«Kluge Reformen für ein farbenfrohes Liechtenstein
Mit Erbprinz Alois von und zu Liechtenstein sprach Günther Fritz
Durchlaucht, vor sieben Jahren haben Sie von Ihrem Vater die Aufgaben des Staatsoberhauptes übernommen. Dabei sind Sie in sehr stürmische Zeiten geraten. In welchen Farben können Sie Ihre bisherigen Erfahrungen als Stellvertreter des Staatsoberhauptes schildern?
Erbprinz Alois von und zu Liechtenstein: Die Rolle des Staatsoberhauptes hat sehr viele farbenreiche Facetten, die von der Aussenpolitik über die Wirtschaftspolitik und Gesellschaftspolitik bis zu kulturellen Fragen reichen. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass einem als Staatsoberhaupt nie langweilig wird.
Im Zuge der mit der Zumwinkel-Affäre ausgebrochenen Krise musste auf dem Finanzplatz vieles umgebaut oder neu errichtet werden. Wie beurteilen Sie die aktuellen Rahmenbedingungen für die liechtensteinischen Finanzintermediäre?
Die aktuellen Rahmenbedingungen sind im Vergleich zu früher sicherlich schwieriger geworden. Allerdings muss man auch sehen, dass wir zumindest in den letzten 30 bis 40 Jahren extrem günstige Bedingungen für den Finanzplatz hatten. Es wäre unrealistisch, zu erwarten, dass alles so bleiben kann. Ebenso wäre es unrealistisch, zu glauben, dass die Rahmenbedingungen in Zukunft ähnlich günstig sein werden.
Inzwischen sind 24 OECD-konforme Steuerabkommen unter Dach und Fach. Ausländische Anleger haben im vergangenen Jahr aus Angst vor dem Fiskus knapp 10'000 Stiftungen, Trusts und Anstalten aufgelöst. Inwieweit kann der Kundenexodus am Finanzplatz noch aufgehalten werden?
Nach meinen Informationen hat der grosse Teil der Stiftungslöschungen und des Abflusses von Kundenvermögen in den Bereichen stattgefunden, wo die Hauptkundenbeziehung nicht bei den Finanzintermediären in Liechtenstein, sondern im Ausland, vor allem in der Schweiz, gelegen hat. Als Liechtenstein unter Druck gekommen ist und die Reputation des Finanzplatzes Liechtenstein gelitten hat, haben sehr viele dieser ausländischen Finanzintermediäre ihren Kunden empfohlen, die Gelder aus Liechtenstein abzuziehen oder die Stiftungen und Trusts zu löschen. Jene Kunden mit einer starken Beziehung zum Kundenberater in Liechtenstein sind hingegen meist geblieben, auch nach einer Selbstdeklaration.
Die Profiteure von Liechtensteins Weissgeldstrategie sind Steueroasen in Übersee und Fernost, die von den Wirtschaftsmächten USA, Grossbritannien und China geschützt werden. Viele Treuhänder werfen der Regierung vor, sich in einem zu schnellen Tempo dem internationalen Druck gebeugt und zu wenig hart verhandelt zu haben. Was sagen Sie dazu?
Man wird kaum je ein Verhandlungsresultat haben, mit dem alle zufrieden sind. Wir müssen auch berücksichtigen, was wir realistisch erreichen können. Die Kommunikation zu Verhandlungen zwischen Regierung bzw. Verwaltung und Finanzverbänden sollte aber noch optimiert werden, auch wenn in jüngster Zeit gewisse Verbesserungen erreicht wurden.
Was sollte Ihrer Meinung nach die Regierung in der künftigen Abkommenspolitik besonders beherzigen?
Die Abkommenspolitik sollte sicherstellen, dass wir möglichst bald stabile Verhältnisse haben, was die grenzüberschreitenden Dienstleistungen betrifft. Unsere Kunden und Finanzintermediäre brauchen wieder Planungssicherheit. Vor allem sollten möglichst schnell Lösungen für unversteuerte Altbestände in Liechtenstein gefunden werden, damit man diesen Kunden einen Weg zur Steuerkonformität anbieten kann.
Künftig sollen schwere Steuerdelikte sogar in den Vortatenkatalog zur Geldwäscherei aufgenommen werden. Wie sehen Sie die Chancen für den Finanzplatz Liechtenstein, pragmatische Lösungen zur Ausgestaltung der neuen Sorgfaltspflichten zu finden?
Zuerst müssen wir einmal ausloten, wie viel Spielraum wir dabei haben. Ist ein gewisser Spielraum vorhanden, sollte man meiner Ansicht nach aufpassen, dass man nicht pragmatische Lösungen im Sinne von kurzfristigen Schlaumeiereien wählt, sondern kostengünstige Lösungen, die langfristige Rechts- und damit Planungssicherheit bringen.
Die liechtensteinische Treuhandbranche sucht dringend neue Geschäftsmodelle. Wie kann die Politik die Treuhänder am besten dabei unterstützen?
Die Politik kann die Treuhänder meines Erachtens am besten dahingehend unterstützen, indem sie den Treuhändern Gesprächsmöglichkeiten anbietet. Die Treuhänder sollen ihre Überlegungen bezüglich neuer Geschäftsmodelle mit der Regierung und der Verwaltung diskutieren können, auch um zu sehen, wo man welche Rahmenbedingungen für diese neuen Geschäftsmodelle anpassen kann und wo nicht. Das ist die eine Seite. Die andere ist, dass die Regierung und die Verwaltung versuchen, ihrerseits sehr frühzeitig mit den Finanzintermediären ins Gespräch zu kommen, wenn sich neue Trends abzeichnen. So sollen die Treuhänder aus erster Hand informiert werden, welche Szenarien auf sie zukommen. Das gibt den Treuhändern wiederum die Möglichkeit, zukunftsfähige Geschäftsmodelle zu entwickeln und die Politik rechtzeitig auf Folgewirkungen und mögliche Alternativen hinweisen zu können. Ich finde es wichtig, dass diese gegenseitige Information auch verstärkt institutionalisiert wird.
Aufgrund der hohen Staatsverschuldungen wird der internationale Druck zur Harmonisierung des Steuerrechts voraussichtlich weiter zunehmen. Wo sehen Sie in den nächsten zehn Jahren das grösste strategische Risiko?
Das grösste Risiko sehe ich in der Harmonisierung der Steuerbemessungsgrundlagen in Europa, die unter dem Motto einer Erleichterung für grössere Unternehmen, die in mehreren europäischen Staaten tätig sind, durchgeführt wird. Das ist meiner Ansicht nach insofern ein gefährlicher Trend, dass dann sehr schnell auch die Tarife harmonisiert werden. Das läuft auf ein vollständiges Steuerkartell hinaus, was genauso schädlich ist wie Kartelle auf Unternehmensseite. Was in diesem Fall verloren ginge, ist der fruchtbare Wettbewerb um die besten Steuersysteme. Damit meine ich nicht nur den Wettbewerb um die Steuertarife, sondern auch den Wettbewerb um die besten Systeme bezüglich Steuerbemessungsgrundlagen.
Welche neuen Farben braucht der Finanzplatz Liechtenstein, um die Zukunft wieder in einem hoffungsvolleren Licht zu sehen?
Der Finanzplatz Liechtenstein hat neben der steuerlichen Farbe, für die er früher bekannt war, viele andere Farben. Der Finanzplatz ist politisch und wirtschaftlich sehr stabil, was gerade in einer Zeit der Instabilitäten in Europa für Anleger interessant sein kann. Liechtenstein bietet Finanzdienstleistungen und Finanzprodukte von hoher Qualität an. Von Liechtenstein aus kann gleichzeitig der EU- bzw. EWR-Raum und der Schweizer Raum bedient werden. Wir haben auch viele interessante Möglichkeiten im Fonds- und Versicherungsbereich. Wir haben die Chance, die finanzplatzrelevanten EU-Regelungen jeweils frühzeitig ins liechtensteinische Recht zu übernehmen und an unsere spezifischen Bedürfnisse anzupassen. Insgesamt müssen wir uns aber sicher mehr anstrengen als in der Vergangenheit, in der es uns die Passepartout-Farbe «Steuern» recht einfach gemacht hat.
Wie kann die Politik die Attraktivität und Wettbewerbsfähigkeit des gesamten Wirtschaftsstandorts Liechtenstein für die kommenden Jahre verbessern?
Wir müssen dem Wirtschaftsstandort attraktive Rahmenbedingungen bieten. Wichtig ist vor allem auch, dass die Unternehmen über hoch qualifizierte Arbeitskräfte verfügen können, sei es, dass man diese in Liechtenstein entsprechend ausbildet, sei es, dass man eine geeignete Zuwanderungspolitik betreibt.
Was eine gute Ausbildung betrifft, so hat der Landtag Ende Juni die Revision des Schulgesetzes in erster Lesung behandelt. Aufgrund der Kritik im Vernehmlassungsprozess hat die Regierung auf die Einführung der «Neuen Realschule» verzichtet. Jetzt geht es noch um die gesetzliche Verankerung der Sportschule und Themen wie Schulleitung und Autonomie oder Bildungscontrolling. Wird aus Ihrer Sicht dem Reformbedarf in der Bildungspolitik damit ausreichend entsprochen?
Wenn wir unser Bildungssystem für die künftigen Anforderungen an die Ausbildung unserer Jugend und unserer Gesellschaft fit machen wollen, dann werden wir weitergehende Reformen umsetzen müssen als die jetzt im Landtag diskutierte Revision des Schulgesetzes. Aus meiner Sicht ist die vorliegende Gesetzesänderung im Grossen und Ganzen jedoch eine Reform, die, wenn auch nur einen kleinen Schritt, aber doch einen Schritt in die richtige Richtung geht.
Kann die Regierung mit den zusätzlichen 15 Prozent an Aufenthaltsbewilligungen dem Bedarf der Wirtschaft nach qualifizierten Arbeitskräften tatsächlich gerecht werden?
Die Erwartungen der Wirtschaft werden immer grösser sein als das, was politisch machbar ist. Mit dieser beschlossenen Erhöhung an Aufenthaltsbewilligungen kann bis zu einem gewissen Grad dem dringendsten Bedarf sicherlich entsprochen werden. Die Wirtschaft könnte momentan auch weitere Aufenthaltsbewilligungen gut brauchen, dafür müssen aber wohl zuerst die Voraussetzungen geschaffen werden.
Die Freie Liste hat mit einer Interpellation erneut das Stimm- und Wahlrecht auf Gemeindeebene für niedergelassene Ausländerinnen und Ausländer in die öffentliche Diskussion eingebracht. Wie stellen Sie sich zu dieser Forderung?
Nachdem in Liechtenstein viele Ausländerinnen und Ausländer in zweiter und dritter Generation leben und als Fast-Liechtensteiner aufgewachsen sind, kann ich diese Forderungen bis zu einem gewissen Grad nachvollziehen. Allerdings frage ich mich, ob es nicht besser ist, wenn wir das Einbürgerungsrecht etwas grosszügiger gestalten. So könnte zum Beispiel die doppelte Staatsbürgerschaft eingeführt werden, wodurch viele Alteingesessenen auch das Stimmrecht erhielten.
Wie beurteilen Sie die politische Realisierbarkeit des Stimm- und Wahlrechts von Auslandsliechtensteinern auf Gemeinde- oder Landesebene?
Soweit ich es beurteilen kann, wurde dieser Vorschlag bei den Grossparteien eher kritisch aufgenommen. Daher kann ich mir keine schnelle Realisierung vorstellen.
Um nicht auf Kosten künftiger Generationen mehr Geld auszugeben als einzunehmen, will die Regierung das strukturelle Defizit bis 2015 beheben und das inzwischen angepasste Sparziel von 135 Mio. Franken erreichen. Fast die Hälfte der notwendigen Einsparungen konnte von der Grossen Koalition bereits umgesetzt werden. Inwieweit soll am Sparkurs überhaupt festgehalten werden?
Auch wenn die jüngsten Zahlen wieder positiver sind, müssen wir berücksichtigen, dass dazu viele Einmaleffekte beigetragen haben. Ausserdem stehen wir in den nächsten vier Jahren vor erheblichen Unsicherheiten. Zum einen werden im finanzregulatorischen Bereich zusätzliche Aufgaben auf uns zukommen. Das kann die Kosten für die FMA oder andere staatlichen Einheiten in die Höhe treiben, während die Beiträge vonseiten der Finanzinstitute geringer ausfallen werden. Zum anderen kann sich der hohe Schweizerfranken mittelfristig sehr negativ auf die Gewinne der Industrieunternehmen wie auch der Finanzintermediäre auswirken. Dies kann zu erheblichen Ausfällen bei den Staatseinnahmen führen. Deshalb ist es sehr wichtig, dass wir den eingeschlagenen Sparkurs konsequent weiterverfolgen.
Die Bevölkerung wird die Sparmassnahmen deutlich zu spüren bekommen. So hat der Landtag Ende Juni die Entkoppelung des Staatsbeitrags von der Ausgabenentwicklung der AHV in erster Lesung behandelt. Zur finanziellen Sicherung der AHV sind verschiedene Massnahmen vorgesehen. So sollen beispielsweise die Kürzungssätze beim Rentenvorbezug erhöht werden. Eine Erhöhung des Rentenalters, die Streichung oder Kürzung der 13. AHV-Rente oder eine Erhöhung der Beiträge sind noch kein Thema. Wie sehen Sie die langfristige Sicherung des AHV-Fonds?
Wenn man den AHV-Fonds langfristig absichern möchte, wird man um diese Themen nicht herumkommen. Wenn man nicht auf Kosten der nächsten Generation leben möchte, muss man entweder die Beiträge für die Altersvorsorge erhöhen, das Pensionsalter in die Höhe schrauben oder die Leistungen kürzen. Das ist eine relativ einfache Gleichung, da muss man nicht Mathematiker sein, um diese zu verstehen.
Für die Zukunft sollten wir uns aber nicht nur über die langfristige Sicherung des AHV-Fonds Gedanken machen, sondern auch darüber nachdenken, wie wir am effizientesten vorsorgen können. Wie weit und auf welche Art soll zwangsweise vorgesorgt werden, wo soll die freiwillige Vorsorge beginnen und soll diese staatlich subventioniert werden oder nicht? Das sind alles Fragen, die wir in den nächsten Jahren grundsätzlich klären müssen.
Massiv stärker zur Kasse gebeten werden gemäss Vernehmlassungsentwurf zur KVG-Revision jene Versicherten, die ärztliche oder andere therapeutische Leistungen in Anspruch nehmen. So soll die Kostenbeteilung von bisher maximal 800 Franken auf neu 2000 Franken pro Jahr angehoben werden. Was sagen Sie zu dieser Lösung, durch die der Staatsbeitrag deutlich gesenkt werden kann?
Grundsätzlich halte ich diese Lösung für sinnvoll, weil sie in Richtung mehr Eigenverantwortung der Patienten geht. Das ist der Schritt, der am meisten bringt, um diese Fehlanreize im Gesundheitssystem zu beseitigen. Mit dem heutigen Staatsbeitrag an die Krankenversicherung werden ausserdem die Prämienzahler nach dem Giesskannenprinzip subventioniert. Indem man den Staatsbeitrag reduziert und die Personen mit niedrigen Einkommen gleichzeitig direkt unterstützt, kann man die Subventionierung gezielter ausrichten. Das sind richtige Schritte. Da unsere Krankkassenprämien auch in Zukunft noch billiger als in der Schweiz sein werden und gleichzeitig bei den Einkommensschwachen die direkten Prämienunterstützungen erhöht werden, ist dieser Vorschlag auch sozial vertretbar. Um unser Gesundheitssystem langfristig nachhaltig auszurichten, werden aber wahrscheinlich zusätzliche Schritte in Richtung einer noch stärkeren Eigenverantwortung und einer noch besseren Beseitigung von Fehlanreizen notwendig sein.
Der Landtag hat in seiner Juni-Sitzung den Verpflichtungskredit von 83 Mio. Franken für den geplanten Neubau des Liechtensteinischen Landesspitals knapp mit 14 Stimmen genehmigt. Obwohl der Antrag, die Kreditvorlage von sich aus dem Volk zur Abstimmung zu unterbreiten, gescheitert ist, kommt die Frage des Spitalneubaus nun per Referendum vors Volk. Was sagen Sie zum geplanten Spitalneubau?
Ich kann die Kritik am Vorgehen bei der Spitalplanung nachvollziehen. Mein Eindruck ist, dass man bei der Neubauplanung zu sehr vom bestehenden Angebot ausgegangen ist und zu wenig grundsätzlich geprüft hat, welche der Leistungen das Spital in Zukunft überhaupt anbieten soll.
Abgeordnete, die den Kredit zum heutigen Zeitpunkt ablehnen, drängen darauf, dass zuerst über eine vertiefte Spitalkooperation in der Grundversorgung verhandelt und dann erst gebaut wird. Was sagen Sie dazu?
Es wäre sicherlich gut, noch vor einem Neubau zu wissen, wie durch eine vertiefte Spitalkooperation das Leistungsangebot besser verteilt werden kann und welche Leistungen dann noch sinnvollerweise durch das Landesspital erbracht werden.
Gerade am Beispiel Landesspital wurde die FBP-Initiative zur Abänderung des Corporate-Governance-Gesetzes aufgehängt, wonach künftig die Eignerstrategie vom Landtag genehmigt werden soll. Wo sehen Sie die Eignerkompetenz besser angesiedelt, beim Landtag oder der Regierung?
Aus Sicht eines Unternehmens wünscht man sich vom Eigentümer, dass die Beziehung zu ihm stabil und verlässlich ist und dass der Eigentümer rasch entscheiden kann. Wenn man auf den Aspekt der raschen Entscheidung Wert legt, dann hat die Ansiedlung der Eignerstrategie bei der Regierung gewisse Vorteile. Wenn man sich für eine Ansiedlung beim Landtag ausspricht, müsste man auf jeden Fall für Entscheidungsfindungsprozesse im Landtag sorgen, welche diese Aspekte ausreichend berücksichtigen.
Ins Zentrum der öffentlichen Diskussion rücken derzeit auch heikle gesellschaftspolitische Themen. Die von der Arbeitsgruppe Schwangerschaftskonflikte lancierte und mit 1580 Unterschriften gültig zustande gekommene Initiative «Hilfe statt Strafe» hat der Landtag mit grosser Mehrheit abgelehnt. Wie beurteilen Sie das Anliegen der Initiantinnen?
Das von den Initianten genannte oberste Ziel, das ungeborene Leben zu schützen und Schwangerschaftsabbrüche zu vermeiden, teile ich. Den Weg um dieses Ziel zu erreichen, halte ich aber für falsch. Mit dem Initiativvorschlag erreichen die Initianten meiner Ansicht nach nur, dass die Abtreibung innerhalb der ersten zwölf Wochen in der Gesellschaft über die Zeit als Normalität angesehen wird. Eine echte Hilfe für Frauen in Schwangerschaftskonflikten bietet er hingegen nicht. Daher begrüsse ich, dass der Landtag den Initiativvorschlag abgelehnt hat. Wir können ungeborenes Leben besser schützen und Frauen in Schwangerschaftskonflikten besser helfen als heute. Dazu brauchen wir aber andere Ansätze.
Aufgrund des klaren Neins des Landtags kommt die Fristenregelung automatisch vors Volk. Falls das Volk dieses Modell einer Fristenlösung annähme, würden Sie dann die entsprechende Gesetzesänderung sanktionieren?
Ich bin zuversichtlich, dass nach dem Landtag auch das Volk die Fristenlösung ablehnen wird.
Zuerst das Partnerschaftsgesetz, dann die Fristenregelung und jetzt noch eine Neuregelung des Verhältnisses zwischen Staat und Glaubensgemeinschaften. Das Erzbistum Vaduz hat die Nase gestrichen voll. Die Verbindung von heiliger Messe und Staatsakt am Staatsfeiertag sei ein «falsches beziehungsweise unehrliches Zeichen gegenüber der Öffentlichkeit». Deshalb sagte Erzbischof Wolfgang Haas die Feldmesse ab. Wie kam diese unmissverständliche Botschaft bei Ihnen an?
Ich kann grundsätzlich verstehen, dass Erzbischof Wolfgang Haas die Messe nicht direkt mit dem Staatsakt verknüpft haben will. Dies hatte er übrigens bald nach der Errichtung des Erzbistums schon einmal thematisiert. Ich fand aber die Art und Weise bzw. das Timing der Kommunikation unglücklich. Ich fürchte, es wurden dadurch bei vielen vor allem Unverständnis und ablehnende Emotionen ausgelöst, was das Gesprächsklima nicht verbessert.
Generalvikar Markus Walser sieht den von der Regierung vorgeschlagenen Weg zur Trennung von Staat und Kirche als «Abstrafung des Erzbistums». Das Erzbistum bevorzugt eine Konkordatslösung und drängt auf eine Regelung der offenen Vermögensfragen in den einzelnen Gemeinden in einem Schritt. Was sagen Sie zur Sicht der katholischen Kirche des Landes?
Meiner Ansicht nach sieht der Generalvikar das falsch. Das ist nicht als «Abstrafung» zu sehen. Im Gegenteil. Ich denke, dass der jetzige Vernehmlassungsentwurf dem Anliegen der katholischen Kirche, anstehende Fragen über ein Konkordat oder einen Vertrag zwischen dem Staat Liechtenstein und dem Erzbistum Vaduz zu regeln, entgegenkommt. Unrealistisch ist es, zu glauben, dass sämtliche vermögensrechtlichen Fragen auf einmal geregelt werden können. Mit dem jetzigen Vorschlag wird nur ein Minimum geregelt. Diese Regelung gilt aber für alle Religionsgemeinschaften. Viele Fragestellungen, die eigentlich nur die katholische Kirche betreffen, können dann später separat geregelt werden, sei dies über ein Konkordat oder auf einem anderen Weg.
Inwieweit wird sich die fehlende Feldmesse auf den Sinngehalt der Feierlichkeiten zum Staatsfeiertag auswirken?
Am Sinngehalt der Feierlichkeiten zum Staatsfeiertag ändert die Feldmesse grundsätzlich nichts. Diejenigen, die am 15. August für das Land oder einen gelungenen Staatsfeiertag beten wollen, können ja genauso gut in der Kathedrale Vaduz oder in den jeweiligen Gemeinden beten.
Was wünschen Sie sich im Sinne des Titelthemas dieses Magazins «Wir geben Liechtenstein Farbe» zum diesjährigen Staatsfeiertag? In welchen Bereichen sollen die Politik und die Bevölkerung besonders engagiert den «Farbpinsel» in die Hand nehmen und einen entscheidenden Beitrag zu einem farbenfrohen und hoffungsvollen Gesamtbild leisten?
Ich wünsche mir, dass wir durch kluge Reformen in verschiedensten Bereichen der Politik, von der Wirtschafts- über die Bildungs- zur Sozial- und Gesellschaftspolitik, attraktive eigene Lösungen zu den Herausforderungen unserer Zeit finden, die unser Land farbenfroh und hoffnungsvoll machen.
Durchlaucht, herzlichen Dank für das Gespräch.
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