Ausstellung «Swiss Holocaust Survivors» im Haus Gutenberg
Wie der «Oberrabbiner» in Liechtenstein den Holocaust überlebte
Dr. Moses Strauss (1887 bis 1981) war deutscher Arzt, Autor und auch der letzte Gemeindevorsteher der orthodoxen jüdischen Gemeinde in Heilbronn. Im Dezember 1937 floh er vor den Nationalsozialisten nach Liechtenstein, da ihm die Einreise in die Schweiz verweigert wurde, obwohl seine Frau Elsa vor der Hochzeit Schweizerin war. So liess er sich in Schaan nieder, wo er bis nach dem Krieg in der Fürst-Johannes-Strasse 52 lebte, wie aus der Kurzbiografie von Moses Strauss (Peter Geiger/Ursina Jud/Gadi Winter) in der Ausstellung im Haus Gutenberg hervorgeht.
Da Strauss in Liechtenstein nicht als Arzt arbeiten durfte, begann er mit dem Schreiben populärmedizinischer Bücher. «Moses und Elsa Strauss haben immer erzählt, wie menschlich und herzlich die Fürstenfamilie, die Regierung und der grösste Teil der Bevölkerung gegenüber allen jüdischen Flüchtlingen waren», wird Enkelin Anita Winter im Ausstellungstext im Haus Gutenberg zitiert. Sie hätten sich nicht nur in Liechtenstein aufhalten dürfen, sondern seien auch freundlich empfangen und respektiert worden.
«Vor allem auch während der Siegeszeit des dritten Reiches von 1940 bis 1943, als immer wieder die Forderungen des liechtensteinischen Naziblatts 'Der Umbruch' auf Ausweisung der Juden (nach Deutschland) zurückgewiesen wurden.» Diesen Rückhalt der Regierung und Fürstenfamilie habe ihnen ein starkes Sicherheitsgefühl gegeben.
Nazisympathisanten waren der Familie bekannt
«Moses Strauss beteiligte sich in Liechtenstein massgeblich am jüdischen Leben und stand der jüdischen Religionsgemeinschaft in Liechtenstein vor, was ihm unter NS-Sympathisanten die Bezeichnung «Oberrabbiner» einbrachte», heisst es in der Kurzbiografie.
Auch setzte er sich in dem 1940 gegründeten «Hilfsverein der Juden in Liechtenstein» ein, der hilfsbedürftige jüdische Familien finanziell unterstützte.
Die Familie Strauss hätte zwar auch die Nazisympathisanten in Liechtenstein gekannt, wird Enkelin Anita Winter im Ausstellungstext zitiert, «doch die Gewissheit, dass Regierung und Fürstenhaus nicht darauf eingehen würden, war so stark, dass sie die NS-Anhänger nicht als Bedrohung wahrnahmen.» Was sie weit mehr belastet hätte, sei die ständige Gefahr eines deutschen Einmarsches gewesen.
Dank Toleranzbewilligung nicht ausgewiesen
1939 drohte Moses Strauss und seiner Familie die Ausweisung aus Liechtenstein, denn in Deutschland wurde ihm sein Pass aberkannt. Dies hätte der Entzug der Aufenthaltsbewilligung in Liechtenstein zur Folge gehabt.
Am 24. August 1939 habe ihm die Regierung mitgeteilt, dass sie die Aufenthaltsbewilligung verlängern könne, wenn er seine neuen Papiere vorlege oder 55 000 Franken zahle, wie es in der Kurzbiografie von Moses Strauss heisst. Da er dieses Geld nicht hatte, erhielt er nur noch eine Toleranzbewilligung von jeweils drei Monaten. Wie ein Brief an die fürstliche Regierung vom 25. November 1941 bezüglich der Schulabwesenheit seiner Tochter zeigte, habe Moses Strauss bereits seine Ausreise geplant. «Letztendlich wurde er jedoch wie die anderen jüdischen Familien mit Toleranzbewilligung nicht ausgewiesen und durfte bis Kriegsende im Fürstentum bleiben», heisst es im Ausstellungstext weiter.
Via Visum in Liechtenstein in die Schweiz
Moses ältester Sohn Walter blieb nicht in Liechtenstein, sondern ging nach Abschluss eines Internats in der Schweiz für eine Lehre wieder nach Deutschland. Als 16-Jähriger erlebte er die Kristallnacht -– versteckt in einem Schrank – in Berlin, wie Anita Winter erzählt. Daraufhin versuchte er mit Hilfe der Schweizer Botschaft, in die Schweiz einzureisen, wo sein Onkel eine Fabrik betrieb.
Dies wurde jedoch von der Schweizer Botschaft in Berlin mit der Begründung «man wolle in der Schweiz keine Juden» abgelehnt. Moses Strauss schaffte es, ihm in Liechtenstein ein Visum zu besorgen, worauf sein Sohn nach Liechtenstein einreiste. Von dort gelang ihm die Flucht in die Schweiz, wo er in der Fabrik seines Onkels zu arbeiten begann. Die Familie Strauss folgte ihm nach dem Krieg von Schaan in die Schweiz.
Teil einer virtuellen weltweiten Ausstellung
Diese Geschichte ist eines von über 30 Porträts der Ausstellung «The Last Swiss Holocaust Survivors», die auch als virtuelle Ausstellung erlebbar ist und schon weltweit gezeigt wurde.
Da die Geschichte von Moses Strauss virtuell nicht erlebbar ist, wurde sie für die Ausstellung in Balzers wegen des Liechtenstein-Bezug hervorgehoben. Im Haus Gutenberg in Balzers, wo die Ausstellung noch bis Ende März zu sehen sein wird, finden sich sechs weitere Fotoporträts sowie Videointerviews, die im Rahmen des Dokumentationsprojekts «The Last Swiss Holocaust Survivors» entstanden sind.
Die Fotoporträts zeigen diese Überlebenden des Holocaust alle fröhlich. «Um ihre Lebenskraft zu zeigen, die sie bis ins Alter behalten haben», sagt Haus Gutenberg-Leiter Bruno Fluder. Ergänzt werden die Fotos mit Zitaten, was ihnen während des Holocaust widerfahren ist, sowie mit Videointerviews, in denen die Protagonisten von ihren Erfahrungen erzählen. Einer von ihnen ist Egon Holländer, der als 6-Jähriger ins KZ kam und dieses nur knapp überlebte. An der Ausstellungseröffnung erzählte er 45 Minuten lang seine Geschichte, von der die Gäste sehr fasziniert waren. «Es war sehr beeindruckend, dass Menschen, die etwas vom schlimmsten erlebt haben, trotzdem ein gutes Leben führen konnten», sagt Fluder. 30 Jahre hätte er nicht über seine Erfahrungen reden können, doch im Alter sei es für ihn wie ein Auftrag oder eine Mission geworden, von seinen schlimmen Erlebnissen zu erzählen.
Die Ausstellung und Videos sind online abrufbar unter www.last-swiss-holocaust-survivors.ch.
Am 21. März hält um 19 Uhr Peter Geiger einen Vortrag zu dem Thema «Liechtenstein und der Holocaust».
Bilderausstellung zum Holocaust-Gedenktag
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