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Kaufkraftabwanderung: Kreative Lösungen sind gefragt

«Über 20 Millionen Franken fliessen für Einkäufe aus Liechtenstein nach Vorarlberg.»
Noldi Matt, Präsident der Wirtschaftskammer Liechtenstein. (Bild: zvg)

Die Stärke des Schweizer Franken oder die Schwäche des Euro – man kann es drehen und wenden wie man will – hat zu wesentlichen Veränderungen geführt. Mit der Aufhebung der Untergrenze des Frankenkurses zum Euro anfangs 2015 durch die Schweizerische Nationalbank verschärfte sich die Situation, die schon vorher einigen Branchen schwer zu schaffen machte. 

Wie jede Medaille hat auch jedes Frankenstück zwei Seiten. Während wir uns als Konsumenten und Reisende über die Kaufkraftverstärkung im Euroraum freuen können, stehen die Exportunternehmen unter verschärftem Konkurrenzdruck, das Gastgewerbe und der Detailhandel stossen an die Grenzen der Rentabilität, wenn nicht bereits die Ladentüre endgültig geschlossen wurde. Wirtschaftspolitiker neigen dazu, von grossen Herausforderungen und schmerzhaften Strukturanpassungen zu reden, wenn es um die Zukunft jener Branchen geht, die besonders von der Euro-Franken-Problematik betroffen sind. Grundsätzlich stimmt diese Einschätzung, aber Strukturanpassungen können nicht alle durchführen, für viele kleine Unternehmen bedeutet Strukturanpassung nichts anderes als Geschäftsaufgabe. Vor dieser Situation steht in unserem Land vor allem der Detailhandel, der dank der Stärke des Schweizer Franken unter zunehmendem Druck steht. Im Unterschied zu grösseren Ländern zeigt sich der Konkurrenzdruck durch billigere Einkäufe im Euroraum nicht nur in den grenznahen Regionen: Ganz Liechtenstein ist ein Grenzraum! Statistische Erhebungen haben ergeben, dass liechtensteinische Einkäufer im Jahr 2009 in Vorarlberg eine Summe von knapp 
10 Millionen Euro ausgegeben haben. Aufgrund des noch stärkeren Franken und der Rückerstattung der Mehrwertsteuer stiegen die Einkäufe im Jahr 2015 auf fast 23 Millionen Euro an. Dabei wurden nur die Einkäufe über die Mehrwertsteuer-Rückerstattung erhoben, nicht eingerechnet die Einkäufe unterhalb der Mehrwertsteuer-Pflicht, nicht berücksichtigt die privaten Importe von Autos und nicht erhoben die Rechnungen der Handwerker, die auf liechtensteinischen Baustellen im Aussenbereich und im Innenausbau ihre Arbeit verrichteten. 

Die Wirtschaftskammer Liechtenstein beobachtet seit längerer Zeit die Situation der Kaufkraftabwanderung. Dabei ist klar, dass den liechtensteinischen Einwohnern nicht verboten werden kann, ihre Einkäufe im Euro-raum zu machen. Wenn es aber um Lehrstellen für den Nachwuchs geht, ist die liechtensteinische Wirtschaft wieder gefragt. Wie sollen aber Ausbildungsmöglichkeiten erhalten bleiben, wenn nach und nach der letzte Laden dichtmachen muss, weil die Umsätze stetig zurückgehen und die Rendite schwindet? Das Gleiche gilt für andere Gewerbebetriebe ebenso, wenn die billigere Konkurrenz aus dem benachbarten Ausland geholt wird, die in unserem Land aber weder Ausbildungsmöglichkeiten anbietet noch Steuern zahlt. 

Die Wirtschaftskammer hat aus Sorge über den Weiterbestand der zunehmend unter Druck stehenden betroffenen Branchen eine Arbeitsgruppe gebildet, die den nicht einfachen Auftrag hat, nach Möglichkeiten zu suchen, damit auch Einkäufe im Inland zu einem Erlebnis werden können und der Einkaufstourismus sich im eigenen Land abspielen könnte. Mit der herkömmlichen Werbung allein wird es wohl kaum möglich sein, die Leute wieder zum Einkaufen im eigenen Land zu bewegen. Naheliegend ist deshalb die Zusammenarbeit mit Liechtenstein Marketing, zu dessen Aufgaben nicht nur die Ansiedlung neuer Betriebe gehört, sondern auch die Förderung bestehender Unternehmen. 

Ein Einkaufstourismus im eigenen Land, verbunden mit einem konkurrenzfähigen Einkaufserlebnis, hat aber nur eine Entwicklungschance, wenn alle miteinander vernetzt und zur Zusammenarbeit bereit sind. Entscheidend wird sein, dass ein gemeinsamer Auftritt auf das «Einkaufsland Liechtenstein» hinweist und dass gemeinsame Aktionen durchgeführt werden. Nur dann erhalten die Konsumenten einen Antrieb, nicht mehr über die Grenze zu fahren, sondern im Land die Läden aufzusuchen. Ich weiss, die Trauben hängen hoch, um einen Teil der 22 Millionen zurückzuholen. Denn mit Kreativität allein ist es nicht getan. Die Käufer müssen ebenfalls mitmachen – und bereit sein, das Geld im «Einkaufland Liechtenstein» aus

 

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