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Feierabendhock statt Fernseher

Vom Lausbub zum Lehrling, vom Angestellten zum Künstler. So fasst Anton Gstöhl sein Leben in knappen Worten zusammen. Vorstellungskraft, ein eigener Kopf und künstlerische Begabung ? das zeichnete den Balzner bereits als Schüler aus.

Balzers. - Wir schreiben das Jahr 1944. Das Jahr, in dem die Amerikaner versehentlich Feldkirch bombardieren und ein angeschossener amerikanischer Jagdbomber in Fläsch notlanden muss. Im selben Jahr kommt der vierjährige Toni aus Balzers in den Kindergarten. Seine Mutter fährt ihn mit dem Fahrrad durch die ungeteerten Strassen, der Kindersitz ist vorne an der Lenkstange montiert. Autos kommen ihnen keine entgegen, nur Ochsengespanne, Pferdefuhrwerke und ab und zu ein «Kleppere» (Motorrad). Anton Gstöhl erinnert sich an diesen Tag: «Ich betrat die ‹Pfäterleschuel›, so nannte man damals den Kindergarten. Er war im alten Balzner Gemeindehaus untergebracht. Gleich fiel mir auf, dass die älteren Buben vom 2. Kindergartenjahr im Sandkasten grosse Schaufeln benutzen durften, wir Neulinge bekamen nur die Kleinen. Das ging mir komplett gegen den Strich. Da bin ich gleich wieder ‹vertloffa›. Trotz des Krieges vor der Haustür erlebte Toni eine glückliche Kindheit. Als Erstklässler bekam er «Kappanägelschuah» und bei seiner Lehrerin Schwester Marcia hatte er einen Stein im Brett, weil er so gut zeichnen konnte. So oft es ging, spielte er mit seinen Freunden im Balzner Schlosswald oder bei seinem Schulkamerad Hanno Haas auf der Burg Gutenberg. «Wir durften mit den Rüstungen und den mittelalterlichen Lanzen spielen.» Welcher Junge heute träumt nicht von so was?

Mithilfe auf dem Hof

Noch häufiger jedoch mussten er und seine Geschwister den Eltern auf dem Bauernhof helfen: Ziegen und Kühe hüten, «Törka schelfara», Heuen, Kirschen oder Erbsen pflücken und vieles mehr. Arbeit gab es immer. In den 40er-Jahren kam man nach Feierabend auf der Eingangstreppe des Nachbarhauses zusammen und tauschte Nachrichten über Krieg und Frieden aus. Die Älteren erzählten von früher und gaben wilde Geister- und Räubergeschichten zum Besten. Aus heutiger Sicht meint der Künstler: «Die Feierabendrunde war unser Ersatzfernsehen. Die oft gruseligen Erzählungen beflügelten meine Fantasie gewaltig, sodass ich danach lange nicht einschlafen konnte.» Langweilig war es nie.
Nach dem Krieg begann der Aufschwung. In Balzers wurde das Muttergebäude der Gerätebauanstalt erbaut. Die Strassen wurden asphaltiert und verbreitert. Balzers entwickelte sich zur aufstrebenden Gemeinde. Toni entschied sich für eine Lehre als Konstruktionsschlosser und trat dem Männergesangsverein bei – denn nur wer bei den Sängern war, den liessen die Eltern in den Ausgang. 1963 heiratete er seine Frau Gerda, die beiden haben fünf Kinder und inzwischen 10 Enkel und 2 Urenkel.

Talent bahnt sich seinen Weg

8 Jahre lang arbeitet Anton Gstöhl in einem Balzner Industriebetrieb, dann folgt eine intensive Weiterbildung und er wird zum Verantwortlichen für Arbeitsvorbereitung/Vorkalkulation befördert. In den folgenden 36 Jahren erlebt er, wie die Modernisierung stetig voranschreitet und der Wohlstand wächst. Inspiriert vom Schnitzkünstler Rudolf Schädler, beginnt er bereits in den 80er- Jahren mit den Skulpturen. Je intensiver er sich mit dem Material Holz auseinandersetzt, desto intensiver kommt seine künstlerische Ader zum Vorschein. Verbunden mit seiner einmaligen Beobachtungsgabe und einer geschickten Hand, werden seine Arbeiten immer abstrakter und kühner. Auf Spaziergängen und Bergwanderungen – vom Tirol bis ins Tessin – findet er die hölzernen Rohlinge für sein Schaffen. Es sind Baummissbildungen, angeschwemmte Wurzeln aus Wildbächen und dergleichen, die er sammelt und zu Hause bearbeitet. Anton Gstöhl ist Autodidakt und Künstler aus eigener Kraft. Er legt eine enorme Schaffenskraft an den Tag. 2002 stellt er zum ersten Mal in der Domus-Galerie in Schaan aus. An der Kunstaustellung «Art Liechtenstein» in Vaduz wählt ihn das Publikum 2009 auf Rang 3 – so sehr bewegt seine Kunst die Menschen. Als Künstler und Mensch hat Toni noch viel vor: «So Gott will, werde ich noch manchen Traum verwirklichen.» (ao)

 

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