Der kuglige Tausendfüsser
Vaduz. – Gäbe es die sogenannten Zersetzer nicht, würde sich das Laub im Wald meterhoch stapeln. Zu diesen Zersetzern gehört auch die Familie der Saftkugler. In Liechtenstein ist von dieser Tausendfüsserfamilie der gesäumte Saftkugler, oder auch Glomeris marginata genannt, am häufigsten vertreten. Zehn Prozent des am Boden liegenden Laubes in den liechtensteinischen Wäldern fressen Saftkugler. Wie der Name «Zersetzer» bereits sagt, scheidet er die toten Pflanzen verkleinert aus und düngt damit die lebenden Pflanzen. «Für den Nährstoffzyklus ist der Saftkugler sehr wichtig», sagt Holger Frick vom Amt für Wald, Natur und Landschaft.
Viele Füsse, aber nicht tausend
Wie bereits erwähnt, leben die Saftkugler in Laubwäldern. Es ist nicht schwierig, sie zu finden, denn sie sind überall. Nur muss man ein bisschen genauer hinschauen, um die sieben bis zwanzig Millimeter grossen, schwarz glänzenden Tiere zu sehen. Erkennungsmerkmal sind die gelblichen Ränder um die Rückenschilder. Und natürlich hat Glomeris marginata viele Füsse – schliesslich ist er ja ein Tausendfüsser. Tausend Füsse sind es dann aber doch nicht. Die Männchen haben 17 Beinpaare mit insgesamt 34 Füssen und die Weibchen haben 19 Beinpaare mit insgesamt 38 Füssen.
Kugel zur Abwehr
Und weshalb sagt man zu diesem Tausendfüsser Saftkugler? Der Name hat mit seinen Schutzmassnahmen gegen Feinde zu tun. Denn zur Abwehr rollt er sich zu einer Kugel zusammen. «In erster Linie macht er das, um seine wichtigsten Organe, die Mundwerkzeuge und die Geschlechtsteile zu schützen», erklärt Holger Frick. Der Panzer ist zwar nicht sehr dick, aber er schützt vor Feinden in seiner Gewichtsklasse, wie z.B. Insekten und Spinnen. Ausserdem ist die Kugel eine gute Tarnung – man kann ihn zwischen den Erdklumpen auf dem Waldboden kaum erkennen. Und dass vor dem Kugler noch «Saft» steht, verdankt dieser Tausendfüsser seinen Drüsen auf dem Panzer, die einen extrem stinkenden und giftigen Wehrsaft absondern können. Dieses stinkende Sekret hält fast alle Feinde fern – Spitzmäuse, Eidechsen und Frösche kann er so davon abhalten, ihn zu fressen. Nur Igel lassen sich vom stinkenden Wehrsaft nicht beirren.
Kügelchen zur Befruchtung
Saftkugler können bis zu zehn Jahre alt werden. Zwischen zwei und vier Jahren werden sie geschlechtsreif. Aktiv sind sie vom Frühling bis Herbst. Die Paarungszeit ist von März bis anfangs Juni. Und auch in der Paarung spielt das Wort «Kugel» eine wichtige Rolle. Das Männchen bewegt sich rückwärts auf das Weibchen zu. Dann ergreift er sie mit seinem zangenartigen sekundären Geschlechtsteil, welches aus umgewandelten Beinen des hintersten Körpersegmentes entstand. Somit kommen sie Bein an Bein in eine 69er-Stellung. Nun formt das Männchen aus Substrat mit seinen Mundwerkzeugen eine kleine Kugel und gibt einen tropfen Sperma darauf. Dieses Kügelchen wird schliesslich mit den Beinen nach hinten zu seinen umgewandelten Beinen transportiert und dann in die weibliche Genitalöffnung einführt.
Nun ist das befruchtete Weibchen an der Reihe, Kügelchen herzustellen. Zuerst frisst sie Erde und fertigt aus dem entstandenen Kot rund 30 Klümpchen, in die sie Steinchen und Hölzer zur Tarnung einbaut. In diese Klümpchen legt sie dann die Eier ab – pro Klumpen meist ein Ei. Die Eikammern sehen den Kotpellets der Saftkugler sehr ähnlich. «Dieses Vorgehen ist zwar aufwendig, erhöht aber den Schutz der Eier und somit deren Überlebenschancen», sagt Holger Frick.
Nach drei bis vier Wochen schlüpfen dann die Jungen. In ihrer Wachstumsphase häuten sich die Saftkugler im Winter bis zu drei Mal. Dies ist nötig, da der harte Panzer nicht mitwachsen kann. Sind sie einmal erwachsen, häuten sie sich nur noch einmal pro Jahr. Dann müssen die kugeligen Tausendfüsser nur noch hoffen, dass sie keinem Igel über den Weg laufen. (manu)
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