Schieben, statt geschoben werden

In fünf Tagen ist Landtagseröffnung. Bewährte und neue Abgeordnete werden in der neuen Legislaturperiode ebenso wie eine teilerneuerte Regierung die Weichen für die Zukunft unseres Landes stellen. Eine gute und wichtige Gelegenheit, auch den Finanzplatz und dessen Entwicklung zu reflektieren und die künftigen Massnahmen klug zu setzen. Am jüngsten Finance Forum Liechtenstein in Vaduz waren immerhin 75 Prozent der Anwesenden der Meinung, die Stimmung am Finanzplatz ist gut, gar 15 Prozent beurteilten sie als sehr gut. Nur zehn Prozent waren dezidiert anderer Meinung und bewerteten die Stimmung am Finanzplatz als schlecht und miserabel. Nun ist gute Stimmung zwar ein wertvoller Indikator und auch Motivator, doch genügt dies allein nicht.
Liechtenstein steht heute in der Tat hervorragend da: Der Staatshaushalt ist saniert, das AAA-Länderrating für Liechtenstein wurde inzwischen im siebten Jahr in Folge bestätigt und mit der Einführung des Automatischen Informationsaustausch ist die Transformation weitgehend abgeschlossen. Die Stiftung Zukunft.li stellt trotz dieser positiven Signale eine nachlassende Dynamik beim BIP-Wachstum, eine sinkende Produktivität und einen drastischen Rückgang des Bruttonationaleinkommens fest. Auch die Finanzwirtschaft sieht neue grosse Herausforderungen auf sich zukommen. Als grösste betrachten zwar nach wie vor zwei Drittel der Teilnehmenden die «Bewältigung der Regulierung». Doch ein vorausschauendes Viertel sieht bereits die «Digitalisierung» als grösste Aufgabe der Zukunft. Mehr als die Hälfte ist sicher, dass insbesondere im Backoffice die Maschine bald den Menschen ablösen wird.
Während ein geringer Teil auf diese Entwicklungen mit «abwarten» reagiert, will die Mehrheit aktiv werden oder bleiben, eigene Dienstleistungen und Innovationen entwickeln, innovative Technologien einkaufen und mit Spezialisten vermehrt zusammenarbeiten. Und wie reagiert die Politik? Hat sie bereits einen Plan, eine Strategie für den Finanzplatz, für unsere Wirtschaft, für unser Land, so wie sich jedes Unternehmen einer klaren Strategie verschreibt? Was besagt eine ehrliche Analyse unserer Stärken und Schwächen und wohin genau soll die Reise gehen?
Als Bürger unsers Landes erwarte ich von der Politik, dass sie sich langfristig, das heisst über die Mandatsperiode hinaus, Gedanken zu diesen Fragen macht. Leben wir heute nicht noch eher von der Hand in den Mund?! Eine Strategie für unser Land, die sowohl Wirtschaft als auch Gesellschaft betrifft, darf nicht alleine der Wirtschaft überlassen werden. Sorge tragen zu den Rahmenbedingungen heisst auch, sich mit den Zukunftsthemen wie zum Beispiel Demographie und Digitalisierung auf politischer Ebene intensiv auseinanderzusetzen. Einen Diskurs gemeinsam mit der Wirtschaft zu führen, in dem das vorhandene Know-how beider Seiten auch wirklich genutzt wird. Das heisst, sich intensiv mit den Implikationen und den damit verbundenen Möglichkeiten für unser Land beschäftigen.
Die Digitalisierung wird die Finanzindustrie und damit auch den Finanzplatz Liechtenstein im Sinne eines Paradigmenwechsels mehr verändern, als die Einführung des Automatischen Informationsaustausches. Wir haben die Chance, unsere Zukunft aktiv zu beeinflussen. Aber nur warten, bis die Zukunft das Jetzt ist, wäre die falsche Handlungsweise. Mephistopheles in Goethes Faust sagt: «Der ganze Strudel strebt nach oben. Du glaubst zu schieben und Du wirst geschoben.» Das ist ein ausgezeichnetes Bild für die heutige Situation. Wir tun viel, auch die Regierung hat im vergangenen Jahr immer wieder Massnahmen gesetzt, aber haben wir damit wirklich «geschoben» – sprich, ein grosses Ganzes vor Augen und sind wir ganz gezielt strategisch vorgegangen? Werden wir nicht vielmehr nach wie vor geschoben von den Märkten, von unseren geschickten Wettbewerbern auf der Welt, von unseren anspruchsvollen Kunden und von topausgebildeten Mitarbeitenden, die sich entwickeln wollen? Es wird Zeit, dass wir die Zügel in die Hand nehmen und ziehen beziehungsweise eben schieben. Nur so können wir selbst die Richtung vorgeben, in die wir gehen wollen.
Zu diesem Thema wurden noch keine Kommentare geschrieben
Kleines Vademecum für Kommentarschreiber
Wie ein Kommentar veröffentlicht wird – und warum nicht.
Wir halten dafür: Wer sich an den gedeckten Tisch setzt, hat sich zu benehmen. Selbstverständlich darf an der gebotenen Kost gemäkelt und rumgestochert werden. Aber keinesfalls gerülpst oder gefurzt.
Der Gastgeber bestimmt, was für ihn die Anstandsregeln sind, und ab wo sie überschritten werden. Das hat überhaupt nichts mit Zensur zu tun; jedem Kommentarschreiber ist es freigestellt, seine Meinung auf seinem eigenen Blog zu veröffentlichen.
Jeder Artikel, der auf vaterland.li erscheint, ist namentlich gezeichnet. Deshalb werden wir zukünftig die Verwendung von Pseudonymen – ausser, es liegen triftige Gründe vor – nicht mehr dulden.
Kommentare, die sich nicht an diese Regeln halten, werden gelöscht. Darüber wird keine Korrespondenz geführt. Wiederholungstäter werden auf die Blacklist gesetzt; weitere Kommentare von ihnen wandern direkt in den Papierkorb.
Es ist vor allem im Internet so, dass zu grosse Freiheit und der Schutz durch Anonymität leider nicht allen guttut. Deshalb müssen Massnahmen ergriffen werden, um diejenigen zu schützen, die an einem Austausch von Argumenten oder Meinungen ernsthaft interessiert sind.
Bei der Veröffentlichung hilft ungemein, wenn sich der Kommentar auf den Inhalt des Artikels bezieht, im besten Fall sogar Argumente anführt. Unqualifizierte und allgemeine Pöbeleien werden nicht geduldet. Infights zwischen Kommentarschreibern nur sehr begrenzt.
Damit verhindern wir, dass sich seriöse Kommentatoren abwenden, weil sie nicht im Umfeld einer lautstarken Stammtischrauferei auftauchen möchten.
Wir teilen manchmal hart aus, wir stecken auch problemlos ein. Aber unser Austeilen ist immer argumentativ abgestützt. Das ist auch bei Repliken zu beachten.
Wenn Sie dieses Vademecum nicht beachten, ist das die letzte Warnung. Sollte auch Ihr nächster Kommentar nicht diesen Regeln entsprechen, kommen Sie auf die Blacklist.
Redaktion Vaterland.li
Diese Regeln haben wir mit freundlicher Genehmigung von www.zackbum.ch übernommen.