Eine voll emanzipierte Frau
Von Shusha Maier
Dass die Arbeit, die sie rund um die Uhr beschäftigte, kein Beruf ist, bekam Bernadette Brunhart von höchster Amtsstelle bestätigt. Ergo gabs auch keine amtliche Gewerbebewilligung zur Ausbildung ihrer Lehrlinge. Hausfrau gilt höchstens als Tätigkeit, «und zwar als untergeordnete und selbstverständliche, darum wird sie auch viel zu wenig wertgeschätzt».
Diese Ungerechtigkeit, die Frauen, die nach wie vor den Löwenanteil an Erziehungs- und Hausarbeit leisten, von der Gesellschaft widerfährt, bringt die Mutter dreier mittlerweile erwachsener Kinder immer noch ins Harnisch.
Niemand, ist sie überzeugt, arbeitet so viel und mit so wenig Anerkennung wie Frauen mit kleinen Kindern. Geändert habe sich daran in den vergangenen 30 Jahren kaum etwas; «die Lobhudeleien der Politiker für die Familie – oft nur Lippenbekenntnisse».
Bernadette Brunhart ist bekannt dafür, kein Blatt vor den Mund zu nehmen, Kritikwürdiges wird kritisiert, findet sie etwas lobenswert, spart sie aber auch nicht mit Anerkennung. Ihre gradlinige Art, ihr ansteckender Humor und die Gabe, auch mal über sich selbst zu lachen, machen den Umgang mit ihr so angenehm. Ihre Unverkrampftheit lässt im Gespräch jedes Thema zu, von Plauderei bis zu tiefsinnigen, philosophischen Lebensbetrachtungen.
Obwohl erst knapp über 60, ist Bernadette Brunhart Zeitzeugin einiger gesellschaftlicher Wandel im Land. Und nicht nur das; die einschneidendste Veränderung der liechtensteinischen Politlandschaft hat sie engagiert und tatkräftig mit angestossen: Jahrelang kämpfte sie für das Frauenstimmrecht. «Wenn ich mir das heute überlege, kommt es mir ganz unglaublich vor, welchen Aufwand es gekostet hat, ein vollkommen selbstverständliches Recht einzufordern und erst nach langen Mühen zu bekommen.»
Als Mädchen und junge Frau hatte Bernadette Brunhart genügend Gelegenheiten, ihr Selbstbewusstsein zu bilden und zu stärken.
Sie war das erste und lange Zeit auch das einzige Mädchen, das in der Landesverwaltung eine kaufmännische Lehre absolvierte. «Immer wieder sind mir damals die Leistungen der männlichen Kollegen unter die Nase gehalten worden. Aber ich habe schnell gemerkt, was die können, kann ich auch und bei der Lehrabschlussprüfung mussten es schliesslich alle zur Kenntnis nehmen, dass ich genauso gut und genauso erfolgreich war wie sie.» So lernte sie schon früh, sich etwas zuzutrauen und stürzte sich mit Feuereifer in den Kampf ums Frauenstimmrecht. «Ich beschloss, mich im Fraue(®)nstimmrechtskomitee zu engagieren, natürlich ohne zu ahnen, was dieser Kampf für eine zähe Angelegenheit werden würde.»
Einen Erfolg zumindest konnte sie aber gleich zu Beginn ihres Engagements verbuchen: Die vom Elternhaus her «schwarze» Bernadette lernte den «roten» Hans kennen. Die beiden verliebten sich ineinander wurden ein Paar und sind noch heute unzertrennlich. «Ja, da hatte ich dann zwar einen Mann, aber noch lange kein Stimmrecht», bemerkt sie trocken. Immerhin standen sie und ihr Mann, der spätere Regierungschef Hans Brunhart, wenn schon vorerst nicht politisch, so doch in der Sache auf derselben Seite.
Eine emanzipierte Frau, die es sich nicht vorstellen konnte, trotz Kinder und Familienarbeit auf die eigene Berufstätigkeit zu verzichten, entsprach durchaus auch seinen Vorstellungen. Dass er dereinst beruflich so sehr eingespannt sein würde, dass er es bei allem guten Willen nicht schaffte, den ihm zugedachten Part im Familienleben zu erfüllen, konnte er damals nicht ahnen. Doch Bernadette Brunhart schaffte es schliesslich, sich mit der Aufgabenteilung gut zu arrangieren und rechnet es ihrem Mann hoch an, dass er für sie wie auch für die Kinder immer «da», immer greifbar war. «Sicher habe ich mich manchmal als Alleinerziehende gefühlt, aber eine in sehr komfortabler Position.»
Sobald die Kinder aus dem Gröbsten heraus waren, fand Bernadette Brunhart die Zeit für sich gekommen, wieder etwas anderes zu machen, als «nur Haushalt», was, wie sie damals ja schon erfahren hatte, kein Beruf ist.
Da ihr Büroarbeit früher recht viel Freude gemacht hatte, versuchte sie den Wiedereinstieg in dieser Branche, fand aber eine vollkommen veränderte Arbeitswelt vor, die ihr nicht mehr sonderlich entsprach. Allerdings entdeckte sie in dieser Wiedereinsteigphase ihre Lust am und ihr Talent zum Schreiben. Mutig wie sie ist, begann sie eine Journalismusausbildung und schreibt seither mit grosser Begeisterung für das liechtensteinische Seniorenmagazin 60plus.
Weil sie neben einem hyperengagierten Mann schon immer viel Freiraum hatte, den sie sich selbst ausfüllen musste – oder durfte – hat sie heute auch keine Schwierigkeiten, die restliche Zeit für sich gewinnbringend zu nutzen. So hatte sie sich als Präsidentin der Familienhilfe zum Ziel gesetzt, zu beweisen, dass ehrenamtliche Tätigkeit absolut professionell gemacht werden kann. Weil Bernadette Brunhart nach wie vor in der glücklichen Lage ist, sich ihre Engagements aussuchen zu können, beschäftigt sie sich nun wieder vermehrt mit Chancengleichheit. «Allerdings haben sich die Prioritäten verlagert, habe ich früher alles, was mir möglich war, gegen die Diskriminierung von Frauen getan, gehe ich heute gegen die Ausgrenzung alter Leute an.» Denn, und da ist sich Bernadette Brunhart sicher, das Alter ist eine sehr schöne Lebensphase, sofern man sie in Würde und von der Gesellschaft getragen erleben kann. «Ich glaube, ich geniesse heute mehr glückliche Momente, als ich sie als junge Frau genossen habe», sagt sie.
Geduldiger sei sie geworden, offener, nicht mehr so vielen Zwängen unterworfen, und mit einem schelmischen Lächeln schiebt sie nach, «alt werden bedeutet doch schliesslich auch, Narrenfreiheit bekommen. Tun dürfen, was man will!» Es sei befreiend, sich endlich mit seinen Schwächen versöhnen zu können und sich zu getrauen, versöhnt statt stolz auf die Leistungen eines Lebens zurückzublicken. Da gibt es nichts, wovor man Angst zu haben bräuchte, und als einzige Bedingung, diesen Lebensabschnitt voll und ganz zu geniessen, nennt Bernadette Brunhart fröhlich lachend: «Den Humor nicht verlieren, nicht verlernen, auch über sich selbst lachen zu können!»
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