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«Bücher habe ich immer verschlungen»

Sabine Bockmühl arbeitet seit sechs Jahren beim Liechtensteiner Literaturhaus. Sie ist Grafikerin, Autorin und zeitweilig auch künstlerisch tätig. Im Interview spricht sie über die Arbeit des Literaturhauses, die liechtensteinische Literaturszene und ihre Lieblingsbücher.

Frau Bockmühl, ist Literatur im Zeitalter von E-Mails, Facebook, Twitter und Co. überhaupt noch aktuell?
Sabine Bockmühl: Ich denke, Literatur wird immer aktuell sein. Es stellt sich einfach die Frage, in welcher Form. Man kann die meisten Bücher ja auch als Hörbücher kaufen oder aufs iPad laden. Ich denke, das elektronische Buch wird seinen Marktanteil ständig vergrössern. Das Buch an sich, in welcher Form auch immer, wird meiner Meinung nach aber nicht an Aktualität verlieren. Menschen lieben Geschichten.

Wird das Papierbuch irgendwann ganz verschwinden?
Das gebundene Buch ist schon seit so vielen Jahrhunderten in unserer Kultur verankert, das verschwindet nicht so schnell. Und es hat gewisse Vorteile: Ein Buch braucht keinen Strom, man kann es überallhin mitnehmen … Einzig zum Zügeln sind Bücherkisten ein bisschen mühsam! Aber ein Buch ist etwas zum Anfassen, man kann drin blättern, etwas notieren, eine Widmung reinschreiben, damit Feuer machen … Ich denke nicht, dass das verschwinden wird. Das hoffe ich zumindest, weil ich Bücher etwas Wunderschönes finde. 

Sie haben also nicht das Gefühl, dass Literatur ein Imageproblem hat? Dass sie im Vergleich zu den neuen Kommunikationsmitteln vielleicht etwas verstaubt wirkt?
Nein, eigentlich nicht. Wenn ich zum Beispiel an die sieben Bände von Harry Potter denke, wie hysterisch die Leute waren und vor den Buchläden Schlange für die neueste Ausgabe standen. Da kann man nicht von verstaubt reden. Manche Autoren füllen ganze Säle. Wenn beispielsweise Martin Suter liest, dann strömen die Leute. Es ist einfach ein Erlebnis, einen Autor lesen zu hören. Es stimmt aber, dass eine Schwellenangst vor Literatur besteht. Manche denken «das verstehe ich sowieso nicht»  oder «das ist langweilig». Dabei ist es eben nicht so, sondern überraschend anders. Ich sehe bei unseren Lesungen, wie vielfältig, spannend und lebensnah Literatur eigentlich ist.

Im Vorwort zu «Land Sichten II», einer Publikation des Literaturhauses aus dem Jahr 2005, wurde gefragt: «Gibt es noch immer keine Heimat für literarisches Schaffen, für Sprache allgemein in Liechtenstein?» Glauben Sie, dass es diese Heimat inzwischen gibt?
Ich denke diese Heimat wird ständig grösser. Mittlerweile finden alle zwei Jahre Literaturtage statt, es gibt Lesungen im Schlösslekeller, und in der Landesbibliothek findet neu ein Literatursalon statt. Wir vom Literaturhaus arbeiten dauernd daran, eine solche Heimat zu schaffen. Beispielsweise mit dem Jahrbuch, das nicht nur eine Heimat für Konsumenten der Literatur schafft, sondern auch für Schreibende. 

Das Literaturhaus gibt es seit 2002, wie zufrieden sind Sie mit dem bisherigen Erfolg?
Ich glaube, wenn wir zufrieden wären, würden wir uns nicht weiterentwickeln. In den vergangenen Jahren sind die Mitgliederzahlen aber gestiegen, und unsere Veranstaltungen sind immer wieder gut besucht. Ich denke, es läuft relativ gut. Zumindest im Rahmen dessen, was man erwarten kann. Es werden nie Hunderte Menschen zu unseren Lesungen strömen. Diese werden immer in einem relativ kleinen Rahmen stattfinden.  

Die Zuschauerzahlen sind aber nicht immer wirklich befriedigend, oder?
Das ist unterschiedlich. Tatsächlich kommt es stark aufs Wetter an! Wenns warm und abends noch lange hell ist, kommen weniger Leute. Auch, wenn am gleichen Tag mehrere Veranstaltungen stattfinden. – Wie hiess das noch mal, als alle auf den Fahrrädern unterwegs waren? 

SlowUp?
Genau, an solchen Tagen sollte man eher keine Lesung machen. Grundsätzlich sind die Zuschauerzahlen aber unterschiedlich. Sie hängen auch gar nicht so sehr vom Bekanntheitsgrad des Autors ab, wie man bei der Lesung von Michail Schischkin gesehen hat. Da sind anständig Leute gekommen, obwohl er bei uns wenig bekannt ist. Auf der anderen Seite gibt es Veranstaltungen mit Liechtensteiner Autoren, an die nur eine Handvoll Leute kommen. Es ist also wirklich sehr verschieden – nicht nur bei uns. Bei schlechtem Wetter und wenn sonst nichts läuft, könnte es gut kommen.

Das hört sich aber nicht sehr positiv an …
… ist aber nicht negativ gemeint! Manches ist so, wie es ist und so muss man es einfach nehmen. Mein Wunsch wäre, dass die Leute regelmässig kommen, egal wer liest. Wir haben zwar ein gewisses Stammpublikum, das ist aber relativ klein. Man sollte nicht so sehr darüber nachdenken, ob man den Autor kennt, sondern: «Dort gehe ich hin, die Lesungen sind spannend, ich kenne die Leute und den Ort, dort gefällt es mir.» Die TAK-Lounge ist ja seit Kurzem eine Art Wohnzimmer geworden und hat einen gemütlichen «Stubentouch».

Wieso braucht es überhaupt ein Literaturhaus in Liechtenstein?
Wieso braucht es eine Harmoniemusik? Wieso braucht es einen Fussballplatz? Menschen haben das Bedürfnis, sich kulturell zu betätigen, sich weiterzuentwickeln und neue Sichtweisen auf das Leben kennenzulernen, und da gehört Literatur einfach dazu. Ausserdem kommunizieren wir alle in einer Sprache, und aus Sprache wird manchmal Literatur. Sprachförderung ist wichtig. Ich möchte jetzt nicht schon wieder auf PISA herumreiten, aber ich muss es halt doch tun. PISA hat gezeigt, dass das Textverständnis der jungen Leute teilweise nicht sehr gut ist. Da könnte man in vielen Bereichen noch ei­nges machen. (Interview: ah)

 

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