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«Wer Kabarett will, muss nur die Zeitung lesen»

Mathias Ospelt und seine Kollegen vom Schlösslekeller sind die Türöffner der Kleinkunst in Liechtenstein. Am kommenden Wochenende ist Kleinkunst auch ein grosses Thema beim Oberland-Fest im Vaduzer Städtle ? unter der Leitung von Mathias Ospelt.

Warum richtest ausgerechnet du, der das Land abschaffen will, das Oberland-Fest aus?», sei Mathias Ospelt kürzlich gefragt worden, als er als künstlerischer Leiter des Fests eine Musikgruppe anfragte, an dem Grossanlass teilzunehmen. «Was für ein Quatsch! Seit 17 Jahren setze ich mich national und international auf kultureller Ebene für meine Heimat ein, und dann werde ich einzig und allein daran gemessen, was man meint, was ich über Verfassungsartikel xy denken könnte! Meine persönlichen Überzeugungen zur Verfassung haben nichts damit zu tun, ob ich Liechtenstein mag oder nicht.» Er war zwar vor zehn Jahren in der Verfassungsdebatte sehr engagiert, heute blickt er aber weitaus emotionsloser auf die aktuelle Diskussion. «Ich beobachte lieber. Und analysiere. Da gibt es viel Stoff für zukünftige Projekte», schmunzelt Mathias Ospelt.
Er glaubt nicht, dass die Abstimmung zugunsten der Initianten ausgeht. Das Thema werde sich aber immer wiederholen, weil das Problem nie ausdiskutiert werde. «Jede Diskussion wird sofort auf den Wohnsitz des Fürsten reduziert. Das kann nichts werden!» Dabei müsste doch jeder, der in einer Zweierbeziehung lebt, wissen, dass sich Streitpunkte, die nie ausdiskutiert wurden, auf ewige Zeiten als emotionale Tret­minen erweisen.

Projekte haben Priorität
Statt sich um die Diskussionen rund um die Verfassung zu kümmern – «ausser auf Facebook» –, konzentriert er sich auf seine kulturellen, staatstragenden Projekte. An diesem Wochenende finden zum Beispiel die Liechtensteiner Literaturtage im Haus Stein Egerta statt. Diese hatte er 1996 erstmals im Auftrag der Stein Egerta organisiert. Seit 1998 führt er sie gemeinsam mit Hansjörg Quaderer alle zwei Jahre durch.
Am kommenden Wochenende bzw. von Donnerstag bis Sonntag feiert das ganze Land im Vaduzer Städtle das Oberland-Fest. Hier zeichnet Mathias Ospelt für die künstlerische Leitung verantwortlich. In einem vorberatenden Gremium hatte er 2010 ein Konzept ausgearbeitet. Ospelt hatte schon für das 300-Jahre-Unterland-Fest das offizielle Festspiel geschrieben, und auch beim Festspiel zum 200-Jahre-Souveränitäts-Jubiläum und an den Expo-Auftritten in Biel und Hannover hat Mathias Ospelt mit seinen Inszenierungen jeweils den Geschmack getroffen.
Im Gremium zum 300-Jahre-Oberland-Fest war man sich einig, dass man heuer kein Festspiel wollte. «Nach Abgabe meines Konzepts habe ich lange nichts mehr davon
gehört», erzählt Mathias Ospelt. Dann wurde die Projektleitung ausgeschrieben. Als Markus Goop von der Eventagentur Skunk AG in der Ausschreibung Ospelts Konzept sah, rief er ihn kurz entschlossen an und fragte ihn, ob er nicht als künstlerischer Leiter mit einsteigen wolle. «Markus sagte mir, dass da nicht viel Arbeit anfalle, ich müsse lediglich die Künstler aufbieten. Das war
natürlich mehr Arbeit, als mir lieb war», erklärt Ospelt, der innerhalb eines Jahres die Aufgabe hatte,
die sechs Oberländer Bühnen im
Vaduzer Städtle mit den letztlich über 50 Künstlergruppen zu füllen.

Viel um die Ohren
«Im letzten Jahr merkte ich, dass mir alles zu viel wird. Ich habe meine Freizeitaktivitäten wie Privatauftritte und Ansprachen bei Vereinsanlässen mittlerweile auf ein Minimum reduziert.» Auch im Schlösslekeller habe er sich bewusst ein wenig zurückgezogen. «Wir haben einige Junge, die es draufhaben. Irgendwann können sie den Laden übernehmen», blickt Ospelt gelassen in die Zukunft.
Dabei ist der Schlösslekeller wohl die kulturell hochstehendste Errungenschaft des Teamspielers Ospelt. Nach den Zeiten des «Frohsinns» in Gamprin war es der Schlösslekeller, der die Kleinkunst für ein breites Publikum öffnete, während sich das Theater am Kirchplatz damals unter Intendant Georg Rootering um das «grosse Theater» kümmerte. Mit seinem Bruder Ingo, Marco und Markus Schädler sowie Silvia Tiefenthaler gründete er den Verein «Eine Bühne für das LiGa», aus dem die Kleinkunstbühne Schlösslekeller entstand.
«Ich bin sehr vorbelastet»
Schon in jungen Jahren erkannte er, dass es ihn zum Schreiben und zur Bühne zog.  Väterlicherseits war
es die Grossmutter, Ida Ospelt-Amann, die bekannte Mundartdichterin, die ihm einiges an dichterischem Talent vererbte. Mathias Ospelts Mutter wiederum hatte zu Beginn der 60er-Jahre in München die Schauspielschule absolviert. «Insgesamt stimmte wohl der Gen-Pool und unsere Eltern unterstützten uns dabei, was wir taten.» Nach der
4. Klasse Gymnasium wechselte
Ospelt die Schule, maturierte in der Innerschweiz (Oberägeri), wo schon sein Bruder zur Schule ging. Danach studierte er in Fribourg Germanistik und Anglistik. Ein einschneidendes Erlebnis war sein Austauschjahr in Glasgow. «Am Ende des Aufenthaltes hatte ich eine veritable Lebenskrise, die ich letztlich über eine Änderung meines Schreibstils bewältigen konnte», erinnert sich Ospelt an eine dunkle Zeit in seinem Leben. Von tiefschwarzen Gedichten, «die nicht für die Öffentlichkeit bestimmt waren», kam er über den Humor so weit, dass er sich selbst nicht mehr so ernst nahm. «Das war wohl der Schlüssel zu meinem heutigen Wirken.» Ausserdem lernte er damals in Schottland seine spätere Frau May kennen. Er war Assistent an der Uni, sie war Studentin.

«Viele verstehen das Konzept des Kabaretts nicht»
Mit Stefan Becker und Jürgen Schremser entstand 1991 die Kult-lesung «Die Herren», die seither in jährlichen Abständen auf die Schippe nimmt, was das ganze Jahr hindurch in den Zeitungen steht. Als Liechtensteiner Gabarett (LiGa) reanimierte Mathias Ospelt 1994 mit Ingo Ospelt und Marco Schädler das Genre des Politkabaretts in Liechtenstein, und mit seinen Büttenreden an der Schaaner Fasnacht be­kamen auch Politiker ihr Fett ab. «Es war erstaunlich, wie gewisse Politiker mit unserem Kabarett umgingen. Solange wir den Gegner in die Pfanne hauten, waren wir Weltklasse, nahmen wir uns die neuen Machtträger vor, waren wir Nestbeschmutzer», erklärt Ospelt. «Viele haben das Prinzip des Kabaretts nicht verstanden oder ertragen es nicht, wenn sie selbst einmal auf die Schippe genommen werden.»
Als zudem die Vereinnahmung und der Erwartungsdruck bezüglich der Themen Fürst, Bischof und
Finanzplatz zu gross wurde, entschieden wir uns 2006, das LiGa zu beenden.» Seit 2009 sind die drei Kabarettisten als «Ospelt-Ospelt-Schädler» unterwegs und unterhalten das Publikum auch ohne die
Tagespolitik zu sehr zu bemühen. «Einmal ehrlich: Wer die Tageszeitungen durchliest, hat doch schon die Tagesdosis an Kabarett bekommen», schmunzelt Ospelt. Ob es das LiGa je wieder geben wird, lässt er offen. «Vielleicht, wenn wir 2024 unser 30-jähriges Bühnenjubiläum feiern. Dann würde es aber wohl heissen:?‹Ospelt-Ospelt-Schädler spielen Das LiGa›.» 

Vorerst keine Büttenrede mehr
Besonders beliebt waren auch die Büttenreden von Mathias Ospelt zur Schaaner Fasnachtseröffnung. Ob als Panzerknacker, Heinrich Kieber, Hippie oder «Führer», Ospelt sorgtejeweils für schallendes Gelächter im Saal. «Allerdings zogen es unsere Politiker über die Jahre vor, an der Fasnacht unter ihresgleichen zu bleiben, statt sich vom Ospelt den Spiegel vorhalten zu lassen. Ohne Gegenpart macht aber eine Büttenrede keinen Sinn», kritisiert Ospelt. Deshalb möchte er die Büttenrede an der Schaaner Fasnacht künftig nicht mehr halten.
Stattdessen wird nun, vom kommenden Donnerstag bis Sonntag, das Verbindende ins Zentrum gestellt. «Es gibt einige Dinge, die dieses Land zusammenhalten», glaubt Ospelt. Und so kann man sich auf allerlei Attraktionen auf den sechs Bühnen im Vaduzer Städtle freuen. «Wir sind ein Völkchen, das die lockere Geselligkeit schätzt, das aber durchaus auch bereit ist, sich tief gehend mit Themen zu befassen. Diese Seiten von Liechtenstein möchten wir am Oberland-Fest zeigen, denn es sind diese Seiten unseres Landes, die ich am meisten mag.»

 

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