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Brachliegende Ressourcen aktivieren

Ab August dieses Jahres haben junge Menschen aus der Region die Möglichkeit, ein Freiwilliges Soziales Jahr zu absolvieren und so etwas Neues kennenzulernen.

Herr Brüstle, ganz banal: Was ist das Freiwillige Soziale Jahr?

Matthias Brüstle: Das Freiwillige Soziale Jahr Liechtenstein (FSJ) bietet jungen Menschen die Gelegenheit, sich ein Jahr lang in einer sozialen Organisation in Liechtenstein freiwillig zu engagieren. Hierbei handelt es sich aber nicht um ein Sozialprojekt, das in erster Linie Menschen unterstützt, die Förderung benötigen. Vielmehr will es jungen und motivierten Leuten eine Chance bieten, im sozialen Kontext tätig zu werden. Tätsächlich bieten wir teilnehmenden Volontären einiges. Sie sollen keinesfalls einfach nur billige Arbeitskräfte sein.

Wie kamen Sie auf die Idee, in Liechtenstein dieses Angebot zu schaffen?

Es wird oft davon geredet, dass in Liechtenstein die sozialen Ressourcen immer knapper werden. Ich bin der Ansicht, dass wir eigentlich über viele brachliegende Ressourcen verfügen. Das Freiwillige Soziale Jahr ist ein Versuch, diese zu entdecken und zu nutzen. Hinzu kommt, dass viele junge Menschen irgendwann in ihrem Leben in einem Auslandjahr Lebenserfahrung sammeln und Neues kennenlernen wollen. Mit dem FSJ wird dies nun auch in Liechtenstein möglich. Um bei einer gemeinnützigen Organisation zu arbeiten und eine sinnstiftende Tätigkeit auszuüben, muss man nicht mehr ins Ausland.

Bedeutet «freiwillig» in diesem Fall, dass es keine Entschädigung für die Arbeitszeit gibt?

Nicht ganz. Die Teilnehmer erhalten ein Taschengeld in Höhe von 500 Franken pro Monat und ein Jahresabo der LIEmobil. Zudem werden den Freiwilligen eine Vielzahl von zusätzlichen Kursen, sogenannte Bildungsmodule, angeboten. Viel wichtiger als diese sachlichen Entschädigungen sind jedoch die Erfahrungen und Kompetenzen, die man während dieses Jahres sammeln kann. Sie können später nicht nur bei der Suche nach einem Job von Vorteil sein, sondern fördern vor allem auch die berufliche und persönliche Entwicklung jedes Einzelnen.

Sie haben die Bildungsmodule angesprochen. Was beinhalten diese?

Die Bildungsmodule sind ein fester Bestandteil des FSJ. Sie finden in der Regel einmal in der Woche statt und zählen zur regulären Arbeitszeit. Ziel ist es, dass die Volontäre jede Woche mit neuen, anspruchsvollen Angeboten in Berührung kommen. Von einem Erste-Hilfe-Kurs über Exkursionen in Sozialorganisationen und fachlichen Einführungen bis hin zu Kursen in Kampfkunst wird ein vielseitiges Programm angeboten. Ziel der Bildungsmodule ist es, dass sie die Teilnehmer in ihrer persönlichen Entwicklung weiterbringen. Die Volontäre sollen etwas fürs Leben lernen und sich selbst besser kennenlernen.

Welche Zielgruppe spricht das Freiwillige Soziale Jahr an?

Angesprochen sind Menschen zwischen 18 und 30 Jahren, die aufgeschlossen sind für Neues und nach einer sinnstiftenden Tätigkeit suchen. Besonders attraktiv ist das Angebot vor allem für jene, die später einmal im Sozialbereich tätig werden möchten. Im FSJ erhalten sie die Möglichkeit, ihre Grenzen auszu­loten. Zudem wird es als Vorpraktikum für soziale berufsbildende Schulen anerkannt.

Welche Voraussetzungen müssen die Volontäre mitbringen?

Für die Teilnahme ist weder ein Schulabschluss noch eine abgeschlossene Berufsausbildung notwendig. Die Volontäre müssen in erster Linie psychisch und physisch gesund und belastbar sein. Zudem dürfen sie Herausforderungen nicht scheuen und müssen über einen einwandreien Leumund verfügen.

Wie kann man sich für das FSJ bewerben?

In einem ersten Schritt muss jeder Interessierte ein Anmeldeformular ausfüllen. Wenn wir dieses erhalten haben, laden wir jeden zu einem Erstgespräch ein. Dieses dient dazu, die grundsätzliche Eignung des Einzelnen festzustellen. Verläuft das Erstgespräch positiv, erhält jeder Bewerber die Daten des infrage kommenden Einsatzortes und der jeweiligen Kontaktperson. Es erfolgt ein weiteres Bewerbungsgespräch bei der allfälligen Partnerorganisation. In der Regel wird auch mindestens ein Schnuppertag vereinbart. Dabei geht es darum, dass sowohl die Organisation als auch der Volontär sich kennenlernen können und erste Eindrücke voneinander bekommen. Wenn alle Aufnahmebedingungen (formale Voraussetzungen, positives Erstgespräch, Zusage eines Platzes durch die Aufnahmeorganisation) erfüllt sind, kommt ein Vertrag zwischen dem Volontär, der Einsatzstelle und dem FSJ zustande.

In welchen Einsatzbereichen werden die Volontäre tätig sein?

Derzeit bieten sich einige soziale Träger in Liechtenstein als Partner an und haben extra für das Freiwillige Soziale Jahr insgesamt zehn Einsatzplätze geschaffen. Unter den Partnerorganisationen sind beispielsweise die Liechtensteinische Alters- und Krankenhilfe (LAK), das Heilpädagogische Zentrum (HPZ), der Verein Kindertagesstätten Liechtenstein und das Landesspital. Dementsprechend werden auch die möglichen Einsatzbereiche sehr unterschiedlich sein: Die Volontäre werden mit Kindern, älteren Personen, kranken sowie behinderten und psychisch beeinträchtigten Menschen zusammenarbeiten.

Darf sich jeder Volontär seinen Einsatzbereich selbst aussuchen?

Wir versuchen natürlich, die Wünsche des Einzelnen zu berücksichtigen, doch eine Garantie für einen bestimmten Einsatzort können wir keine geben. Die Vergabe der zur Verfügung stehenden Plätze erfolgt nicht nur nach dem Interesse des Freiwilligen, sondern hängt auch von dessen Eignung, dem Schnupperergebnis sowie der Reihenfolge des Eintreffens der Anmeldeformulare ab.

Wohin können sich Interessierte wenden? Wann ist Anmelde­schluss?

Interessenten können sich bis Anfang Mai für eine Volontärstelle bewerben. Das Anmeldeformular und weitere Informationen finden sie auf www.fsj.li. Ansonsten bin ich zu den Bürozeiten auch telefonisch unter +423 793 34 45 oder per E-Mail matthias@fsj.li erreichbar. (sb)

Persönlich
Matthias Brüstle, Jahrgang 1967, ist selbstständiger Psycho­loge und Koordinator des Projekts «Freiwilliges Soziales Jahr Liechtenstein». Das Projekt wurde vom «Netzwerk – Verein für Gesundheitsförderung» ins Leben gerufen, bei welchem Brüstle als freier Mitarbeiter tätig ist. Die meisten Liechtensteiner werden Matthias Brüstle jedoch als Leiter des Projekts «Bündnis gegen Depression» kennen.

 

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