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Ein Gamser erobert die Weltbühnen

In Gams geboren, in Balzers zur Musik gefunden, in Hamburg Rekorde gebrochen und eigentlich rund um den Globus zu Hause ? das ist Patric Scott Kaiser: 27 Jahre jung, Musiker, Schauspieler, Vocalcoach, Synchronsprecher, Autor und seit Kurzem auch noch Plattenlabelgründer.

Patric Scott ist kein Unbekannter ? weder auf der Walenseebühne noch auf internationalem Parkett. Auf Ersterer steht er seit vergangenem Mittwoch, und zwar in der Rolle des Freddy Eynsford-Hill im Musical «My Fair Lady». Obwohl es nicht sein erstes Gastspiel auf der Seebühne ist, ist sein Engagement dennoch etwas ganz Besonderes: Je nach Aufführungsland singen und sprechen das Blumenmädchen Eliza Doolittle und ihr Vater in landestypischem Dialekt. Eine schweizerdeutsche Fassung existierte bislang nicht ? bis Patric Scott die Übersetzung übernahm. Neben seiner Rolle als tollpatschiger Verehrer der Hauptfigur bringt er hinter den Kulissen einigen Darstellern also auch noch Schweizerdeutsch bei. Hinzu kommt, dass er fast während des gesamten Stücks auf Rollschuhen über die Bühne fegt, ein Fortbewegungsmittel, das ihm bisher fremd war. Bekanntes Terrain mit unbekannten Momenten, und genau diese Abwechslung schätzt der vielseitige Künstler.

Es begann in Balzers

Mittlerweile ist der gebürtige Gamser auf den Brettern, die die Welt bedeuten, zu Hause ? und das auch tatsächlich weltweit. Seine Karriere begann allerdings in Liechtenstein, und zwar im zarten Alter von vier Jahren. Klein Patric trat in den Knabenchor Balzers ein. Edeltraud Dünser wurde auf ihn aufmerksam und förderte ihn ab sieben Jahren mit Einzelgesangsstunden. «Edeltraud war meine Mentorin und hat mich von Anfang an unterstützt und bestärkt. Traurigerweise ist sie vor Kurzem von uns gegangen. Ich konnte bis zuletzt immer zu ihr kommen und sie um Rat bitten. Das war vor allem auch für meine eigene Coaching-Tätigkeit eine grosse Hilfe», erinnert sich Patric Scott an seine ersten Schritte ? oder besser Töne ? in der Musik.
Edeltraud Dünser führte Patric in den klassischen Gesang ein, Sabine Fiegl lehrte ihn die Rock-, Pop- und Soulstilistik. Dazu lernte er am Landeskonservatorium Cello und Klavier. Der Grundstein für eine rasante Karriere, die sich auf Bühnen rund um den Globus abspielt, wurde also in Liechtenstein gelegt. Der Plan war dann auch, die Ausbildung am Landeskonservatorium weiterzuverfolgen, doch dann kam Hamburg «in die Quere»: Die Bewerbung des damals erst 15-jährigen Gamsers an der renommierten «Stage School of Music, Dance and Drama» war erfolgreich, obwohl man hierfür eigentlich einen Schul- oder Lehrabschluss benötigt hätte. So gross die Freude über die Ausnahme auch war, so gross war dann auch erstmal die Ernüchterung, als Patrics Familie die Bedingungen seiner Aufnahme mitgeteilt wurden. Er dürfe nur an die «Stage School», wenn mindestens ein Elternteil vor Ort leben würde. Die Konsequenz war, dass Patrics Eltern ein Jahr lang im Wechsel hin und her pendeln mussten. «Meine Eltern haben mir zuliebe quasi ihre Ehe aufs Spiel gesetzt, weil sie sich durch das Pendeln fast ein Jahr lang nicht sehen konnten», weiss der heutige Musicalstar zu schätzen. Allerdings hatte Familie Kaiser die Abmachung getroffen, dass Patric sein Abitur nachholen würde, sollte er nach Abschluss keine Anstellung finden. Dieser Fall trat bekanntlich nicht ein.
Die Lehrjahre in Hamburg waren kein Pappenstil für den bisher jüngsten Studenten der «Stage School» überhaupt: «Das erste Semester in Hamburg war grauenhaft, ich konnte ja nichts im Vergleich zu den anderen. Ich konnte zwar gut singen, aber hatte keine Ahnung von Musiktheorie, Theatergeschichte. Tanzen konnte ich auch nicht, und dann noch die Sprachbarriere als Schweizer in Hamburg», erinnert er sich an die schwierige Anfangsphase. Hinzu kam der Druck, bei den nahenden Prüfungen nicht durchfallen zu dürfen und parallel zur Schule in Hamburg an den Wochenenden noch bei der Musicalproduktion «Joseph» des LMC in Balzers auf der Bühne zu stehen. «Das war schon alles ein bisschen viel!» Verständlich.

Geissenpeter, Vampire und Roman Polanski

Kurz vor seinem 18. Geburtstag konnte er seine Ausbildung abschliessen, und dann ging es auch schon los mit der Musicalkarriere. Zunächst in einer typisch schweizerischen Rolle: als Peter in «Heidi ? das Musical» auf der Walenseebühne, auf der er seither immer wieder in verschiedenen Rollen zu sehen ist. Im Anschluss folgte auch schon der grosse Durchbruch mit der Rolle des Alfred im Musical «Tanz der Vampire». Die Besetzung bedeutete für Patric Scott eine Art Wunscherfüllung hoch drei: Theater des Westens, Tanz der Vampire und Roman Polanski. «Das war völlig surreal. Mit nicht mal 20 Jahren arbeitest Du mit so einer Legende zusammen. Ich hatte so eine Angst in der Nacht vor dem ersten Aufeinandertreffen», erinnert er sich an seine Rolle als Alfred. Die Angst stellte sich als völlig unbegründet heraus, Polanski war vollauf begeistert. Genauso erging es auch den Entscheidungsträgern von DRS3, die Patric Scott ? zusammen mit seiner Duettpartnerin Fabienne Louves 2011 ? per Wildcard direkt als Favorit in die Schweizer Entscheidungsshow für den «Eurovision Song Contest» (ESC) schickten. Aber: Entgegen aller Erwartungen erhielt Scotts Song «Real Love» nicht das Ticket nach Baku. Der Traum vom Grand Prix war fürs Erste ausgeträumt. Erst drei Jahre später sollte er die Schweiz in Kopenhagen vertreten dürfen und zusammen mit Sebalter Platz 13 ergattern.

«China calling»: Anruf aus China

Eine Woche nach der überraschenden Niederlage im ersten ESC-Anlauf kam ein Anruf aus China. Man wollte Patric für eine Tour ins Reich der Mitte holen. Der machte sich mit seinem neuen Album im Gepäck auf den Weg und erlebte einen bis dahin nicht gekannten Rummel um seine Person. Er war u. a. zu Gast bei der chinesischen Ausgabe von «Wetten dass ...?», die 800 Millionen Menschen vor dem Fernseher verfolgen. «Man kann nicht beschreiben, was einem da im Kopf umhergeht», berichtet der junge Sänger, der diese Tour als einen der bisherigen Höhepunkte seines Lebens beschreibt. Dort trugen sich auch allerhand abenteuerliche Erlebnisse zu, wie das vierstündige Verweilen auf der Showcouch ohne Übersetzungshilfe oder auch ausflippende Fans, die auf Tuchfühlung gehen wollten. In Sachen Fans ist der Künstler dann auch ein wenig zwiegespalten: «Es freut mich natürlich sehr, wenn Menschen auf mich zukommen, denen ich mit meiner Arbeit eine Freude bereiten konnte, aber in China war das einfach zu viel, wenn alles an dir zerrt und dich anfassen möchte.»

Die zwei Seiten des Ruhms

Sieht man sich all die glanzvollen Höhepunkte in Scotts Karriere an, von denen sich einer an den anderen reiht, könnte man den Eindruck gewinnen, dass der Gamser ein Leben auf der Überholspur führt. Das mag auf dessen Arbeitspensum sehr wohl zutreffen, nicht aber auch immer in gleichem Masse auf die dazugehörigen Erfolge. Diejenigen, die hoch fliegen, können auch tief fallen, und das musste Patric Scott vergangenes Jahr am eigenen Leib erfahren. Die Rede ist von der Fernsehserie «Drunter und drüber ? Haus Nr. 15». Als grosser Nachfolger des Erfolgsformats «Verliebt in Berlin» geplant, sollte sie zur besten Sendezeit auf Sat. 1 laufen ? mit Patric Scott in der Hauptrolle. Nach bereits 50 abgedrehten Folgen stand der Sendestart kurz bevor, als der Regieassistent plötzlich zum Gespräch bat. «Man hat uns da ohne Vorwarnung einfach ein ?Ab morgen seid ihr arbeitslos? an den Kopf geknallt und eröffnet, dass das gedrehte Material auf dem Nebensender ?Sat. 1 emotions? laufen wird», erzählt Scott immer noch ein wenig geschockt. Was sich als riesiger Karrierrekick angedeutet hatte, zerplatzte in dieser Sekunde. Geplant war eine Art Kooperation ähnlich derjenigen zwischen «GZSZ» und Yvonne Catterfeld oder Jeanette Biedermann: Serien- und Popstar in Personalunion. Mit dem Aus für die Serie kam auch das Aus des Plattenvertrags. Termine bei Stefan Raab und ähnlichen Kalibern mussten storniert werden. «Als ich das erfahren habe, bin ich in ein tiefes Loch gefallen. Ich hatte alles verloren und habe mit dem Gedanken gespielt, aufzuhören.» Seine Eltern, Pächter von Schloss Sargans, haben ihn in dieser Zeit wieder aufgefangen. Umso schöner, dass nun dort ? also auf Schloss Sargans ? ein Jubiläum der besonderen Art zelebriert werden kann: Patrics Show «Music Dinner» findet im November bereits zum 15. Mal statt. Und auch das neue Album wird auf den Markt kommen, wenn auch unter einem anderen Label: Patric Scotts eigenem. Die Gründung seiner eigenen Firma «Cloud 26» sei einerseits die Konsequenz aus der «Drunter und drüber»-Misere, andererseits aber auch eine Art Vorsorge, erklärt er. Dadurch könne er in Zukunft seine eigenen Shows produzieren, sei unabhängiger und habe vor allem ein eigenes Standbein für die Zukunft ? sein fünftes, wie der Tausendsassa grinsend erzählt, während man staunend lauscht und innerlich applaudiert. Vorhang auf für Patric Scott! (kid)


Steckbrief
Name: Patric Scott Kaiser
Wohnort: Berlin
Alter: (noch) 27
Beruf: Sänger und Schauspieler
Hobbys: Kino, Sport, Ausgehen
Leibspeise: Italienisch
Getränk: Kaffee
Musik: Michael Jackson
Lektüre: Drehbücher
Stadt/Land? Beides
Sommer/Winter? Sommer
Ort: Los Angeles
Land: Australien
Stärken: ehrgeizig, zielstrebig und verlässlich.
Schwäche: Chaotisch
Motto: «Behandle andere Menschen so, wie du gerne behandelt werden möchtest.»
Kontakt: www.patricscott.com

 

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