Das Nachtvolk

Vor vielen Jahren lebte ein Ehepaar in Triesenberg. Eine Bekannte des Ehepaars erzählte mir nach dem Tod des Mannes, was sich kurz vor dessen Ableben zugetragen haben soll: Mitten in der Nacht wachte das Ehepaar auf, weil es ein komisches Geräusch hörte – es klang nach einer betenden Menge, die am Haus vorbei zog. Die Frau sagte ihrem Mann, dass er nachschauen soll, wer am Schluss der Prozedur läuft. Denn laut der Sage stirbt derjenige als nächstes. Ohne das Licht anzumachen, zog der Mann seine Socken an, öffnete die Fensterladen und schaute hinunter. Die Frau fragte, wer denn nun der Unglückliche sei. Dem Mann kam die hinterste Gestalt bekannt vor, er konnte jedoch nicht genau erkennen, um wen es sich dabei handelt. Es fiel ihm allerdings auf, dass die Gestalt zwei verschiedene Socken trug, einen weissen und einen schwarzen.

Das Ehepaar legte sich wieder schlafen. Als es am nächsten Morgen aufwachte, stieg der Mann zuerst aus dem Bett. Dabei sah die Frau, dass ihr Gatte immer noch die Socken anhatte, die er in der Nacht anzog. Voller Entsetzen stellte sie fest, dass es zwei unterschiedliche Socken waren! Bevor sie ihn warnen konnte, stolperte der Mann kurz vor der Treppe, fiel hinunter und starb. Eine schrecklich gruselige Geschichte!

Ein damalieger Bekannter, ein Bauer aus Triesenberg, erzählte mir, dass er dem Nachtvolk zu später Stunde selbst begegnet sei. Weil er wusste, wie gefährlich das Nachtvolk war, stellt er sich zur Seite und liess sie vorbei ziehen. Er kam heil davon.

Heute glauben die Menschen nicht mehr an solche Schauermärchen. Die Wissenschaft liefert nun die Erklärungsansätze für seltsame Begebenheiten, nicht mehr alte Sagen. Das ist auch gut so, nun weiss ich, dass ich keine Angst mehr vor dem Nachtvolk haben muss. Schade ist nur, dass die Menschen auch den Glauben an Drachen verloren haben. Dabei wissen wir doch alle, dass es mich wirklich gibt!?(iw)

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