Gleichberechtigte Drachenwelt
Umso schlimmer waren aber die Gründe, wenn es dann doch zu Demonstrationen kam. Eine Demonstration ist mir besonders gut in Erinnerung geblieben. Es war am 28. Februar 1971.
An diesem Tag wurde erstmals die Einführung des Frauenstimmrechts in Liechtenstein abgelehnt – wenn auch sehr knapp. 1897 Männer sagten Nein, 1816 sagten Ja – gerademal 81 Stimmen machten den Unterschied. Das knappe Ergebnis, das auch die Wut in meinem Bauch anheizte, führte zur ersten Frauendemonstration in Liechtenstein. Nachdem das Abstimmungsergebnis bekannt gegeben worden war, trafen sich 12 junge Frauen vor dem Regierungsgebäude in Vaduz und machten ihrer Enttäuschung und Empörung lautstark und unüberhörbar Luft. Ich versteckte mich damals ganz in der Nähe und unterstützte die Frauen beim Rufen ihres Schlachtrufs «Hi-Hi-Hinterwäldler» und zog mit ihnen durch die Strassen. Ich beobachtete auch, wie sie die Männer in einem Wirtshaus überraschten und sich mit Plakaten und Transparenten vor ihnen aufbauten. Ich musste schmunzeln, als ich die verdutzten Gesichter der Männer sah.
Der Aufmarsch wurde in der Öffentlichkeit nicht gerne gesehen und dann setzte die Schülerschaft des Liechtensteinischen Gymnasiums mit ihrem «Dank-Protest- und Trauermarsch» einige Tage später auch noch eins oben drauf. Das schien einigen Gegnern des Frauenstimmrechts endgültig zu viel des Guten zu sein. Sie störten – teils vermummt – die bewilligte Kundgebung der Jugendlichen und einiger Lehrer. Sie rissen die Plakate und Transparente zu Boden und schlugen sogar auf die Schülerinnen und Schüler ein. Das waren schreckliche, ja schockierende Szenen auf Liechtensteins Strassen. Das Schlimmste an der ganzen Geschichte war aber, dass es noch weitere dreizehn Jahre dauern sollte, bis Liechtenstein am 1. Juli 1984 in einer dritten Abstimmung das Frauenstimmrecht auf Landesebene einführte – als letztes Land Europas, dreizehn Jahre nach der Schweiz. (jak)
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300 Jahre Oberland mit Drago