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Die älteste Spinne Liechtensteins

In Liechtenstein gibt es Urspinnen: Die Tapezierspinnen. Sie sind mit den Vogelspinnen verwandt und leben in der Erde. Früher war ihre Spinnseide ein wichtiges Heilmittel.

Balzers. – «Sehen Sie eines der Röhrchen, in denen die Spinnen wohnen?», fragt der Spinnenexperte Holger Frick, Leiter der Abteilung Naturschutz und der Naturkundlichen Sammlung beim Amt für Wald, Natur und Landschaft. Konzentriert scannen meine Augen den Boden am Waldrand in Balzers ab. Es ist eher eine karge Stelle. Trotzdem liegen Hölzer und Baumnadeln auf dem Boden, einzelne Pflanzen strecken ihre Blüten aus der Erde. Aber ein Röhrchen? Nein, nichts zu sehen. Eine ganze Kolonie soll auf diesem Flecken Waldboden leben. «Da ist zum Beispiel ein Röhrchen», sagt Frick und zeigt auf einen braunen Schlauch, der zirka sieben Zentimeter lang ist und einem mit Dreck verschmutzten Ast ähnlich sieht.

Tapezierspinne, auch Atypus genannt, heisst die Bewohnerin dieser Erdröhre, welche sie mit ihrer Spinnseide «tapeziert» und Steinchen und Bodenteile zur Tarnung eingewebt hat. Die schwarzen, rund zwei Zentimeter grossen Achtbeiner sind uralt – sie leben seit rund 150 Millionen Jahren auf der Erde – und sind die einzigen Vertreterinnen der Vogelspinnenarten, die sogar 350 Millionen Jahre alt sind, in Europa. Aber keine Angst, die drei einheimischen Tapezierspinnenarten sind nicht giftiger als eine Wespe und dass ein Mensch von ihnen gebissen wird, ist eher unwahrscheinlich. Denn sie kommen nicht nur selten vor, sondern verbringen fast ihr ganzes Leben in ihrem austapezierten Erdreich – zumindest die Weibchen, welche bis zu sieben Jahre alt werden können.

Bekommt ein Mensch eine Tapezierspinne zu Gesicht, handelt es sich mit grosser Wahrscheinlichkeit um ein Männchen, das auf der Suche nach einem Weibchen ist. Die Lebenserwartung der Männchen ist übrigens um einiges geringer: Nur ein Jahr haben diese zu leben.

Simple Jagdstrategie

Mit einem Ast berührt Holger Frick das Erdröhrchen und versucht die Spinne ins Freie zu locken. «Eventuell kann ich sie täuschen und sie glauben machen, ein Insekt sitze auf ihrem Fangschlauch», sagt er. Der Fangschlauch ist der sichtbare Teil des Röhrchens der Tapezierspinne. Die «Wohnröhre» selbst kann bis zu 40 Zentimeter unter die Erde gehen. Die Jagdstrategie ist simpel: Stolpert ein Insekt über den Fangschlauch, prescht die Urspinne hervor und beisst durch den Schlauch hindurch in die Beute. Anschliessend zieht sie das betäubte Insekt ins Erdinnere, um es dort zu verspeisen. «Ähnlich wie die Vogelspinnen, jagt auch die Tapezierspinne mit Muskelkraft», erklärt Holger Frick. Deshalb sind die riesigen Mundwerkzeuge und die dicken kurzen Beine ein Erkennungsmerkmal der Gattung Atypus.

Rheindamm beliebter Standort

Die achtbeinige Bewohnerin des Erdröhrchens in Balzers lässt sich nicht blicken. Auch beim Nachbarröhrchen ist keine Reaktion zu sehen. Die Tapezierspinnen der Kolonie in der südlichsten Gemeinde Liechtensteins fallen nicht auf den Trick herein. «Manchmal schaffe ich es, eine herauszulocken, aber dies ist reine Glückssache», sagt Frick. Obwohl die drei heimischen Arten der Gattung Atypus in Mitteleuropa sehr selten sind, weiss der Spinnenexperte von einigen Standorten in Liechtenstein. Vor allem der Rheindamm ist ein beliebter Lebensraum der Tapezierspinne – oder eben südexponierte Hänge an Waldrändern wie in Balzers. Denn sonniges und warmes Klima ist wichtig für diese Spinnen. Dabei bevorzugen sie trockene Standorte, wo sie weder von Menschen noch anderen Tieren gestört werden.

Spinnseide zur Wundheilung

Holger Frick gibt die Versuche, die Spinne an die Oberfläche zu locken, auf und entfernt vorsichtig einen Fangschlauch, der nicht mehr bewohnt ist. Er öffnet ihn und die schneeweisse «Innentapete» kommt zum Vorschein. Im Mittelalter benutzten die Menschen diese Spinnenseide für die Wundheilung. «Die Seide hat eine desinfizierende Wirkung und fördert die Regeneration des Gewebes», erklärt Frick. Deshalb gruben die Menschen früher die Erdröhrchen der Tapezierspinne aus, wuschen Reste von Erde ab und legten sie direkt auf die Wunde. Zumindest in der Schweiz wäre dies heute nicht mehr möglich, da dort diese seltenen Urspinnen geschützt sind. (manu)

 

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