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Als Architekt geboren

Zur Zeit der grossen Rheinüberflutung, als das Wasser in Eschen am Kohlplatz bis zur dritten Stufe seines Elternhauses stand, war Franz Hasler noch nicht geboren: Er kam ein Jahr danach, 1928, auf die Welt.

Dennoch ist ihm, als ob er es gesehen hätte, das Hochwasser, so intensiv waren die Bilder, die damals die Erwachsenen mit ihren Erzählungen in dem kleinen Buben auslösten. Seine 81 Jahre sieht man ihm nicht an; ein wacher Blick hinter grossen Brillengläsern, sehr gepflegte Hände unterstreichen mit energischen Bewegungen Aussagen wie: «Man musste auch früher seinen Kopf beieinander haben, um Karriere zu machen.» Früher heisst in diesem Fall in den 60er-Jahren, als Franz Hasler als Architekt gross herauskam.
Noch früher, als er Kind war, waren die Verhältnisse für viele im Land armselig. «Die meisten von meinen Jahrgängern wollten gar keine Ausbildung machen. Das entsprach einerseits nicht dem Zeitgeist, andererseits erachtete man es auch nicht als notwendig», sagt er und schüttelt den Kopf, noch heute verwundert über so wenig Weitblick. Die dichten weissen Haarbüschel über den Ohren wippen mit. Er habe unbedingt einen Beruf erlernen wollen, erinnert er sich. Es wäre ihm auch möglich gewesen, das Gymnasium in Vaduz zu besuchen, aber «diesen Gedanken habe ich damals selbst zu wenig verfolgt.» Zumal es ein mühevolles Unterfangen gewesen sei, denn öffentliche Verkehrsmittel gab es damals so gut wie keine. Für Unterländer Gymnasiasten bedeutete das, mit dem Fahrrad nach Vaduz zu strampeln, sommers wie winters, bei Wind und Wetter. Der Besuch der Eschner Realschule sei dagegen richtiggehend gemütlich gewesen. «Wir haben für damalige Verhältnisse auch gute Lehrer gehabt! Wenn man aufmerksam war, konnte man von ihrem Unterricht viel profitieren.» Ausserdem seien die Lehrer schon damals am Werdegang ihrer Schüler aufrichtig interessiert gewesen.


Die Entscheidung, Bauzeichner zu lernen, hat Franz Hasler selbst getroffen; sie kam nicht ganz von ungefähr. Schon der Vater hatte ein Baugeschäft, führte aber gleichwohl den Bauernhof des Grossvaters weiter. Hart arbeiten war damals so selbstverständlich wie das zu schätzen, was man hatte. «Ströme von Flüchtlingen» hat Franz Hasler von Feldkirch nach Buchs ziehen gesehen, als er im Arbeitsdienst in Schaan war. «Mit nichts als ihren Kleidern am Leib», er hat diese Bilder noch in bester Erinnerung. Richtig privilegiert fühlte er sich daher, als er in Solothurn eine Lehre als Bauzeichner anfangen durfte. «Solothurn, das war zu jenen Zeiten unheimlich weit weg – fast wie eine Weltreise.» Er hatte es auch gut getroffen, hatte eine sehr gute Lehrstelle gefunden und viele interessante Beziehungen geknüpft. Mit dem späteren Bundesrat Willy Ritschard etwa spielte Franz Hasler in derselben Mannschaft Fussball – Jahre darauf hat er ihm dann sein Haus geplant. Auch seine Frau Erna lernte er in Solothurn kennen. Sie folgte ihm später nach Zürich, wo er in einem namhaften Architekturbüro arbeitete. Zürich deshalb, weil der ehrgeizige junge Mann seine Ausbildung mit dem Lehrabschluss keineswegs als beendet betrachtete. Im Gegenteil: Nun standen das Technikum und eine Reihe von fachbezogenen Kursen an der Universität auf dem Plan. Fünf Jahre blieb er in Zürich – Ausbildung und Arbeit hielten sich während dieser Zeit die Waage. Der Chef des Architekturbüros, in dem er arbeitete, sah in Franz Hasler schon seinen Nachfolger; doch von einem Tag auf den anderen kam alles anders.
In seiner Freizeit hatte der junge Architekt ein Schulgebäude für einen Wettbewerb geplant; es sollte in seiner Heimatgemeinde Eschen gebaut werden. Prompt erlangte er mit seinem Projekt den ersten Preis. Da hat sich sein Chef noch mitgefreut; «sehr überrascht» habe er sich kurze Zeit später gezeigt, als Franz Hasler sich entschloss, nach Liechtenstein zurückzukehren, um seinem Beruf fortan hier nachzugehen. Er ergab sich für ihn sogar die Möglichkeit, in Vaduz ein Büro zu eröffnen. Die Konkurrenz war damals nicht gross, mehr als zwei, drei Architekten gab es nicht im Land. Von der Aufbruchstimmung, die 1955 das zuvor kriegsgebeutelte Europa schon erfasst hatte, war in Liechtenstein noch nichts zu spüren: «Auch bei Landesaufträgen musste jeder Franken zweimal umgedreht werden», erzählt Franz Hasler und erinnert sich lebhaft an die Diskussionen, die es gab, weil die gemäss Raumprogramm vorgesehene Turnhalle auf Wunsch der Lehrer ein wenig breiter werden sollte. Niemand wollte die Verantwortung für die Mehrkosten übernehmen. Der damalige Regierungschef Alexander Frick und der Schulkommissar Rudolf Meier haben daraufhin nach Abwägen der Vorteile der Verbreiterung zugestimmt. Franz Hasler findet es heute noch positiv, dass in so kleinem Rahmen solche Entscheidungen ohne weitere Diskussionen gefällt wurden. «Dieses ‹das wird gemacht!› war beeindruckend.» Viele Lehrer haben  sich damals besonders darüber gefreut, dass ein ehemaliger Schüler dieses Schulhaus ausführen durfte.


50 Jahre stand das Gebäude aus rotem Backstein, das zeitlosen Charme ausstrahlte, am Eschnerberg. Vor vier Jahren musste es einem neueren, grösseren Schulgebäude weichen, das «in Stil und Form dem alten sehr ähnlich ist», wie Franz Hasler treffend bemerkt.


Nein, der Abbruch seines ersten öffentlichen Gebäudes habe ihn nicht über die Massen geschmerzt, es fänden sich doch landauf, landab etliche weitere. Ohne zu hadern, habe er sich auch aus dem operativen Geschäft des Architekturbüros zurückziehen können, das er nun in den Händen zweier Söhne gut aufgehoben weiss. Von Ruhestand will Franz Hasler allerdings nichts wissen: «Ich bin immer noch mit Freude von früh bis spät tätig», sagt er und eilt nach einer herzlichen Verabschiedung davon – zum nächsten Termin, dem dritten an diesem Vormittag. Erstaunlich, dass Franz Hasler sein ganzes Leben mit der Architektur verbunden war und heute noch begeistert in seinem Beruf dabei sein kann.

 

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