Elf Reden, die Liechtenstein veränderten
Gastkommentar von Daniel Quaderer*
Zur Kunst einer guten Reden gehört ein aktuelles Thema, die richtige Dramaturgie und die Fähigkeit, Gefühle zu zeigen. Einen Satz zu finden, der die Grundidee der ganzen Rede ausdrückt, ist das Wichtigste. Donald Trumps «Make America great again» war Inhalt einer Rede, bevor es zum Spruch wurde. Auch Greta Thunberg hat am WEF 2019 Davos mit dem Satz «Ich will, dass ihr in Panik geratet» eine Weltsicht vertreten, mit der man alle ihre Umwelt-Argumente von diesem Satz herleiten kann.
Top-11-Liste
Meine Liste der elf wichtigsten Liechtensteiner Reden geht bis 1939 zurück. In seiner ersten Thronrede im April 1939 stärkte Fürst Franz Josef II. die innere Geschlossenheit und die Widerstandskraft des Volks gegen die inneren nationalsozialistischen und die äusseren Feinde. Ins gleiche Horn blies Pfarrer Anton Frommelt in seiner Funktion als Landtagspräsident zur Huldigung an Fürst Franz Josef II. im Mai 1939. Frommelt war eine prägende wie polarisierende Persönlichkeit. Die Gegner fürchteten seine scharfen und klaren Worte.
Im Mai 1944 rief Fürstin Gina im Vaduzer Rathaussaal die 500 Frauen auf, dem Ideal der christlichen Frau nachzueifern. Ihr Rede begann pathetisch mit «Weibliche Jugend von Liechtenstein, das Vaterland braucht Euch!». Das «ideale» Frauenbild prägte das Land für mehrere Jahrzehnte.
Regierungschef Alexander Frick setzte sich für die Sicherung des sozialen Friedens ein. Dank seiner eindrücklichen Ansprache im Vaduzer Rathaussaal zwei Tage vor dem Abstimmungstermin vom 14. Dezember 1952 wurde die Einführung der Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV) vom Volk gutgeheissen.
Mutiges Auftreten
1969 gründeten Bernadette Brunhart (geb. Biedermann) und Elfriede Winiger (geb. Seger) das Komitee Frauenstimmrecht FSR. Sie und weitere Komitee-Unterstützende besuchten als Novum Parteiversammlungen. Dabei mussten sie sich für ihre Anwesenheit rechtfertigen, obwohl es öffentliche Veranstaltungen waren. Sie nehmen mit ihren Reden und ihrem mutigen Auftreten eine Vorreiterrolle für das Frauenstimmrecht in Liechtenstein ein.
Erbprinz Hans Adam wünschte sich 1970 mehr Selbstbewusstsein in der Aussenpolitik. Die bisherige Politik sei wie das «Umsteigen von einem Rucksack in einen anderen». Die «Rucksack-Rede» im September leitete eine neue Phase der aktiven Aussenpolitik ein.
Regierungschef Hans Brunhart betonte anlässlich der Unterzeichnung der Beitrittsurkunde zum Europarat im November 1978 in Strassburg die Freude, dass Liechtenstein am gemeinsamen Werk jener europäischer Länder teilnimmt, deren staatliches Leben auf den Prinzipien der Demokratie und Rechtsstaatlichkeit aufbaute und kritisierte damit indirekt die kommunistischen Staaten.
Kein Grüssaugust
Im September 1995 teilte Fürst Hans-Adam dem Liechtenstein-Institut mit, dass er nicht gewillt sei, den «Grüssaugust» zu spielen. Zudem wären er und das Fürstenhaus auch nicht bereit, das «monarchistische Feigenblatt» abzugeben. Im Februar 2002 widmete Fürst Hans-Adam seine Thronrede dem Streit um die Verfassung. Bei einer Ablehnung seines Verfassungsentwurfs wäre er gezwungen, den Wohnsitz ins Ausland zu verlegen. Beim Volk kam die Botschaft an. Sein Verfassungsvorschlag wurde 2003 angenommen.
Im März 2009 stellten Erbprinz Alois, Regierungschef Otmar Hasler und der designierte Regierungschef Klaus Tschütscher die «Liechtenstein-Erklärung» vor, in der sich Liechtenstein zu einer konsequenten Weissgeldstrategie bekannte. Das Bankgeheimnis wurde Geschichte.
Dualismus mit Veto-Recht
Erbprinz Alois sprach sich in der Thronrede 2012 für den Dualismus von Fürst und Volk aus. Erwartungsgemäss lehnte das Fürstenhaus die Abschaffung des Veto-Rechts des Fürsten ab. Das Stimmvolk gab ihm recht.
Wirklich grosse Reden sind mehr als nur schöne Worte. Sie verändern das Land. Ich bin gespannt, mit welchen Worten Fürstenhaus und Politik das Land 2020 in Bewegung halten.
*Geschäftsführer der Erwachsenenbildung Stein Egerta
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Klaus Tschütscher
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S.D. Erbprinz Alois
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