Mit grünem Master-Daumen
Von Shusha Maier
Eine Windböe fährt in die Krone der mächtigen Buche und zerrt an ihren Blättern; dann und wann gelingt es dem Sturm, ein Blatt ab- und mit sich fortzureissen. Die Luft schwirrt vor Staub und Hitze. Föhnwetter.
Wetter, wie es Catarina Proidl mag. Angenehme Wärme und windbewegte Flora erfreuen alle ihre Sinne. Mit der Liebe zu Pflanzen und dem sprichwörtlichen grünen Daumen ist Catarina Proidl auf die Welt gekommen. Schon als ganz kleines Mädchen hat sie am liebsten in der Erde gewühlt und in Omas Garten ihr Beetlein gepflegt, genauso, wie sie es heute noch tut: «Ein Saatkorn in die Erde legen und schauen, was daraus wird», gehört immer noch zu ihren liebsten Beschäftigungen. Trotz oder gerade weil sie ihre Leidenschaft zum Beruf gemacht hat.
Was ihr in ihrer Jugend willkommene Freizeitbeschäftigung war, wurde nach Gymnasium und Matura bald Berufswunsch. «Ich habe die Schule in jener Zeit abgeschlossen, als gerade die Aktionen zur Rettung der Hainburger Au auf ihrem Höhepunkt waren.» Ein Energiekonzern wollte damals ein Kraftwerk in der Au auf der nördlichen Seite der Donau errichten.
Die Proteste waren so massiv, dass nach der Besetzung der Hainburger Au und einer Auseinandersetzung mit den Einsatzkräften der Polizei und Gendarmerie die österreichische Regierung das Projekt schliesslich zurückzog. Heute ist das Gebiet Teil des Nationalparks Donau-Auen. Catarina Proidl begann ihr Landschaftsarchitekturstudium beseelt vom Naturschutzgedanken. «Bald habe ich aber an der gestalterischen Komponente mehr Gefallen gefunden als an der schützerischen», erinnert sie sich. «Im Gegensatz zu einem Gebäude, das, wie der Architekt Roland Rainer sagt, seinen Zenith im Moment der Fertigstellung erreicht und dann langsam verfällt, wächst ein Garten mit der Zeit und seinen Besitzern.»
Menschen dabei zu unterstützen, sich einen «grünen Wohnraum» einzurichten, empfindet Catarina Proidl als spannende Herausforderung. Zuerst, gesteht sie freimütig, müsse sie aber meist Illusionen zerstören, denn «einen pflegeleichten Garten – das gibt es einfach nicht». Gartenbesitzer müssten regelmässig eingreifen und Ordnung in die Landschaft bringen. Wie viel Arbeit das schliesslich gibt, ist davon abhängig, wie viel Eigendynamik man den Gewächsen zugesteht. Catarina Proidl ist dabei eher tolerant: «Ich weiss lieber im Vorhinein, in welchen Bahnen etwas abläuft, als dass ich es kontrollieren möchte.» Das trifft auf die Auswahl der Pflanzen zu, wo sie lieber eine kleinere Art wählt, als ein pompöses Exemplar zurückzustutzen, und in sehr ähnlicher Form auch auf ihr Leben.
So würde sie es schätzen, zu wissen, wo sie in fünf, zehn Jahren tehen wird; der Weg dorthin müsse dann keinesfalls der gerade – um in der Natur zu bleiben –, mit der Machete geschlagene sein, der dürfe ruhig mäandern. «Allerdings bin ich doch nicht immer so geduldig, wie ich es sein möchte.» Was Catarina Proidl zurzeit ungeduldig macht, ist, dass ihre Dissertation nicht schnell genug vorangeht. «Landschaftsstrukturen im Alpenrheintal» ist das Thema der Doktorarbeit, die sie an der Hochschule Liechtenstein schreibt, ihr Doktorvater aber sitzt in München. Fünf Stunden Autofahrt, um ein Detail zu besprechen, zehren, und nicht alles ist über E-Mail zu erledigen. Wenn sie wieder einmal das Gefühl hat, dass nichts mehr geht, hält sich Catarina Proidl mit Kulturgenuss bei Laune.
Jede Spielart der Kunst kann sie fesselnd finden, mit ihrem geschulten Auge für Formen und Farben ist sie allerdings der bildenden Kunst am nächsten. Die Kunstgesellschaft war für sie, neben ihrem Arbeitsort der Hochschule, auch ein sehr willkommenes Umfeld, Menschen mit ähnlichen Interessen kennenzulernen und Kontakte zu knüpfen. Bis vor vier Jahren hat Catarina Proidl in Wien gewohnt und war sich sicher, «ein urbaner Mensch zu sein». «Vor 15 Jahren hätte ich wohl noch die Panik gekriegt, hätte ich nicht das Gefühl gehabt, in 20 verschiede Kinos gehen zu können.» Mittlerweile sieht sie das viel entspannter: «Das TaKino ist doch eh super, mehr brauche ich gar nicht.» Eigentlich alles, was sie braucht – mit Ausnahme ihres Doktorvaters – findet die Landschaftsarchitektin auf Liechtensteins 160 Quadratkilometern. Viel Natur zum Wandern und Radfahren, Kultur auf hohem Niveau, Gärten, in denen sie ihre Ideen verwirklichen kann und «alles in erreichbarer Nähe». Das, findet Catarina Proidl, macht im besonderen Masse die Lebensqualität des Landes aus.
Sie kann sich nicht mehr vorstellen, woanders wohnen zu wollen und hofft, bald als Landschaftsarchitektin selbstständig arbeiten zu können. Dann wäre es auch an der Zeit, eine Familie zu gründen, denn was Catarina Proidl an Liechtenstein ebenfalls schätzt, ist der Familienzusammenhalt, «der hier noch weit mehr gepflegt wird». Wäre es da nicht ideal, die Wartezeit während der Dissertation auf diese Art zu nützen und ein Kind zu bekommen? «Oh, da hätte ich wohl nichts dagegen, aber vorläufig muss ich mich damit zufriedengeben, eine begnadete Tante für die Kinder meines Bruders zu sein.» Eine, die gerne Spielzeug bastelt und jonglieren kann und den Namen aller Bäume kennt, deren Blätter an Föhntagen durch die Luft wirbeln.
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