Geburtstagsinterview mit dem Landesfürsten (Teil 2)
Das ist schwieriger, weil die Kontrolle bei den Leistungserbringern nicht einfach ist. Um im Einzelfall kontrollieren zu können, ob diese oder jene Behandlung notwendig ist oder nicht, müsste man eine entsprechende Kontrollinstanz einrichten. Diese würde wiederum zusätzliches qualifiziertes Personal und viel Geld kosten. Damit würde eine neue Bürokratie entstehen. Deshalb denke ich, dass man dieses Problem am einfachsten mit einer deutlichen Erhöhung des Selbstbehalts lösen kann.
Aufseiten des Liechtensteinischen Landesspitals gibt es Pläne für einen Neubau, der etwa das Doppelte einer nachhaltigen Sanierung kosten würde. Wie sollte die liechtensteinische Spitalpolitik im Hinblick auf die Möglichkeiten der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit in den nächsten Monaten gestaltet werden?
Angeblich soll sich ein Spital wirtschaftlich nur dann rechnen, wenn es mindestens 200 Betten hat. Mit unserer Bevölkerungsanzahl können wir aber nicht 200 Betten auslasten. In der Frage der Spitalversorgung sollten wir regional sehr eng zusammenarbeiten. In der Nähe der Landesgrenzen stehen genügend Spitäler in ausreichender Grösse zur Verfügung.
Die demografische Entwicklung drängt die AHV/IV/FAK-Anstalten in den nächsten Jahren dazu, Massnahmen zur langfristigen Finanzierbarkeit der Renten zu ergreifen. Welche Lösungsansätze schlagen Sie diesbezüglich vor?
Ich bin schon lange der Meinung, dass wir das Rentenalter hinaufsetzen müssen. Dafür braucht es natürlich eine gewisse Übergangszeit, weil die Menschen in der jetzt wirtschaftlich schwierigen Zeit keinen Job finden. Aber tendenziell sollte man das Rentenalter schrittweise erhöhen. Als Bismarck Ende des 19. Jahrhunderts eine staatliche Rente in Deutschland eingeführt hat, lag die damalige Lebenserwartung ungefähr bei 65 Jahren. In der Zwischenzeit werden die Menschen durchschnittlich rund 80 Jahre alt. Man muss das Rentenalter ja nicht gleich auf 80 Jahre erhöhen, aber ein schrittweises Hinaufsetzen auf 70 Jahre wäre durchaus sinnvoll.
Trotz des Spardrucks dürfte es für den Staat aber auch unerlässlich sein, in zukunftsgerichtete Projekte zu investieren. Wo sind Investitionen besonders wichtig?
Fürst Hans-Adam II. von und zu Liechtenstein: Ich sehe im Moment nicht, wo besonders grosse Investitionen seitens des Staates notwendig wären. Wir haben doch eine sehr gute Infrastruktur. Es geht heute weniger darum, mehr Geld in die Hand zu nehmen sondern vielmehr darum, dass man bestehende Systeme effizienter gestaltet. Ich denke da zum Beispiel an unser ganzes Ausbildungssystem, das viel Geld kostet. Mit einem Gutscheinsystem oder mit Bildungskonten könnte man in diesem Bereich mit weniger Geld mehr erreichen.
Die umfassende Bildungsreform auf der Sekundarstufe I wurde vom Volk verworfen. Trotzdem wird auch von den SPES-Gegnern Reformbedarf erkannt. Wie soll es mit den Reformbemühungen nun weitergehen?
Ich bin nicht ganz unglücklich, dass SPES verworfen wurde. Wir sollten uns in Richtung Bildungskonten bewegen und die Ausbildungsinstitute weitestgehend privatisieren oder den Gemeinden überlassen. Ich halte es für wenig sinnvoll, dass der Staat die Bildungseinrichtungen selbst betreibt. Er soll die Rahmenbedingungen setzen und die Aufsicht über die Institute ausüben, an denen solche Gutscheine oder Bildungsguthaben eingelöst werden können.
Und der Effekt dieser Bildungskonten?
Im Endeffekt führen Bildungskonten zu mehr Konkurrenz. Das bedeutet, dass sich die einzelnen Bildungseinrichtungen stärker auf die Bedürfnisse der Bevölkerung ausrichten müssen. In der Folge werden jene Schulen am erfolgreichsten sein, welche diese Bedürfnisse am stärksten erfüllen. Damit verabschieden wir uns von der bisherigen Planwirtschaft, welche meistens nur dazu führt, dass an den Bedürfnissen vorbei geplant wird, und die Eltern ihre Kinder an Privatschulen im In- oder Ausland unterbringen.
Wird es im Bildungskonten-System auch ein Untergymnasium geben?
Ich bin sicher, dass es auch ein Untergymnasium geben wird, weil ein gewisses Bedürfnis dafür einfach vorhanden ist. SPES I hätte nur dazu geführt, dass noch mehr Kinder ins Ausland abwandern.
Was kann der Staat für die Stärkung der Standortattraktivität des Wirtschaftsplatzes Liechtenstein unternehmen?
Wir müssen uns immer überlegen, wo der Staat überhaupt noch tätig sein soll. Je mehr Aufgaben er übernimmt, desto schwerfälliger wird so ein Staatswesen, und desto mehr Bürokratie wird es geben. Erfahrungsgemäss ist es recht schwierig, eine Funktion, die der Staat einmal übernommen hat, wieder zurückzunehmen. Gerade die aktuelle Krisensituation bildet doch einen guten Anlass, einmal genau zu analysieren, welche Aufgaben der Staat wirklich wahrnehmen soll und wo dringender Reformbedarf gegeben ist.
Die Koalitionsregierung unter der Führung von Regierungschef Klaus Tschütscher ist nun seit bald einem Jahr im Amt. Wie sieht Ihre Bilanz über die bisherige Regierungsarbeit aus?
Meine diesbezügliche Bilanz sieht recht positiv aus. Die Regierung hat eine Reihe von wichtigen Reformen umgesetzt oder in die Wege geleitet. Wir sind trotz der schwierigen Zeiten, in denen wir uns befinden, auf einem guten Weg.
Wie beurteilen Sie die Zusammenarbeit zwischen den Koalitionspartnern, einerseits in Regierung und andererseits im Landtag?
Fürst Hans-Adam II. von und zu Liechtenstein: Diese Zusammenarbeit entspricht der liechtensteinischen Tradition. Das bedeutet, dass man in der Sache relativ gut zusammenarbeitet, aber nach aussen die Unterschiede betont.
In jüngster Zeit sind Stimmen laut geworden, dass in Sachen Trennung von Staat und Kirche schneller vorwärts gemacht werden soll. Wie dringend sehen Sie die Reform des Staatskirchenrechts?
Das war der einzige wichtige Punkt, den der Erbprinz und ich bei der Verfassungsreform leider nicht verwirklichen konnten. Für eine klare Trennung von Kirche und Staat waren die Widerstände einfach zu gross, sowohl seitens der Politik als auch seitens der Kirche. Ich bin davon überzeugt, dass eine klare Trennung nach wie vor die sinnvollste Lösung wäre und hoffe, dass die aktuelle Diskussion den Umdenkprozess in der Politik zu beschleunigen vermag. Ich habe den Eindruck, dass man auf kirchlicher Seite einer solchen Trennung heute offener gegenübersteht als früher.
Wie stehen Sie zum immer wieder in die Diskussion eingebrachten Vorschlag einer Konkordatslösung?
Zuerst müssen wir uns im Klaren sein, wohin die Reise gehen soll. Jetzt ein Konkordat abzuschliessen, ist meiner Ansicht nach sinnlos. Wir müssen zuerst die Verfassung ändern und ein Religionsgesetz schaffen, um für die Religionsgemeinschaften – zum Beispiel mit der «italienischen Lösung» – eine gewisse finanzielle Unterstützung sicherstellen zu können. Noch lieber wäre mir die «amerikanische Lösung», bei welcher der Steuerzahler seine Spenden von den Steuern abziehen kann. In meinen Augen braucht es danach auch kein Konkordat mehr.
Zur Erhaltung des gesellschaftspolitischen Friedens gehört auch, dass die in Liechtenstein lebenden Muslime ihren Glauben frei ausüben dürfen. Können Sie sich vor dem Hintergrund des schweizerischen Abstimmungsergebnisses die Bewilligung eines Minaretts in Liechtenstein vorstellen?
Ich würde schon sehr hoffen, dass man so ein Minarett bewilligt, falls der Wunsch dafür vorhanden wäre. Wir erwarten ja auch, dass in den Staaten, wo der Islam die vorherrschende Religionsgemeinschaft ist, Kirchtürme zugelassen werden. Allerdings ist man nicht in allen islamischen Ländern so tolerant. Ich denke da an Saudi-Arabien und gewisse andere islamische Staaten. Trotzdem glaube ich, dass es die falsche Politik wäre zu sagen: Weil sie in bestimmten islamischen Staaten keine Kirchtürme zulassen, lassen wir bei uns auch keine Minarette zu.
Wir sollten Toleranz zeigen und mit gutem Beispiel vorangehen. Wie interpretieren Sie das schweizerische Minarettverbot?
Das Minarettverbot erhöht die Spannungen zwischen den Religionen und erschwert den Christen die Religionsausübung in den islamischen Staaten. Letzten Endes schaden wir nur unseren eigenen Glaubensbrüdern und
-schwestern in den islamischen Staaten.
Wie beurteilen Sie die Toleranz der einheimischen Bevölkerung, wenn es um die Errichtung von einem muslimischen Friedhof in Liechtenstein geht?
Da habe ich natürlich die gleiche Einstellung wie bei den Minaretten. Wir möchten ja auch, dass unsere Glaubensbrüder und -schwestern in den islamischen Staaten ihren Friedhof haben können und nicht im Ausland begraben werden müssen, wie das teilweise der Fall ist. Die Verstorbenen ins Ausland schaffen zu müssen, um sie dort beerdigen zu können, halte ich in der heutigen modernen Welt für ein Unding. Das wäre also tiefstes Mittelalter! Ich hoffe nicht, dass wir in eine solche Zeit zurückfallen.
Durchlaucht, wie geht es Ihnen nach
einem Jahr in «Pension»?
Ich habe nicht die Absicht, demnächst in Pension zu gehen. Ich kümmere mich jetzt wieder vermehrt um die Vermögensverwaltung des Fürstenhauses und werde das – soweit ich das gesundheitlich machen kann – auch weiterhin tun.
Ihr Buch «Der Staat im dritten Jahrtausend» wird Ende Februar nun auch in Deutsch erscheinen. Welche Resonanz erhoffen Sie sich im deutschsprachigen Raum?
Ich hoffe, dass mein Buch auch im deutschsprachigen Raum auf eine gewisse Resonanz stossen wird. Die englischsprachige erste Auflage ist faktisch schon ausverkauft. Es wird gleichzeitig mit der deutschen Ausgabe ein zweiter Druck für die englische Ausgabe auf den Markt kommen. Ausserdem wächst das Interesse, das Buch in weitere Sprachen zu übersetzen. So wird es derzeit ins Italienische übersetzt. Es wird zudem ins Polnische und Arabische übersetzt werden. Weitere Sprachen sollen folgen.
Aus Anlass Ihres 65. Geburtstages zeigt das Liechtenstein Museum in Wien in einer Sonderausstellung «Der Fürst als Sammler» 140 Meisterwerke aus den Fürstlichen Sammlungen mit dem Fokus auf Neuerwerbungen. Weshalb kaufen Sie immer neue Stücke hinzu?
Fürst Hans-Adam II. von und zu Liechtenstein: Ich sehe die Neuerwerbungen auch als Bestandteil des weiten Bereichs der Vermögensverwaltung. Ich glaube, dass die wieder aufgenommene Sammlertätigkeit in den letzten drei Jahrzehnten eine sehr gute Investition darstellt. Wenn man sich die Preise ansieht, die wir in den letzten Jahrzehnten für diese Kunstwerke bezahlt haben, und was die heutigen Schätzwerte sind, so hat hier ein erheblicher Vermögenszuwachs stattgefunden.
Das Liechtenstein Museum in Wien ist derzeit von Freitag bis Dienstag, 10 bis 17 Uhr, geöffnet. Wie läuft der Betrieb in wirtschaftlicher Hinsicht?
Der Betrieb ist im Moment auf diese Öffnungszeiten beschränkt. Die unbefriedigenden Besucherzahlen im jetzigen Museum in der Fürstengasse 1 sind ja auch ein Problem des Standorts. Wenn wir das Palais in der Bankgasse renoviert haben, werden wir zusätzliche Ausstellungsräume dazu gewinnen. Dann werden wir sehen, ob wir mit der Ausstellung in der Bankgasse mehr Besucher anziehen können.
Wie weit sind die Renovationsarbeiten am Palais Liechtenstein in der Bankgasse denn bereits gediehen?
Gegenüber den ursprünglichen Plänen mussten wir die Eröffnung um fast ein Jahr verschieben. Auch werden sich die Kosten um rund 10 Prozent erhöhen. Diese Anpassungen müssen wir aufgrund von geologischen Problemen, die man trotz umfangreicher Untersuchungen vorher nicht erkennen konnte, und aufgrund von damit verbundenen Schäden in Kauf nehmen. Heute bin ich aber zuversichtlich, dass wir sowohl im Zeitrahmen als auch im Kostenrahmen bleiben werden. So können wir die Ausstellungsräume voraussichtlich im Jahr 2012 eröffnen. Zudem wird dann auch die LGT die Büroräume im Palais Liechtenstein in der Bankgasse beziehen können. Was die privaten Räume für die Fürstenfamilie betrifft, so können wir bereits im Jahr 2011 einziehen, da hier nicht so umfangreiche Arbeiten geleistet werden mussten. Auch das Depot, das dort entsteht, wird schon vorher bezugsbereit sein.
Darf man wissen, in welchem Kostenrahmen sich das Ganze bewegt?
In der ursprünglichen Budgetierung sind wir von ungefähr 80 Mio. Euro ausgegangen. Jetzt liegen wir bei knapp 90 Mio. Euro.
Diese Millionen stellen aber sicher eine gute Investition dar!
Es ist uns eigentlich nicht sehr viel anderes übrig geblieben. Die andere Alternative wäre gewesen, das ganze Palais zu verkaufen. Wir mussten dringend etwas unternehmen. Die Restaurierung, die ich in den 70er-Jahren veranlasst habe, war ein Provisorium. Es war klar, dass man früher oder später eine wesentlich umfassendere Restaurierung durchführen muss, um die Bausubstanz zu retten.
Durchlaucht, Sie können an Ihrem 65. Geburtstag auf eine erfolgreiche Tätigkeit als Banker, Chef des Hauses Liechtenstein und Staatsoberhaupt zurückblicken. Was kann Sie in den nächsten Jahren noch herausfordern?
Ich konzentriere mich heute wieder auf die Vermögensverwaltung. Auf der einen Seite möchte ich RiceTec zu einem weltweit führenden Reissaat-Unternehmen ausbauen, das in allen wichtigen Reisanbaugebieten präsent ist. Weiter möchte ich die Lieco GmbH & Co KG in Kalwang zu einem internationalen Forstpflanzenunternehmen ausbauen, das eines Tages global operieren wird. Dann interessieren mich weiterhin Fragen der Physik. Da unterstütze ich gewisse Forschungsprojekte. Wir stehen ja immer noch vor der Problematik, dass sich die Einstein’sche Physik und die Quantenphysik in gewissen Bereichen widersprechen. Also steht sicher irgendwann einmal ein neues physikalisches Modell im Raum, welches die Phänomene, die wir in diesen beiden physikalischen Welten haben, in einer umfassenden Theorie vereinen kann.
Wie beurteilen Sie die Zukunftsperspektiven für Liechtenstein und seine Bevölkerung in den kommenden fünf Jahren?
Unsere Wirtschaft ist sehr diversifiziert und konkurrenzfähig. Wir sind eben nicht – wie es dem Klischee im Ausland entspricht – ein Staat, der im Wesentlichen vom Finanzdienstleistungssektor und vom Tourismus abhängt. Liechtenstein ist pro Kopf gesehen der höchst industrialisierte Staat in Europa. Ich bin auch zuversichtlich, dass wir mit gewissen strukturellen Veränderungen im Finanzdienstleistungssektor erfolgreich sein werden. Es gibt Bereiche im Finanzdienstleistungssektor, die weiter wachsen, z. B. der Versicherungsbereich. Wie erwähnt, waren wir auch einer der ganz wenigen Staaten, der keine Banken mit Steuergeldern retten musste – obwohl wir mit 15 Banken oft als «overbanked» gelten. Auch der Staat steht im Unterschied zu anderen Staaten, die schon vor der Krise überschuldet waren, finanziell sehr gut da.
Was wünschen Sie sich von der Politik und der Bevölkerung zu Ihrem 65. Geburtstag?
Ich bin an und für sich wunschlos glücklich. Der Erbprinz macht seine Aufgabe sehr gut. Wir müssen einfach auf dem Weg voranschreiten, den wir in den letzten Jahrzehnten recht erfolgreich beschritten haben. Die Zusammenarbeit zwischen Volk und Fürstenhaus war in den vergangenen drei Jahrhunderten im Grossen und Ganzen erfolgreich, und ich bin sehr zuversichtlich, dass wir für die Zukunft auf dem richtigen Weg sind.
Durchlaucht, herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag!
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S.D. Fürst Hans Adam II.