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Kritik gegen Krankenkassen-"Knebelverträge"

Eine geplante Gesetzesänderung sieht vor, dass Wahlfranchisen bei Krankenkassen ab 300 Franken künftig während dreier Jahre nicht gesenkt werden dürfen. Eine breite Allianz wehrt sich gegen solche "Knebelverträge", die kaum Einsparungen mit sich brächten.
Soll die Wahl der Franchise künftig nur noch alle drei Jahre möglich sein? Darüber streitet sich bald das Parlament. (Themenbild)
Soll die Wahl der Franchise künftig nur noch alle drei Jahre möglich sein? Darüber streitet sich bald das Parlament. (Themenbild) (Bild: KEYSTONE/MARTIN RUETSCHI)

Das Seilziehen um die Wahlfranchisen geht weiter. Wer eine Krankenversicherung mit einer Franchise von über 300 Franken hat, soll diese erst nach drei Jahren wieder senken können. Dies ist die Idee der nationalrätlichen Gesundheitskommission. Auf Basis einer parlamentarischen Initiative arbeitete sie eine entsprechende Gesetzesänderung aus.

Die Revision soll verhindern, dass Versicherte ihre Franchise wegen eines absehbaren Leistungsbezugs - beispielsweise einer planbaren Operation - vorübergehend senken und dann wieder erhöhen. Die Kommission will mit der mehrjährigen Bindung an die Wahlfranchisen den Solidaritätsgedanken stärken und die Selbstverantwortung fördern.

"Frontattacke auf die Solidarität"

Doch die Idee von fixen Franchisen für drei Jahre kommt in der am Montag zu Ende gehenden Vernehmlassung nicht gut weg. Franchisen müssten dem Gesundheitszustand angepasst werden können, findet etwa die SP.

Es wisse niemand, wie es ihm in drei Jahren ginge, schreibt die Partei in einer Stellungnahme. Würde ein Versicherter nach Abschluss eines Dreijahresvertrages die Diagnose einer schweren oder chronischen Krankheit erhalten, würde es ihn finanziell schwer "bestrafen", wenn er die Franchise nicht mehr anpassen könnte.

Für die SP ist der Vorschlag eine "Frontalattacke auf die Solidarität". Sie würde diejenigen am meisten treffen, die von dieser Solidarität am meisten profitierten.

Familien betroffen

Für die Westschweizer Patientenorganisation ist der Vorschlag zudem eine "inakzeptable Attacke" auf die freie Wahl der Patientinnen und Patienten. Diese müssten jene Franchise wählen können, welche ihre Bedürfnisse am besten abdeckten.

Die Änderung würde insbesondere Familien mit kleinerem und mittlerem Einkommen treffen. Diese wählten in der Regel höhere Franchisen, damit die Prämien tiefer seien. Sie müssten daher einen Mehrjahresvertrag eingehen und könnten die Franchisen während dreier Jahre nicht mehr anpassen.

Option statt Zwang

Selbst die FDP, welche den Vorschlag zwar generell akzeptiert, hat Mühe mit dem Diktat, das die Vorlage enthält. Zwar sei wünschenswert, dass die Selbstverantwortung der Patienten gestärkt werde.

Doch aus liberaler Sicht müssten sowohl Versicherte als auch Versicherungen mehr Freiheiten haben. Der Mehrjahresvertrag dürfe nicht eine Pflicht, sondern müsse eine Option sein, fordert die Partei.

Stabilität beim Versicherungsmodell

Kein Problem mit dem Gesetzesentwurf hat die SVP. Nach ihrer Einschätzung dürften die neuen Regeln zu einer Einsparung führen - wenn auch nur zu einer kleinen. Generell gelte es, die Eigenverantwortung zu stärken. Für eine Senkung der Gesundheitskosten brauche es Stabilität beim Versicherungsmodell.

Dem pflichtet auch der Krankenkassenverband santésuisse bei. "Die längere Mindestdauer beugt jährlichen Wechseln der Franchisenhöhe je nach Gesundheitszustand oder vor geplanten medizinischen Eingriffen vor."

Der andere grosse Krankenversichererverband curafutura widerspricht: Der Vorschlag sei kostentreibend, nicht kostendämpfend. Versicherte seien "risikoscheu" - und weil sie nicht wüssten, wie sich ihre Gesundheit in den nächsten drei Jahren entwickeln wird, würden sie tiefere Franchisen wählen, um allfällige Kosten tief zu halten.

Massnahme beobachten

Die GLP - die das Anliegen ebenfalls begrüsst - gibt zu bedenken, dass aus der mehrjährigen Bindung der Wahlfranchise ungewollt Mehr- statt Minderkosten für die obligatorische Krankenversicherung resultieren könnten. Das müsse verhindert werden. Eine Idee wäre, vor dem Systemwechsel Ausnahmefälle zu definieren, in denen weiterhin einjährige Wahlfranchisen erlaubt sind.

Auch für die CVP ist es wichtig, "dass die Auswirkungen der Änderungen beobachtet und die Massnahme bei allfälligen negativen Auswirkungen nochmals geprüft werden". Zudem solle die Möglichkeit von höheren Prämienrabatten bei der Maximalfranchise in Aussicht gestellt werden, damit diese attraktiv bleibe.

Im heutigen System beträgt die Grundfranchise 300 Franken. Bei einer Franchise von 500 Franken darf die Krankenkasse pro Jahr maximal 140 Franken Rabatt gewähren. Bei einer Wahlfranchise von 1500 Franken beträgt der Rabatt bis zu 840 Franken, bei einer Franchise von 2500 Franken maximal 1540 Franken. (sda)

 

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