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Die Preisgekrönte

Kuratoren leisten ihre Arbeit im Hintergrund, führen meist ein Leben im Schatten «ihrer» Künstler. Dennoch leisten sie Grosses. Ein neuer Preis soll daher den Ausstellungsmachern Respekt und Anerkennung zollen. Christiane Meyer-Stoll ist die erste Justus-Bier-Preisträgerin.

Von Shusha Maier

Müsste man Christiane Meyer-Stoll einer Kunstrichtung zuordnen, wäre es klar der Purismus, der ihr Äusseres am besten charakterisiert. Das hohe Mass an Ästhetik an ihrer Person beruht auf dem Klaren, Genauen, Regelmässigen, Unverfälschten. In ihrem klassisch schönen Gesicht ist keine Spur von Make-up, ein Ehering ist das einzige Schmuckstück, das sie trägt.
Die Kunsthistorikerin bewegt sich energisch, zielstrebig; ihr Händedruck ist kräftig, aber nicht zu fest. Seit zehn Jahren arbeitet Christiane Meyer-Stoll als Kuratorin im Kunstmuseum Liechtenstein, organisiert mit einem kleinen Team höchst anspruchsvolle Ausstellungen und ist dazu noch für viele Pub­likationen zu diesen Schauen verantwortlich. Für eines dieser Werke ist Christiane Meyer-Stoll vergangene Woche als Erste ihres Fachs mit dem Justus-Bier-Preis ausgezeichnet worden.
Ziel dieses neu geschaffenen Preises für Kuratoren ist es, fachlich und sprachlich herausragende Pub­likationen in Zusammenhang mit Ausstellungsprojekten aus dem deutschsprachigen Raum zu würdigen. Christiane Meyer-Stoll erhielt diese Auszeichnung für die Publikation des Katalogs zur Sammlung Rolf Ricke sowie für die Realisation der Ausstellung «Lust for Life» im Kunstmuseum Liechtenstein. Die Jury lobte die Publikation als «herausragende kuratorische Leistung, die über 40 Jahre Kunstgeschichte seit den 1960er-Jahren aufarbeitet – ein Dokument lebendiger Zeitgeschichte und die Sichtbarmachung der Pionierleistung von Rolf Ricke».

Zur zeitgenössischen Kunst hatte Christiane Meyer-Stoll schon während des Studiums eine besondere Affinität entwickelt. Zum einen beeindruckten sie die Ausführungen eines ihrer Professoren zur Kunst von Joseph Beuys ganz ausserordentlich, zum anderen fühlte sie sich in jenem nationalsozialistischen Bauwerk der Zentralbibliothek, in dem Münchens Kunststudenten ihre Forschung zu betreiben hatten, nie wohl: «Ich glaubte mich von der Schwere der Räume erdrückt und konnte mich an diesem Ort der Geschichte nie in die Materie der Vergangenheit vertiefen.»
Von Antikem meinte Christiane Meyer-Stoll zudem bereits in ihrer Jugend eine Überdosis verabreicht bekommen zu haben: «Alte Kirchen und Gemäuer interessierten vor allem meine Mutter sehr. Ich fand es teils nur schrecklich, auf jeder Ferienreise Kirchen anschauen zu müssen.» Doch als sie als junge Erwachsene alleine auf Reisen ging, was tat sie? Kirchen anschauen und das mit wachsender Begeisterung, sodass bald feststand: «Ich will Kunstgeschichte studieren und zu meinem Beruf machen.» Von dem weiten Betätigungsfeld, das ein Studium der Kunstgeschichte eröffnet, hatte Christiane Meyer-Stoll bald das für sie interessanteste Gebiet entdeckt. «Kunst hat eine grosse Kraft; sie ist nicht im Unmittelbaren gesellschaftsverändernd, aber Kunstwerke können oft als Symbole für diese Veränderung gelesen werden.» Gesellschaftliche Zustände, Entwicklungen, Veränderungen

an zeitgenössischen Kunstwerken nachzuvollziehen, ist für die Kuratorin besonders spannend und eine stets lohnende Herausforderung. «Im Vergleich kann man auch feststellen, welcher Künstler wegweisend ist, wer den Finger am Puls der Zeit hat, wer die Kunst vorantreibt und wer nachläuft.» Dazu ist viel Wissen und Erfahrung, aber auch viel Zeit nötig. «Ich reise viel, um Kunst anzuschauen. Man muss das Original sehen, um seinen Wert und Inhalt seriös beurteilen zu können. Ein Bild vom Bild reicht dazu nicht aus.»

Wo nimmt die Mutter eines zehnjährigen Sohns diese Zeit her? «Ohne Partner, der einen grossen Teil der Haushalts- und Erziehungsaufgaben übernimmt, könnte ich meine Arbeit nicht in diesem Umfang leisten», gibt sie zu. Für ihren Mann Axel Jablonski, selbst Kurator und Publizist, war es schon vor der Geburt des gemeinsamen Sohns klar, dass er sich um das Baby und den Haushalt kümmern will. Christiane Meyer-Stoll ist drei Monate nach der Geburt an ihren Arbeitsplatz im Museum zurückgekehrt. Heute bedauert sie das ein wenig: «Eine Karenzzeit von wenigstens einem halben Jahr wäre gut», sagt sie. Die Innigkeit, die eine Mutter mit ihrem Kind in den ersten Monaten erlebt, hätte sie gerne noch ein bisschen länger genossen.

Viel von ihrer Freizeit gehört heute dem Sohn, aber bei Weitem nicht alles: «Ich arbeite auch in der Freizeit recht gerne an ernsthaften Projekten, die die Kunstgeschichte weitertreiben, spüre Strömungen in der zeitgenössischen Kunst auf. Und ich lerne Iwrit.» Christiane Meyer-Stoll verbrachte das Jahr nach ihrem Abitur in Israel. Es war für sie die beste Möglichkeit, die Geschichte des Landes, in dem sie gross geworden ist, zu verarbeiten. Die vielen Erzählungen, die «oral history» der Opfergeneration half ihr damals dabei und heute ist es der «liebende Blick auf die Welt», zu dem Literaten wie Lizzie Doron oder Aharon Appelfeld trotz unvorstellbar schlimmer Erlebnisse nach wie vor fähig sind. Die Aussicht, Texte dieser Autoren im Original zu lesen, spornt Christiane Meyer-Stoll an.
Worauf sie sich im Moment am meisten freut: Einige Sommerwochen in Berlin zu verbringen und ohne Hast und Druck durch Galerien und Ausstellungen schlendern zu können, um neuen Strömungen in der Kunstszene nachzuspüren und sich hie und da mittreiben zu lassen.
 

 

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