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Herr über heisse Platten: der kochende DJ Hans

Johann Meier eröffnete 1967 die erste dekorierte Fasnachtsbeiz in Liechtenstein: die Engel-Bar ? Sehnsuchtsort amüsierwilliger Narren. Über 30 Jahre lang führte seine Frau Elisabeth die Bar, während er als Küchenchef das Restaurant leitete. 2000 dann wechselte er vom Herd ans DJ-Pult.

Wummernde Bässe, leicht bekleidete Mädchen, die sich an einer Pole-Dance-Stange räkeln und mit rotem Samt ausgeschlagene private Separees ? ein durchaus ungewöhnlicher Arbeitsplatz für einen 73-jährigen Herren. Dieser Herr, Johann Meier nämlich, ist allerdings auch alles andere als gewöhnlich. Der Ort, von dem hier die Rede sein soll, ist die weit über Liechtensteins Grenzen bekannte Fasnachtsbeiz Engel-Bar und Johann Meier ihr Betreiber. Im zarten Alter von 22 Jahren übernahm er das elterliche Traditionsgasthaus an der Churerstrasse in Nendeln. Fünf Jahre später entschloss er sich dazu, es abzureissen und ein neues Gasthaus mit Hotelbetrieb zu bauen. Das war im Jahr 1967 und markierte zugleich die Geburtsstunde der legendären Engel-Bar.
Im altehrwürdigen, 350 Jahre alten Kellergewölbe, das bis dahin lediglich schwere Mostfässer beherbergt hatte, zogen die «Engel» ein. Die «Engel», das waren sieben leicht bekleidete Damen, sogenannte Barmaids, und eine jede war Herrin über eine eigene Thekenzeile. Was bei vielen zunächst für verwunderte Gesichter und durchaus spöttische Kommentare hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit eines solchen Barbetriebs sorgte, entwickelte sich rasant zum Klassenprimus. Die Damen gefielen, so auch die einmalige Lage der «Bar dekoriert», an der man als Pendler kaum vorbei kommt. Fortan pendelten die Menschen nicht mehr nur von ihrem Zuhause zur Arbeitsstelle, sondern auch von Theke zu Theke. Über die Jahre entwickelte sich eine richtige Stammkundschaft, die aus dem ganzen Rheintal und sogar aus Luzern und Tirol nach Nendeln pilgerte, um sich an den sieben Theken eine schöne Zeit zu machen. «Die Barmaids waren fast alle aus Kärnten, die haben einfach eine ganz eigene Mentalität, sind freundlich und fröhlich», erinnert sich der Engel-Wirt. Bei dieser Begeisterung verwundert es auch nicht, dass seine Frau Elisabeth eine Kärtnerin ist. Und was für eine. Sie war es nämlich, die über 30 Jahre lang die Engel-Bar schmiss. Eifersucht kannte seine Frau nie. Im Gegenteil, sie kümmerte sich von Anfang an um die Mädchen.

«Erzengel» Elisabeth

Elisabeth, ihres Zeichens «Erzengel», wenn man so will, sorgte für die aufwendigen Verkleidungen der Bardamen. Jeder Abend stand unter einem anderen Motto, und auch wenn der Stoff, aus dem die Männerträume waren, quantitativ wohl eher als «marginal» zu bezeichnen ist, so trumpfte er doch qualitativ auf: Bauchtanz-Kostümlieferungen aus Istanbul oder Farbe statt Stoff in Form eines professionellen Bodypaintings sind nur zwei der zahlreichen ausgefallenen Höhepunkte. Ein weiterer war sicherlich auch Charly: der erste «dekorative» Mann in Liechtenstein. Allerdings brauchte das Publikum ein wenig länger, um mit Charly warm zu werden. «Zehn Tage lang wollte niemand bei ihm bestellen», erinnert sich das Ehepaar Meier, «aber dann gab es kein Halten mehr. Die Leute standen dreireihig an seiner Theke an.» Zu dieser Zeit öffnete die Engel-Bar bereits um 16.30 Uhr und wenig später war sie schon bis auf den letzten Platz gefüllt.

Familiäre Atmosphäre

Gut gefüllte Fotoalben zeugen von diesen turbulenten Tagen. In den Büchern finden sich Fotos von jeder Bardame und beim Durchblättern wird zu jedem Bild ein Name genannt und eine Geschichte erzählt. Man kann die familiäre Atmosphäre heraushören, die sicher auch einer der Garanten der Engel-Bar war und immer noch ist. Eine gute Stimmung im Team ist für Johann Meier zentral, er bezeichnet sie als Grundvoraussetzung dafür, dass eine Bar gut läuft: «Die Mädchen müssen ja motiviert sein und das funktioniert nur, wenn die Arbeit Spass macht. Wenn die Barfrau schon die Mundwinkel hängen lässt, dann ist das nicht gerade das Wahre», erklärt der erfahrene Hotelier. Für ihn war immer klar, dass er den elterlichen Traditionsbetrieb übernehmen wird, und so liess er sich in Zürich auf der Hotelfachschule ausbilden. Die besuchte übrigens auch seine spätere Frau Elisabeth, die er jedoch erst kennen- und lieben lernte, als sie im Hotel Engel zu arbeiten begann.
Johann Meier übernahm also im Alter von 22 das Hotel Engel und verdingte sich 38 Jahre lang als Küchenchef. Doch dann kam alles anders und aus Johann Meier, dem Koch, wurde DJ Hans.

Ältester DJ Liechtensteins

Der 73-jährige Nendler bezeichnet sich heute selbst gerne augenzwinkernd als «ältester DJ Liechtensteins und der Region», ist aber ein vergleichsweise junger Hüpfer in seinem Metier. Mit der musikalischen Unterhaltung seiner Gäste hat er genau genommen erst vor 14 Jahren begonnen. Im Jahr 2000, da war er 60 Jahre alt, beschloss das Ehepaar Meier, den Restaurantbetrieb einzustellen und nur noch Zimmer mit Frühstück anzubieten. «Das war natürlich schon ein starker Einschnitt. Da muss man über den eigenen Schatten springen», stellt Meier nachdenklich fest. Es sei sehr schwer gewesen, sich zu lösen und der Frage zu stellen, was nun geschehen soll. «Wenn man sein ganzes Leben lang im Gastgewerbe tätig war und mit 60 Jahren ja noch vergleichsweise jung ist, dann kann man sich nicht vorstellen, von heute auf morgen einfach so die Türen zuzumachen.» Das kam für die Meiers nicht in Frage, und so haben sie einige Renovierungsmassnahmen unternommen und auch ein DJ-Pult in die Bar einbauen lassen. Der pragmatische Gedanke dahinter: «Ich muss sowieso unten sein, also kann ich doch auch gleich auflegen.» Und das tat er dann auch. Ganz selbstbewusst widmet er sich seiner neuen Aufgabe: «Das ist ja auch keine grosse Kunst, da wird nur viel Trara drum veranstaltet. Es braucht ein bisschen Fantasie und dann hat sich die Sache», beschreibt er seine Sicht auf den DJ-Beruf. Er stünde ganz im Dienste seiner Kundschaft, und deswegen hätte er auch keine besondere Lieblingsmusik. Nur eins kommt DJ Hans nicht in den CD-Spieler: Heavy Metal. Das würde seinen Kunden aber wohl ohnehin nicht gefallen, denn die bevorzugen eindeutig andere Töne. Après-Ski-Hits stünden derzeit hoch im Kurs, und wenn die Mädchen an die Stange gehen, darfs auch gerne mal was Modernes sein, erklärt der 73-Jährige.
Während Johann Meier von seinen Herdplatten zu den Musikplatten wechselte, hatte seine Frau Elisabeth nach über 30 Jahren genug vom närrischen Treiben. Sie tauschte die leichten Stoffe gegen Canvas und widmet sich seit der Übergabe an ihren Mann der Malerei. Da fügt es sich gut, dass ihre Motive oftmals Aktgemälde sind, die dann wiederum in ihrer alten Wirkstätte, der dekorierten Engel-Bar, die Wände zieren.

«Knochenharter Job»

Die Engel-Bar hat jedes Jahr zur Fasnacht geöffnet, dieses Jahr vom 7. Januar bis zum 1. März, das bedeutet zwei Monate Ausnahmezustand für das Ehepaar Meier. Jeden Abend um 20 Uhr gehts los und meist ist erst um 4 Uhr morgens Schluss. «Mit dem Rhythmus habe ich überhaupt keine Probleme. Klar muss man sich umstellen, aber das ist völlig in Ordnung», sagt DJ Hans. Die Gastronomie sei noch nie ein Honigschlecken gewesen, aber sie sei seine Leidenschaft, und da müsse man dann eben durch. Und wenn man sich Johann Meier so ansieht, scheint dieser Rhythmus tatsächlich eine Art Jungbrunnen zu sein, denn in seinem Alter erfreut man sich eigentlich schon längst des Pensionistendaseins.

Ungewisse Zukunft

Für das Hotel Engel und so auch für die Engel-Bar ist derzeit aber kein Nachfolger in Sicht. Keines der drei Meier-Kinder möchte den Betrieb übernehmen, und so ist die Zukunft ungewiss. «Es ist ein harter Job ? und ich kann schliesslich niemanden zwingen, den Betrieb zu übernehmen. Denn wenn man etwas widerwillig macht, dann macht man es meist auch nicht gut», weiss auch Johann Meier. Allerdings hat er nicht vor, die Pforten allzu bald zu schliessen. Und in diesem Jahr hat man immerhin noch drei Wochen die Gelegenheit, das geschichts­trächtige Gemäuer zu besuchen, bevor die Pforten zur dekorierten Engel-Bar wieder für ein Jahr geschlossen werden. (kid)

Steckbrief
Name: Johann Meier
Wohnort: Nendeln
Alter: 73
Beruf: Hotelier
Hobbys: Natur, Ornithologie
Leibspeise: Käsknöpfle
Getränk: Wein
TV-Vorliebe: Tier- und Naturfilme
Musik: Alles
Lektüre: NZZ
Stadt/Land? Land
Stärke: Pünktlichkeit
Schwäche: Rotwein

 

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