Nigeria soll Fluchtgeld kriegen
Von Patrick Stahl
Vaduz. – Nach rund zehn Jahren rückt der Abschluss der Fluchtgeldaffäre Abacha in Liechtenstein in Sichtweite. Das Obergericht in Vaduz entschied gestern, dass das Vermögen von sechs liechtensteinischen Gesellschaften, die Mitte der 1990er-Jahre im Auftrag des Diktatorenclans gegründet worden waren, zugunsten des Landes Liechtenstein abgeschöpft wird. «Die kriminelle Herkunft der Gelder ist ausreichend bewiesen», erklärte der vorsitzende Richter Alfons Dür bei der mündlichen Urteilsverkündung. Das Urteil ist somit rechtskräftig.
Beschwerde an Staatsgerichtshof
Nach dem Urteilsspruch des Obergerichts könnte die liechtensteinische Regierung schon bald über die Rückführung des Vermögens nach Nigeria entscheiden. Das Gericht wies die Berufungen sämtlicher betroffenen Gesellschaften gegen das erstinstanzliche Urteil ab und lehnte es auch ab, weitere Zeugen zu befragen.
Ein Anwalt des Abacha-Clans kündigte nach der Urteilsverkündung aber an, Beschwerde gegen das Urteil beim Staatsgerichtshof einzureichen. Das Gericht habe wichtige Zeugen nur zum Teil oder gar nicht befragt. Ausserdem sei die Herkunft der gesperrten Gelder nicht ausreichend geklärt. Der Abacha-Clan wehrt sich seit Jahren mit allen rechtlichen Mitteln gegen die Rückführung der Gelder. Die Diktatorenwitwe Maryam Abacha hatte sich mitten im Instanzenweg in den Prozess eingeschaltet und erbrechtliche Ansprüche an dem Vermögen angemeldet. Das Obergericht wies gestern aber auch die Berufung der Witwe Abacha ab.
Schmiergeld für den Diktator
Der Militärherrscher Abacha hatte das erdölreiche Land während seiner Herrschaft von 1993 bis zu seinem Tod im Jahr 1998 systematisch ausgeplündert. Insgesamt soll der Abacha-Clan über zwei Milliarden Dollar ins Ausland verschoben haben, rund die Hälfte der Gelder landete in der Schweiz sowie in Liechtenstein.
Auf den gesperrten Konten in Vaduz liegt heute noch ein Guthaben von rund 185 Millionen Euro zuzüglich Zinsen. Nach Erkenntnissen des Obergerichts handelt es sich dabei um Schmiergeld, das die deutsche Firma Ferrostaal an Abacha bezahlt hat. Das Unternehmen hatte für den Bau einer Aluminiumhütte in Nigeria einen Viertel der Vertragssumme dem Diktator als angebliche Provision überwiesen.
Hilfe von Bankern und Treuhändern
Aus dem Bauprojekt flossen insgesamt rund 746 Millionen D-Mark nach Liechtenstein. Die Söhne des Diktators konstruierten mit Hilfe von Treuhändern und Bankern ein Netzwerk von Briefkastenfirmen, um die Herkunft der Gelder zu verschleiern. Der Abacha-Clan nutzte gefälschte Reisepässe und laxe Bestimmungen gegen Geldwäsche in Liechtenstein zum Verstecken der Fluchtgelder. Nach dem Tod des Diktators im Jahr 1998 verschob der Clan zwar einen Teil des Vermögens auf Finanzplätze im Ausland. Im Zuge der Ermittlungen gegen den Abacha-Clan im Jahr 2000 wurden allerdings bei der LGT Bank, der VP Bank sowie der Liechtensteinischen Landesbank insgesamt rund 300 Millionen Franken gesperrt. Eine erste Tranche von 65 Millionen US-Dollar konnte mit der Zustimmung der Betroffenen bereits an den Staat Nigeria zurückbezahlt werden. Das restliche Geld könnte bald folgen, sofern der Staatsgerichtshof die Beschwerde des Abacha-Clans abweist.
Die Schweiz hat im Fall Abacha rund 700 Millionen Franken nach Nigeria überwiesen. Andere Finanzplätze agieren viel zurückhaltender. Abgesehen von Liechtenstein liegen noch in London, Paris, Luxemburg und auf den Kanalinseln Gelder des früheren Diktators. Bisher ist erst rund die Hälfte der gefundenen Gelder nach Nigeria zurückgeflossen.
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