Erste Aussprache über Rentenreform
Nach aktuellen Prognosen ist die AHV spätestens in zehn Jahren in ernsten finanziellen Schwierigkeiten. Das Loch dürfte mindestens zum Teil durch eine Erhöhung der Mehrwertsteuer gestopft werden. Über die Höhe des Aufschlags gehen die Meinungen weit auseinander, wie eine Umfrage der Nachrichtenagentur sda zeigt.
SVP und Gewerbeverband halten 0,3 zusätzliche Mehrwertsteuerprozente für ausreichend. Auf Anfrage signalisierte SVP-Präsident Albert Rösti jedoch Verhandlungsbereitschaft. Für die St. Galler Ständerätin Karin Keller-Sutter, die die FDP bei der Aussprache vertritt, sind 0,6 Prozent vertretbar. CVP-Präsident Gerhard Pfister möchte die AHV bis 2035 finanziell absichern, was einen deutlich höheren Mehrwertsteuerzuschlag nötig machen würde.
Darüber hinaus fordert Pfister einen "echten sozialen Ausgleich" für die Erhöhung des Frauenrentenalters auf 65 Jahre. Konkrete Massnahmen nannte er nicht. Klar ist aber, das jede Kompensation mit hohen Kosten verbunden ist.
Einen möglichen Ausgleich hat Keller-Sutter ausgearbeitet: Mit jährlich 300 Millionen Franken sollen Frühpensionierungen von Personen mit langer Erwerbsdauer und tiefem Einkommen ermöglicht werden. Davon würden in erster Linie Frauen profitieren. Die nötigen Mittel sollen von den Einsparungen abgezweigt werden, die mit der Erhöhung des Frauenrentenalters erzielt werden.
Zuerst Lohngleichheit
300 Millionen Franken dürften der CVP zu wenig, der SVP und den Wirtschaftsverbänden hingegen schon zu viel sein. Die Linke ihrerseits will das Frauenrentenalter ohnehin nicht erhöhen, weshalb die Frage des Ausgleichs nicht im Vordergrund ist.
Über die Erhöhung des Frauenrentenalter diskutiere die SP vorläufig nicht, sagte Vizepräsidentin Barbara Gysi (SG). Zuerst brauche es Fortschritte bei der Lohngleichheit. Zudem sei das Frauenrentenalter 65 schon zweimal an der Urne abgelehnt worden und müsse nun von der Finanzierung abgekoppelt werden.
SP und Gewerkschaftsbund wollen die AHV mit zusätzlichen Mehrwertsteuer- und Lohnprozenten sanieren. Zusätzliche Lohnabzüge waren in der abgelehnten Vorlage ebenfalls vorgesehen gewesen, allerdings zur Finanzierung des AHV-Zuschlags von 70 Franken. Dieser hatte massgeblich zum Scheitern der Reform beigetragen.
Das Thema scheint damit vom Tisch zu sein - zumindest hat bisher niemand die Forderung erhoben, auf den generellen Rentenaufschlag zurückzukommen. Allerdings dürfte sich die CVP weiterhin um eine Besserstellung der Ehepaare bemühen. Für diese hätte die gescheiterte Reform eine zusätzliche Rentenerhöhung gebracht.
Paketlösung vom Tisch
Mit dem Fokus auf die finanzielle Absicherung der AHV ist auch eine gemeinsame Sanierung von erster und zweiter Säule vom Tisch. Von einer Paketlösung hatte sich Sozialminister Alain Berset eine mehrheitsfähige Vorlage erhofft - zu Unrecht, wie sich am 24. September herausgestellt hat. Nun sollen die Probleme in getrennten Vorlagen angepackt werden.
Uneinigkeit herrscht über das Tempo. Der Linken eilt es nicht mit der Senkung des Umwandlungssatzes. Das Thema könne man auch noch in einigen Jahren angehen, sagte Gysi. Als Bedingungen nannte sie die bessere Absicherung von Teilzeitarbeit, eine höhere Mindestquote und mehr Transparenz in der beruflichen Vorsorge. Doris Bianchi vom Gewerkschaftsbund will gar verhindern, dass mit Vorsorgegeldern überhaupt noch Profit gemacht werden kann.
Die bürgerlichen Parteien und die Wirtschaftsverbände sind hingegen an einer raschen Entlastung der Pensionskassen interessiert. Sie wollen daher erste und zweite Säule in separaten Vorlagen, aber gleichzeitig sanieren. Trotz des tieferen Umwandlungssatzes sollen die Pensionskassenrenten dabei nicht sinken. Die Vorstellungen über den Ausgleich sind jedoch noch vage.
Umkämpfter Koordinationsabzug
Rösti schweben höhere Beiträge vor, wobei ältere Arbeitnehmende tendenziell bessergestellt werden sollen. Auch die Höhe des Koordinationsabzugs steht für den SVP-Präsidenten zur Diskussion. Dessen Abschaffung würde Frauen, Teilzeitbeschäftigte und tiefe Einkommen hart treffen.
Gewerbe- und de Arbeitgeberverband haben das schon früher vehement abgelehnt. Im Parlament hatten CVP und SP die Abschaffung des Koordinationsabzug verhindert. Es ist wahrscheinlich, dass die Höhe des versicherten Lohns im zweiten Anlauf wieder aufs Tapet kommt.
Solche Fragen stehen am Freitag allerdings noch nicht zur Debatte. Vorerst geht es um eine "Chropfleerete" und das weitere Vorgehen. Berset sieht es primär als Aufgabe des Bundesrats an, eine neue Vorlage auszuarbeiten. Im Parlament gibt es jedoch Stimmen, die eine Vorlage in den Kommissionen ausarbeiten möchten.
Zur Aussprache eingeladen sind SVP, FDP, CVP, SP, Grüne, BDP, GLP, die JUSO und die Jungfreisinnigen, der Arbeitgeberverband, der Gewerbeverband, economiesuisse, der Gewerkschaftsbund, Travail.Suisse, die Fédération des entreprises romands, das Centre Patronal, das Referendumskomitee, der Versicherungs-, der Pensionskassen- und der Bauernverband, alliance f und der Seniorenrat. (sda)
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