Beschirmt oder unbeschirmt ist die Frage
Ein Urmensch beklagt gegenüber seinem Kollegen, dass der Sommer verregnet sei. Dieser antwortet: «Mich wundert das gar nicht, das ist erst, seit sie mit Pfeil und Bogen schiessen!» Es hat sich nichts geändert: Heute heisst es: «Das ist erst, seit man Handys erfunden hat!»
Das Wetter ist jedenfalls Lieblingsthema der Menschheit, seit es Menschen gibt. Zwar hat man es nicht mehr nötig, auf den hundertjährigen Kalender oder Kaffeesatz zurückzugreifen, weil man inzwischen meteorologische Stationen, Satelliten und Wetter-Apps hat, aber das Ergebnis ist meist das gleiche, nämlich: «Nichts Genaues weiss man nicht»: Wer zwei Apps hat und auch noch die Wetterprognose in der Zeitung liest, bekommt drei verschiedene Ergebnisse.
Das heisst, in Freizeitvorhaben umgesetzt: Um sich nicht lächerlich zu machen, geht man ohne Schirm aus dem Haus, aber um nicht nass zu werden, nimmt man einen in der Innenjacken- oder Handtasche verstaubaren Minischirm mit. Aus dem Dilemma können aber zwei werden.
1. Massenveranstaltungen bei strömendem Regen provozieren Gerangel, zerstörte Schirme, wohlfeilen Ausländerhass, Verletzungen in Augenhöhe und durchnässte Kragen und Hosenbeine. 2. Massenveranstaltungen bei nicht eingetretenen Niederschlagsmengen hinterlassen in Summe 2,4 Prozent irgendwo kurz abgestellter und demzufolge unausweichlich verloren gegangener Regenschirme. Verschärft werden kann der Verlust der Schirmherrschaft noch durch den Umstand, dass selbiger allenfalls nur ausgeliehen war.
Die Tragödie gipfelt womöglich dann sogar auch noch in Massenansammlungen, die bei bewölktem, aber noch nicht regnerischem Wetter begannen und urplötzlich in das Herabstürzen kompakter Wassermengen umschlagen. Denn nun zerren dicht an dicht stehende Menschen hastig den mitgebrachten Schirm heraus, und das Ergebnis ist ein knatterndes Rascheln sich gleichzeitig entfalten wollender Regenschirme, obwohl dazu gar kein Platz ist.
Na, wie war es gestern Abend denn bei Ihnen? Schirm dabeigehabt auf dem Weg zum Feuerwerkschauen? Oder feige daheim geblieben, aus Angst vor zerlaufener Wimperntusche oder von fremden Regenschirmen gepiekst zu werden?
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Paul Zinnober