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Den Wandel nicht fürchten

Wir schreiben das Jahr 1515. Es ist eine wilde Zeit, kein Recht, kein Schutz, viel Willkür, Schmutz, Krankheit und Tod. Über Jahrhunderte haben schwer gepanzerte Ritter die Welt des Mittelalters beherrscht. Sie waren Schutz und Schirm, nur Gott und dem Kaiser verpflichtet. Sie bauten stattliche Burgen, beherrschten das Land und durften es ausbeuten, hatten Privilegien, waren geachtete und gefürchtete Mitbürger. Sie lebten in Wohlstand.
Heinz Frommelt
Heinz Frommelt, Partner der Kanzlei Sele, Frommelt & Partner mit Sitz in Vaduz. (Bild: Illustration Tatjana Stojnic)

Doch mit Ende des 15. Jahrhunderts brach sich eine neue Zeit ihren Weg. Das Zeitalter der Kaufleute und reichen Städte, die Zeit beweglicher Fusssoldaten, bezahlter Söldner und der Artillerie hatte begonnen. Die Ritter, als Zeichen der alten Zeit, sahen sich von Neuerungen umringt, die sie nicht mehr begreifen konnten. Denn dafür waren sie im wahrsten Sinn des Wortes nicht gerüstet. Die Welt des Mittelalters erfand sich neu, jenseits dicker Burgmauern, die die Ritter umgaben. Sie liess jene in Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit zurück, die den Übergang in die neue Zeit nicht schafften. Dass es je einen Wandel geben könnte, war für die Ritter auf ihren hohen Rössern unfassbar. Und so wurden sie Dinosaurier – ohne Zukunft.

Vergleichbare Beispiele gibt es genug. Der Untergang des euro­päischen Kohlebergbaus, der ganze, einst in wirtschaftlichem Wohlstand blühende Landstriche verwüstet und verlassen zurückliess, wäre ein Beispiel aus neuerer Zeit.

Den Wandel erkennen

Gemein ist diesen Beispielen, dass dem Anbruch einer neuen Zeit, der Veränderung der Umwelt, den wirtschaftlichen Gegebenheiten, der Modernisierung durch Technik oder den Umständen nicht dadurch beizukommen ist, dass man sich hinter vermeintlich dicken Mauern versteckt. Es verlängert die Agonie oder führt, wie bei den Rittern des Mittelalters, zum Abstieg ins Raubrittertum.

Neue Zeitalter brechen oft unbemerkt an, schleichend gar, bis sie im Crescendo des Unabänderlichen, zeitlich Unumkehrbaren ihren Ausdruck finden. Es ist keine Schande, diesen Wandel nicht zu bemerken. Es ist vielmehr natürlich, den Gang des Lebens in immer gleichen Abläufen zu sehen, den Kreislauf des Lebens als unverrückbar zu betrachten. Was die Väter (und Mütter) einst schufen, was gut war, soll – ja muss – immer fürwahr so bleiben, so der Tenor. Lebt man in einem Erfolgsmodell, oder – wie das in Liechtenstein in den vergangenen Jahrzehnten war – im goldenen Zeitalter, fällt es noch schwerer, die Zeichen der Zeit, die Zeichen des Wandels klar und deutlich zu erkennen.

Es ist unverkennbar und die Zeichen mehren sich, dass wir den Punkt des unumkehrbaren Wandels erreicht, ja überschritten haben. Die Modernisierung der Wirtschaft, die Technologisierung unseres Alltags, die Welt des 3-D-Druckers, der Bitcoins und der künstlichen Intelligenz hat ein Ausmass angenommen, über das schwerlich hinweggesehen werden kann. Sie führt direkt zur global denkenden Wirtschaft. Grenzen verschwimmen, sie sind nur noch Relikte überkommenen Nationalstaatendenkens. Wie einst die unverrückbar scheinende Welt des Mittelalters, die keine staatliche Zentralmacht kannte, sondern nur die Bande des Herrschers zum Untertanen, durch die modernen Nationalstaaten abgelöst wurde, so mag am Ende der jetzigen rasanten Entwicklung das Ende der Nationalstaatenidee klassischer Prägung stehen. Die einzelnen Regionen sind es, die sich abheben müssen, durch Gestaltungsfreiheit denjenigen gegenüber, die sich der neuen Zeit, dem neuen innovativen Denken verpflichtet fühlen. Regionen werden sich dadurch unterscheiden, ob sie Entwicklungspotenziale sehen, erkennen und fördern. Rahmenbedingungen sind eine schöne Sache, aber der wahre Test der Zukunft liegt im Willen, die gestaltenden Kräfte und diejenigen, die sie verstehen, aufblühen zu lassen.

Es ist die Aufgabe unserer Generationen, und gerade in unserem kleinen Land, den Wandel zu erkennen, ihn in sich aufzunehmen, sich diesem bewusst zu stellen. Wer den Wandel fürchtet, wird ihn verpassen. Wer hingegen innovative Kräfte erkennt und sich ihnen zumindest nicht in den Weg stellt, wird vom Wandel profitieren.

 
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