Lage bringen, mit Gelassenheit auf den dritten Lebensabschnitt blicken zu können.»

Ohne Angst alt werden, ist das das Ziel? «Ja, richtig! Ideal wäre, sich sogar darauf freuen zu können.» Dass das nicht leicht ist, vor allem nicht für eine attraktive Frau, die Augenmerk auf ihr Aussehen legt, weiss Maria Real sehr wohl. Hin und wieder hadert auch sie mit der Wirkung der Schwerkraft auf ihren Körper, aber eine schwere Erkrankung hat ihr vor einigen Jahren bewusst gemacht, dass Gesundheit und Wohlbefinden weit mehr zur Lebensqualität beitragen als straffes Bindegewebe.

So steht sie heute ihrem Spiegelbild entspannter gegenüber als viele andere und nimmt körperliche Veränderungen wahr, ohne ihnen zu viel Bedeutung beizumessen oder sich gar darüber zu grämen. Besonders wichtig ist ihr im Hinblick aufs Älterwerden auch, dass  sie keinen Berg unerledigter Dinge vor sich herschiebt, die «auf später» warten müssen. «Wenn man mit 50 nicht mit seinem Leben im Reinen und zufrieden ist, wird man es mit 60 oder 70 auch nicht sein», sagt sie bestimmt.  Je früher man erkennt, was einem guttut, was man erreichen, was pflegen möchte, desto besser.

Maria Real hat als ganz junge Frau die Möglichkeit bekommen, ihre Nase in den Wind zu strecken und Erfahrungen in aller Welt  zu sammeln. Nach einigen Jahren im Ausland aber war ihr klar: «Daheim bin ich in Liechtenstein.» Dennoch schwärmt sie noch heute von den schönen Zeiten in Paris, London und Florenz, möchte sie nicht missen, sehnt sich aber auch nicht danach zurück. Genauso ergeht es ihr auch mit ihrem Beruf: «Was ich mache, habe ich immer gerne gemacht und mache es noch heute gerne.» Um eine Antwort, was sie sich hätte vorstellen können, wäre da nicht der Familienbetrieb gewesen, ist sie trotzdem nicht verlegen: «Ich hätte einen Universitätsabschluss gemacht und wäre Lehrerin geworden.»

Das Unterrichten hat Maria Real immer grosse Freude gemacht, «ich habe im Wirtefachkurs sehr motivierte und wissbegierige Schüler erlebt und mit Begeisterung mein Wissen weitergegeben.»  Wissen weitergeben – etwas, das man bis ins hohe Alter machen kann, etwas, das sich Maria Real als Aufgabe vorstellen kann? «Ja sicher, aber ich kann mir auch vorstellen, selbst wieder die Schulbank drücken zu wollen, Psychologie zu studieren, oder etwas ganz Neues zu lernen …»

Maria Real hat keine Eile, sich zu entscheiden, sie hat noch fast ein Dutzend Erwerbsjahre vor sich, in denen sie beschwingt, gut gelaunt und stahlend ihrer Arbeit nachgehen wird und nach Feierabend ernst und nachdenklich darüber sinnen wird, was alles das Leben noch bereithält …
 

 

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