Ein Visionär ? aber kein Träumer
Von Niki Eder
Die Tür zur grossen Garage öffnet sich und was sich dem Besucher auftut, scheint ein grosses Spielparadies. Laute Musik, ein ausgesessenes Sofa, ein Tisch – belagert mit Papieren und ein paar Gläsern –, ein PingPong-Tisch und dazwischen Golden Retriever Akim, der wedelnd einen Ball durch die Gegend trägt. Doch der Schein trügt. Hier wird gearbeitet – und zwar mehr als in so manchem peinlich aufgeräumten Büro. Oft sogar rund um die Uhr. Es ist das Reich von Christof Brock-hoff, Präsident des Clubs Benefactum, und seinen Vereinskameraden. Gemeinsam machen sie sich für die Zukunft der jungen Menschen stark. «Entschuldige die Sauerei», sind seine ersten Worte. Er räumt gerade die Überreste eines kreativen Meetings beiseite. «Bei unseren Treffen gehört es dazu, dass getrunken, gegessen und gelacht wird. Die jungen Menschen sollen sich bei uns wohl fühlen. Anders könnten wir sie gar nicht erreichen. Sie brauchen diese lockere Atmosphäre, den Spass, um kreativ zu sein.» Instinktiv scheint Christof Brockhoff zu wissen, was junge Menschen suchen und brauchen. Dabei ist er alles andere als ein träumerischer 26-Jähriger, der grosse Luftblasen in den Himmel malt. Schon nach wenigen Minuten ist klar: Hier sitzt ein junger Mann, der sich intensiv mit seiner Umwelt auseinandersetzt und genau weiss, was er tut. Er ist inspirierend, provozierend, fesselnd, tiefsinnig, geradlinig, engagiert. Er kritisiert offen das politische Parteisystem und bringt doch die Politiker an einen Tisch. Er scheut keine harten Worte, wird aber nie persönlich oder beleidigend. Christof Brockhoff redet nicht nur von einer nachhaltigen Lebensweise, er lebt sie – oder zumindest versucht er es. Und wo es ihm nicht gelingt, ist er sich dessen zumindest bewusst. Und er nimmt Verantwortung wahr – Verantwortung für andere, die Umwelt, die Jugend, das Land, die Welt. Er will sie zum Besseren verändern. Dabei berührt es ihn nicht, wenn er von Kritikern als «Schmarotzer» bezeichnet wird, weil der Club Benefactum auf Spenden und Gönner angewiesen ist: «Denn ich weiss, dass es eine gute Sache ist». Das macht ihn zum Vorbild für viele junge Menschen. Sie bewundern seine Präsenz, seine Hartnäckigkeit und seine Hilfsbereitschaft. Er gibt ihnen Halt. Und sie wissen ganz genau: Christof Brockhoff lässt niemanden hängen, der ihn um Hilfe bittet – und wenn es nachts um 2 Uhr ist.
Gute Benefactum – ein Verein mit Herzblut
Seine soziale Ader entdeckte Christof Brockhoff während der Studienzeit. Sein Bachelor-Studium in Tourismus- und Freizeitmanagement führte ihn nach Leeuwarden (Holland), Barcelona und Madrid, wo er seinen frei denkenden Geist ausbildete. Dieser war auch verantwortlich dafür, dass er sein anschliessendes Studium in Entrepreneurship an der damaligen Hochschule und heutigen Universität Liechtenstein abbrach. «Ich hatte eine persönliche Abneigung gegenüber den gängigen Wirtschaftstheorien», sagt Christof Brockhoff. Dafür fesselte ihn das Thema seiner Diplomarbeit umso mehr: Die Neudefinition der Philanthropie in Liechtenstein. «Es interessierte mich, wie sich gemeinnützige Aktivitäten in einem der reichsten Länder der Welt forcieren und koordinieren lassen», erklärt Christof Brock-hoff. «Der Gedanke, selbst eine solche Anlaufstelle zu gründen, war geboren. Und ich machte mich daran, ein entsprechendes Konzept zu entwickeln.» Gemeinsam mit 27 Freunden und engagierten Menschen gründete er kurz darauf, im Jahr 2008, den Club Benefactum. «Wir sind parteipolitisch und konfessionell neutral und sehen unsere Hauptaufgabe darin, Menschen zu unterstützen, die einen aktiven Beitrag zur Weiterentwicklung des Allgemeinwohls leisten wollen», so Brockhoff. Mittlerweile hat Benefactum mehr als 60 Mitglieder und ist ein rasant wachsendes interdisziplinäres Netzwerk für die Förderung gesellschaftlichen Engagements in Liechtenstein, dem Alpenrheintal und darüber hinaus.
Gute Festival für eine «enkeltaugliche» Zukunft
Das weitaus grösste Projekt, das bisher in Kooperation mit dem TAK Theater Liechtenstein und weiteren Partnern auf die Beine gestellt wurde, ist das fünftägige «MorgenLand Festival», das im Mai dieses Jahres in Schaan durchgeführt wurde. «Eineinhalb Jahre habe ich in die Vorbereitung investiert», sagt Christof Brockhoff. Ein riesiger Aufwand, aber es hat sich gelohnt. Schliesslich arbeiteten rund 320 Menschen Hand in Hand, um das Gelingen des MorgenLand Festivals zu sichern. «Das Engagement und die Begeisterung so vieler junger Menschen zu spüren, macht sehr viel Freude und entschädigt für die unzähligen durchgearbeiteten Wochenenden», so Brockhoff. In Bezug auf die jungen Menschen, die teils von weit her angereist waren, sieht er die Ziele des Festivals als erreicht. «Es kamen tolle Impulse von den Teilnehmenden. Während des Festivals identifizierten sie sich immer mehr mit dem Gedanken eines rücksichtsvollen Umgangs mit der Umwelt. Und am Ende haben sie mir erklärt, dass sie erkannt hätten, dass sie selbst das ‹MorgenLand› sind. Das war einer der schönsten Momente.» Auch von den jungen Menschen selbst organisierte Nachtreffen haben bereits stattgefunden. Und in Bayern wird bald eine «MorgenDorf»-Veranstaltung organisiert – eine Folgeveranstaltung des MorgenLands. «Die Jugendlichen haben unser Logo adaptiert und uns eine Einladung geschickt. Das ist super, wir unterstützen die Idee des Copyleft – also des Kopierens und Weiterentwickelns ohne Copyright. Nur wenn man sich gegenseitig unterstützt, können Verbesserungen entstehen.» Bei den älteren Gästen sieht das Fazit ernüchternder aus. «Die Besucher waren teils überfordert mit dem Gedanken, dass das Konzept des Festivals auf dem Prinzip des aufeinander Achtens aufgebaut ist», erklärte Christof Brockhoff. Zum Beispiel konnte jeder für das Essen zahlen, was er für richtig hielt – als bewusstseinsbildende Komponente. «Nur die wenigsten machten sich allerdings über die tatsächlichen Kosten der Nahrungsmittelgewinnung Gedanken.» Ausserdem hätte er sich mehr Politiker und Unternehmer am Festival gewünscht. «Wir haben einen Grossteil der Führungskräfte persönlich angeschrieben und eingeladen», so Brockhoff. «Aber offenbar sinkt der Stellenwert einer Veranstaltung, wenn sie uneigennützig und gratis ist.»
Entmutigen lässt sich Christof Brockhoff davon aber nicht. Und auch wenn er trotz seines grossen Einsatzes gerade mal mit 1800 Franken Lohn monatlich auskommen muss, blickt er optimistisch in die Zukunft. «Ich habe zwar kein Auto und kann mir kaum Ferien leisten, dafür gebe ich jungen Menschen Inspiration und Mut. Das bedeutet mir viel mehr.» Kraft schöpft er auch aus dem Kernteam von Benefactum. «Wir sind alle vom gleichen Schlag und helfen uns gegenseitig über die Runden, wenn es einem von uns mal schlechter geht. Das schweisst zusammen, gibt Hoffnung und macht auch Spass.»
Als nächstes, dringendstes Projekt will Christof Brockhoff jetzt erstmals den Club Benefactum und den Verein MorgenLand finanziell absichern. «Es geht ums Überleben. Wir leben rein von Projektgeldern. Und wenn diese wegfallen, weil wir zum Beispiel wie beim MorgenLand Festival keine Zeit haben, neue Projekte aufzugleisen, fallen wir in ein Loch.» Das möchte er mit einer Neustrukturierung und rechtlichen Änderungen regeln. Ist das erstmal gelungen, steht der Organisation eines nächsten MorgenLand Festivals nichts mehr im Weg.
Nicht tatenlos zusehen
Christof Brockhoff blickt den Tatsachen gerne ins Gesicht. Deshalb befasst er sich auch intensiv mit den Problemen der heutigen Zeit: «Global sehe ich die grösste Schwierigkeit in den Konzerndiktaturen und der Privatisierung der Ressourcen. Es herrscht eine Unmacht. Jeder Wohlstand geht auf Kosten der restlichen Welt.» Davon nimmt er sich selbst nicht aus. «Ich bin mir bewusst, dass auch ich in dieser Zwickmühle stecke. Aber was zählt, ist doch die Frage: Finde ich mich damit ab oder tue ich was dagegen?» Als sehr gefährlich empfindet er auch die enge Verbindung zwischen Medien, Politik und Konsum. Sie diktiere, was oder wer Macht erhalte. Das könne man bereits bei den liechtensteinischen Landeszeitungen sehen. «Ich wäre dafür, eine dritte, ergänzende Zeitung zu gründen, deren Neutralität von einem Aufsichtsgremium überwacht wird.» Beim Thema Parteipolitik kennt Christof Brockhoff kein Pardon: «Auch wenn ich persönlich die Volksnähe und Gesprächsbereitschaft vieler Politiker schätze, empfinde ich unser System als eines der grössten Probleme des Landes. Mir scheint, dass immer kalkuliert wird, wann und ob ein Projekt lanciert wird – abhängig vom Zeitpunkt der Wahlen und anderen parteipolitischen Faktoren», so Brockhoff. Als ein Verfechter der Demokratie wäre er grundsätzlich dafür, dass die Regierung vom Volk direkt gewählt würde – ebenso wie das Staatsoberhaupt. «Ich bin überzeugt, dass sich viele spannende Leute zur Wahl stellen würden, wenn zum Beispiel die Parteizugehörigkeit keine Rolle mehr spielte», sagt Christof Brockhoff. «So könnte ich mir sogar selbst vorstellen, einmal in die Politik zu gehen.» Ein mögliches Vorbild könnte das buddhistische Königreich Bhutan im Himalaya sein. Dort steht die «Gross National Happiness» im Zentrum – die Lebensqualität der Bewohner – und nicht alleine Faktoren wie das Wachstum des Bruttoszialprodukts. «Leider wird in den westlichen Ländern die Bildung zu stark auf die Wirtschaft ausgelegt, um solches Gedankengut entwickeln zu lassen.» Dabei könnte schon mit wenig Engagement viel erreicht werden. Eine erste Idee von Christof Brockhoff: Die Einführung eines obligatorischen Mehrwegsystems. «Wieviel Abfall könnte man sparen, wenn allen Veranstaltern des Landes wiederverwertbares Geschirr zur Verfügung gestellt würde? Man redet immer von der Einzigartigkeit Liechtensteins. Warum könnte das Land nicht Schritt für Schritt so etwas wie ein Kompetenzzentrum für soziale, kulturelle und ökologische Projekte werden? Das wäre doch wirklich einzigartig.»
Speziell die jungen Menschen hätten es in seinen Augen verdient. Christof Brock-hoff wehrt sich gegen pauschale Urteile, dass die heutige Jugend grundsätzlich desinteressiert sei. «Ich begegne immer wieder engagierten Menschen, welche die Welt kritisch betrachten, politisch interessiert sind und sich dem Mainstream widersetzen. Man muss ihnen nur die Möglichkeit geben, ihre Ideen zu verwirklichen – und diese nicht mit bürokratischen Hindernissen bereits im Keim ersticken.» Wenn der Staat etwas für die Jugend tun wolle, dann solle er eine obligatorische soziale Auslandszeit finanzieren. Dadurch würden viel mehr tolerante, frei denkende junge Menschen generiert, die das Land mit ihren Visionen und Ideen bereichern könnten. Er selbst gehört auf jeden Fall zu den visionären, frei denkenden Menschen. Auch nach einigen Stunden Gespräch wird Christof Brockhoff nicht müde, über neue Möglichkeiten und Chancen zu sinnieren. Liechtenstein darf stolz sein, solche junge Menschen zu besitzen.
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Universität Liechtenstein