Der Rhein kam
Der Eisenbahn gelang es nur schwer, darüber zu kommen. Angst vor einer Überschwemmung gab es schon länger unter den Liechtensteinern. Aber als an diesem Abend wirklich der Rheindamm in Schaan brach und das Land überflutete, konnte es kaum jemand fassen.
Gut mag ich mich noch daran erinnern, wie der Rhein früher als der «Wildwasserfluss Europas» bezeichnet wurde. Er bahnte sich seine eigenen Wege, ohne Rücksicht auf die Bewohner in seiner Umgebung. Man hatte mir immer wieder erzählt, dass der ach so wilde Fluss einige Male übergetreten war und Unheil über das kleine Land gebracht hatte. Eine Rheinnot beherrschte das 19. Jahrhundert, und ich war mitten drin in der verängstigten Bevölkerung. Ich selbst konnte jederzeit die Flügel aufspannen und mich in meine Höhle verziehen, aber die Angst meiner Liechtensteiner Freunde riss mich regelrecht mit. Einem Wildwasserfluss glich der Rhein tatsächlich als ich bereits am Sonntag, 25. Spetember, morgens meine Runde über den Fluss drehte. Ich habe schon in der Früh bemerkt wie gefährlich hoch das Wasser doch stand. Bis auf Brückenhöhe war es in Vaduz sowie in Schaan gekommen und hatte bereits unzählige Baumstämme mitgerissen.
Die Nacht von Sonntag auf Montag war eine dunkle und kalte Nacht geprägt von Schrecken. Von überall her drangen Hilferufe und niemand konnte viel helfen. Denn alle sassen wir doch im selben Boot, beziehungsweise standen wir doch alle bis zum Hals im Wasser. Viele flüchteten sich auf Bäume oder Dächer. So auch wir Drachen, denn ja, ebenso wir fürchten uns vor grossen Mengen an Wasser. Niemand konnte seinen Augen trauen, dass das unvorstellbare Leid, dass jeder zu vermeiden erhofft hatte, real geworden war. Im Unterland war das Ausmass an Schaden wohl noch um einiges schwerwiegender als im Oberland. (vab)
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