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Leidenschaft für Sprache und Musik

77 und sehr weise ist Harald Wanger. Er hat aus dem Leben viel gelernt, aber heute gibt er zu, ein wenig müde zu sein. Sein Amt als Organist der Pfarrkirche Schaan möchte er daher in jüngere Hände legen ? er hatte es aber so lange inne wie keiner zuvor: 60 Jahre!

Von Shusha Maier

Harald Wanger hat einiges an Aussergewöhnlichem geleistet in seinem Leben. Das Aussergewöhnlichste aber: Es ist der bei Weitem dienstälteste Kirchenorganist des Landes. Seit sechzig Jahren schon spielt er sakrale Musik – vorwiegend in der Pfarrkirche in Schaan. Mehrmals in der Woche, oft sogar täglich, hat er früher für den musikalisch-festlichen Rahmen in Gottesdiensten gesorgt. Auch heute spielt der Organist noch regelmässig, «aber ich habe nur mehr einmal in der Woche Dienst – am Sonntag, und selbst das möchte ich abgeben.» Er sei müde, gesteht er und ein kleines Lächeln kräuselt seine Lippen, als er anfügt, «ich denke, mit 77 darf man müde sein.»

Ja, das darf man gewiss – aber anmerken würde man es dem agilen Senior nicht. Seine liebste Beschäftigung neben Lesen und Musizieren ist heute der Umgang mit seinen Enkeln. Acht Enkeltöchter und Enkelsöhne hat Harald Wanger mittlerweile, sie sind im Alter zwischen 18 und fünf Jahren, und alle gehen gerne im Haus ihrer Grosseltern ein und aus. Geniessen die Gespräche über Landesgeschichte,  Musik und Literatur und hören dem Grossvater gerne beim Musizieren zu. Hat er sein musikalisches Talent weitervererbt? «Ja, einige meiner Nachkommen sind schon musikalisch; in meine Fussstapfen wollte bisher noch keiner treten.» Als Musiker muss man präzisieren, denn beruflich war Harald Wanger seinem jüngsten Sohn durchaus ein Vorbild, er ist Gymnasiallehrer.

Auch Harald Wanger war am Lehrerseminar – obwohl er längere Zeit mit einem Musikstudium geliebäugelt hatte. «Musik machen zu dürfen, ist schön, Musik machen zu müssen, aber schwer», warnte der Vater den jungen Mann und riet zu einem anderen Beruf. «Er hatte Recht», weiss Harald Wanger heute.  20 Jahre lang hat er als Primarlehrer unterrichtet, «ich war immer gerne Lehrer und hatte in all den Jahren nur eine Klasse, die mich viel Nerven gekostet hat, weil sie so schlecht war.»

Aber Harald Wanger hat nicht nur unterrichtet, er hat sich auch um die Entwicklung von liechtenstein-spezifischen Lehrmitteln bemüht und ein Geschichtsbuch für Primarschüler geschrieben, das die Landesgeschichte von der Steinzeit weg beschreibt. Viele Zeichnungen und Fotos von Schauplätzen und Fundstücken machen das Werk lebendig. Nach den langen Jahren des Unterrichtens wechselte der Lehrer ins Schulamt und war dort etliche Jahre für die Lehrerfortbildung verantwortlich, bis der nächste – ja man könnte sagen Berufswechsel – anstand. «Ich habe dann vollamtlich das Josef- Rheinberger-Archiv übernommen.» Welche Arbeit hinter der Archivierung und Aufbereitung der Unmenge an Schriftstücken und Notenblättern des Vaduzer Komponisten steckte, wird klar, wenn man vor den 48 nachtblauen  Bänden steht, die das Werk des am 17. März 1839 in Vaduz geborenen Komponisten umfassen.

«Der 48. Band ist gerade fertig geworden», freut sich Harald Wanger. Er hat über die Jahre, in denen das umfangreiche Werk entstanden ist, sämtliche Neuerungen im druckgraphischen Bereich mitverfolgen können.  Für einen Bücherliebhaber wie ihn eine spannende und sehr interessante Sache.

Ein Blick auf Harald Wangers Bib­liothek zeigt: Der Mann liebt Klassiker – schön gebundene Klassiker. «Ja ich mag die alten Dichter sehr», bestätigt er. Natürlich lese er auch hin und wieder «etwas Modernes»; aber meist eben nur ein- mal. Die Klassiker hingegen könne er wieder und wieder lesen, je nach Lebensalter oder Stimmung würde er bei jedem mal etwas anderes herauslesen können.

Harald Wanger verrät gerne, was sein Lieblingsbuch ist: Gottfried Kellers Novelle «Die missbrauchten Liebesbriefe».
Und wie stehts mit der Musik? Nein, nein, er möge auch vieles andere als sakrale Werke, spielt vieles auch selbst am Klavier. Acht Jahre alt war Harald Wanger, als er sich zum ersten Mal an das Instrument setzte, das bereits sein Vater mit einiger Virtuosität beherrschte. Zu Fuss ist der Bub damals über die Rüfe nach Vaduz gewandert, um sich von Felix Marxer das Klavierspiel beibringen zu lassen. Musikschule gabs damals nämlich noch keine. Aber besagter Felix Marxer, ein Reallehrer, sei ein «sehr rühriger Mensch gewesen». «Er hat allerhand auf die Beine gestellt, hat sogar in der Schule Gesangsunterricht gegeben und  schliesslich die Musikschule gegründet.» Mit 50 Schülern glaubte man damals, das Plansoll erfüllt zu haben und konnte kaum fassen, nach wie kurzer Zeit schon diese 50 Schüler zum Unterricht drängten. 

Mit 17 hat Harald Wanger schliesslich begonnen, Orgel zu spielen – das Instrument, dem nun seit 60 Jahren seine Leidenschaft als Musiker gilt.
 

 

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