Die Abenteuerreise einer Meerjungfrau
Mit neun Jahren trainierte Magdalena Brunner zum ersten Mal mit den Synchronschwimmerinnen des SC Flös im Buchser Hallenbad. Dies war der Beginn einer fantastischen Abenteuerreise, die sie über die Olympischen Spiele bis zum Cirque du Soleil in Las Vegas führte.
Luxushotels der Superlative, Spielcasinos, so weit das Auge reicht, und ein Meer von Lichtern, in dem man zu versinken droht. Für die einen ist sie der Sündenpfuhl schlechthin, für die anderen das Paradies auf Erden: Die Rede ist von der Spielerstadt Las Vegas. Hier wird die Nacht zum Tag und der Durchschnittsbürger zum Millionär. Hier sind Siegfried und Roy gross geworden. Hier verpulvern jährlich rund 30 Millionen Touristen ihr Geld. Und hier befindet sich der Arbeitsplatz von Magdalena Brunner. Die Schweizerin arbeitet in einem der grössten Hotels in Las Vegas ? nicht etwa als Croupier oder Glücksspielprofi, sondern als Synchronschwimmerin. «Ich bin Artistin beim Cirque du Soleil und wirke bei dessen Show ?O? mit, die im ?Bellagio? aufgeführt wird», erzählt sie. Seit knapp einem Jahr sei sie nun dabei und sowohl das Artistenleben als auch Las Vegas gefielen ihr sehr gut. «Ob man es glaubt oder nicht, ich führe hier ein ziemlich normales Leben: Ich wohne in einer Gemeinde ausserhalb der Stadt, mache wie jeder andere den Haushalt, gehe einkaufen und treffe mich mit Freunden», beschreibt die Haagerin ihren Alltag in Nevada. Und trotzdem: So alltäglich ihr Leben vielleicht sein mag, ihr Job ist es mit Sicherheit nicht.
Licht aus ? Spot an
Zweimal täglich, um 19.30 und 22.30 Uhr, wartet Magdalena Brunner hinter den Kulissen gebannt auf ihren Arbeitsbeginn. Ebenso gebannt blicken die täglich rund 3600 Cirque-du-Soleil-Besucher auf das riesige Wasserbecken inmitten der gigantischen Halle im «Bellagio». Doch schon bald wird das Publikum nicht mehr wissen, in welche Richtung es sein Staunen richten soll: Akrobaten wirbeln durch die Luft und tauchen elegant ins Wasser ein, am Beckenrand ziehen Clowns in fantasievollen Kostümen die Aufmerksamkeit auf sich und mitten auf der «Bühne» gibt es eine farbenfrohe Wasserchoreografie zu bestaunen. Im Hintergrund, an den Seiten, vorn ? überall finden unglaubliche, faszinierende Dinge statt, und mittendrin in diesem Spektakel ist Magdalena Brunner. «Für ?O? schlüpfe ich in die Rolle einer Meerjungfrau, die auf spielerische Art versucht, den Helden der Geschichte von seinem vorbestimmten Weg abzubringen», beschreibt sie ihren Part in der Aufführung. Doch wie es die Dramaturgie des Stücks will, bleibt die Meerjungfrau erfolglos und der Held erreicht letztlich doch sein Ziel. So betrachtet hat Magdalena Brunner mit dem Protagonisten von «O» eigentlich mehr gemeinsam als mit der Meerjungfrau, die sie verkörpert: Seit jeher liess sie sich nie von ihrem Weg abbringen.
Eine «richtige» Sportart
Neun Jahre war Magdalena Brunner alt, als sie beschloss, Synchronschwimmerin zu werden: «Ich war gerade in der dritten Klasse, als eine Schulfreundin und ich auf die Idee kamen, eine ?richtige? Sportart betreiben zu wollen», erinnert sie sich. «Wir waren damals der Ansicht, dass wir unbedingt etwas Ausgefallenes machen wollten.» Zur Auswahl standen unter anderem Kunstturnen, Ballett und Skispringen. Doch besonders vom Skispringen war Magdalenas Mutter nicht sonderlich begeistert: «Sie befürchtete, dass ich mir alle Knochen brechen würde», meint die Haagerin heute lachend. Weniger Probleme hatte Mutter Brunner jedoch mit dem Vorschlag Synchronschwimmen zu betreiben. «Die Idee kam eigentlich von meiner Schulfreundin. Sie beschrieb das Ganze als ?Wasserballett?, was mich ungemein faszinierte», erzählt die heute 30-Jährige. Und obwohl die kleine Magdalena damals eher eine schlechte Schwimmerin war, fand sie sich schon bald im Buchser Hallenbad wieder und trainierte mit den Synchronschwimmerinnen des SC Flös.
Eine der Besten ihres Fachs
21 Jahre sind seit jenem ersten Trainingstag vergangen und aus dem Mädchen, das mehr schlecht als recht durchs Wasser plantschte, wurde eine äusserst talentierte Synchronschwimmerin: Bis heute hat Magdalena Brunner mehrere Schweizer-Meister-Titel gewonnen und durfte an vier Junioren-Europameisterschaften teilnehmen ? was vor ihr noch keine Schweizerin geschafft hatte. Zudem startete sie an mehreren Europa- und Weltmeisterschaften und holte bei den Olympischen Spielen in Athen und Peking einmal den 10. und einmal den 12. Platz. Eine beeindruckende Bilanz, für die Brunner aber auch hart arbeiten musste: «Lange Zeit hat das Synchronschwimmen mein Leben bestimmt», erzählt sie. So sei sie beispielsweise bereits im Alter von 17 Jahren des Sports wegen von zu Hause ausgezogen, um sich bei den «Limmat-Nixen» in Zürich auf die Olympischen Spiele vorzubereiten. Neben sieben Stunden täglichem Training absolvierte sie in dieser Zeit ausserdem noch ihre Lehre zur Kauffrau. Im olympischen Jahr selbst wurde die Trainingszeit dann auf neun Stunden erhöht. Da blieb für Freunde, Familie oder Hobbys kaum mehr Zeit. «Doch ich wollte das damals so ? es war meine eigene Entscheidung», erklärt sie bestimmt.
Karriereende mit 25
Über 16 Jahre lang widmete Magdalena Brunner dem Synchronschwimmen ihr Leben. Für ihre Leidenschaft wechselte sie mehrmals ihren Wohnort, trainierte Tausende Stunden und bereiste die Welt, um an internationalen Wettkämpfen teilzunehmen. Nach den Olympischen Spielen in Peking ? Magdalena Brunner war gerade mal 25 Jahre alt ? beschloss sie, ihre Sportkarriere an den Nagel zu hängen. «Das nächste grosse Ziel wären die Spiele in London gewesen, doch ich konnte mir einfach nicht mehr vorstellen, nochmals vier Jahre auf diesem Niveau zu trainieren und mein Leben hintanzustellen», begründet sie ihre Entscheidung. Ausserdem sei ihre Zeit als Leistungssportlerin stets auch mit einem finanziellen Kampf verbunden gewesen. «Als Synchronschwimmerin verdient man leider gar nichts, und während viele meiner Kollegen bereits ihr Studium abgeschlossen und ein festes Einkommen hatten, schlug ich mich mit Teilzeitjobs durch und musste bei jedem Kaffee überlegen, ob ich ihn mir leisten kann», berichtet sie.
Die grosse Umorientierung
Einmal den Entschluss gefasst, setzte Magdalena Brunner diesen rigoros um. Von heute auf morgen kehrte sie dem Schwimmbecken den Rücken ? nicht mal mehr hobbymässig stieg sie in den Badeanzug. «Damals begann für mich die grosse Umorientierung. Bis anhin war das Synchronschwimmen mein Lebensinhalt und alles andere war nebensächlich. Als ich aufhörte, war es, als ob ein Ballon platzen würde ? alles war weg, alles war anders», erzählt sie. Anfangs versuchte sie die frei gewordene Zeit mit einem Vollzeitjob in einem Büro auszufüllen. Doch schnell merkte sie, dass die Umstellung von zehn Stunden Sport auf täglich acht Stunden Sitzen für sie nicht zu bewältigen war. Also begann für sie die grosse Suche nach einem geeigneten Job: Ein halbes Jahr arbeitete sie in einem Fitnessstudio. Dann machte sie in London ein dreimonatiges Praktikum in Sportpsychologie und trainierte dort das britische olympische Team. Zu guter Letzt fand sie eine Stelle als Marketing-Assistentin bei Ebay Schweiz, die ihr zusagte. «Der Job war sehr abwechslungsreich, ich durfte viel reisen und konnte meine Sprachkenntnisse nutzen», erzählt sie begeistert. Zweieinhalb Jahre blieb sie bei Ebay ? dann erfuhr sie von der freien Stelle beim Cirque du Soleil, bewarb sich und wurde angeheuert.
«Das soll auch so bleiben»
Eine Abenteuerreise rund um das Element Wasser ? so könnte man nicht nur die Show beschreiben, in der Magdalena Brunner mitwirkt, sondern auch ihr Leben. Von der Nichtschwimmerin bis hin zur Olympiateilnehmerin und Zirkusartistin. Wie lange sie beim Cirque du Soleil bleibt und was die Zukunft sonst noch für sie bereithalten wird, weiss die sympathische Poolnixe noch nicht. Doch eines ist sicher: «Sport hat mich ein Leben lang begleitet, und das soll auch so bleiben.» Aus diesem Grund hat sie auch ? vorrausschauend wie sie ist ? in diesem Jahr ihre Sportmanagement-Ausbildung in Angriff genommen. Und wer die schwimmende Haagerin kennt, weiss, dass sie sich auch von diesem selbst gewählten Weg nicht abbringen lassen wird. (sb)
Steckbrief
Name: Magdalena Brunner
Wohnort: Henderson/Las Vegas
Alter: 30
Beruf: Artistin
Hobbys: Reisen, Lesen, Malen und Basteln
Leibspeise: Sushi
Getränk: Wasser, Tee und Kaffee
TV-Vorliebe: Momentan die Serie «Scandal»
Musik: Alles von Pop, Rock über R?n?B bis House und Klassik
Lektüre: Momentan lese ich «David und Goliath» von Malcom Gladwell
Stadt/Land? Stadt
Sommer/Winter? Sommer
Ort: Sydney
Stärke: Meine positive Einstellung
Schwäche: Multitasking ? ich verzettle mich schnell
Lebensmotto: «You can do it if you REALLY want»
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«Liewo-Porträt»