Noch Vermisste nach Brückeneinsturz in Genua
Unter den Opfern sind mindestens drei Minderjährige im Alter von 8, 12 und 13 Jahren. 16 Menschen seien verletzt, der Zustand von 12 Menschen sei kritisch, teilte die Präfektur mit. Unter den Toten sind auch vier Franzosen, zwei Rumänien und drei Chilenen.
Laut der Stadtverwaltung von Genua sind unter den Opfern keine Schweizer. Das teilte das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) am Mittwoch mit. Im Namen der Schweiz habe Bundespräsident Alain Berset den Familien und Freunden der Opfer sein Beileid ausgesprochen. Und der Vorsteher des EDA, Bundesrat Ignazio Cassis, habe Italiens Aussenminister Enzo Moavero Milanesi ein Kondolenzschreiben übermittelt.
Auch Papst Franziskus drückte den Opfern und deren Angehörigen sein Mitgefühl aus. In seiner Predigt zu Mariä Himmelfahrt sprach er vor tausenden Gläubigen auf dem Petersplatz in Rom von einer "Tragödie".
Opferzahlen dürften weiter steigen
Es werde erwartet, dass die Opferzahlen weiter steigen, sagte Regionalpräsident Giovanni Toti laut der Nachrichtenagentur Ansa nach einem Besuch von Verletzten in einem Spital zusammen mit Regierungschef Giuseppe Conte. Für den Grossteil der Verletzten gebe es gute Heilungschancen. Es gebe aber unter der Brücke noch immer zahlreiche Vermisste.
Hunderte Feuerwehrleute durchkämmten auch am Mittwoch mit Hilfe von Spürhunden und Baggern die Trümmer der Brücke. Hatte am Dienstag Regen die Bergungsarbeiten erschwert, waren es danach die Dunkelheit und schliesslich am Mittwoch die brennende Sonne.
Noch immer sind Autos in den gewaltigen Trümmern zu sehen. "Seit gestern sind verschiedene Fahrzeuge gefunden worden und es gibt noch immer Fahrzeuge, die (...) zu sehen sind", sagte Federica Bornelli vom Roten Kreuz am Mittwoch.
Auf die Frage, ob es noch Hoffnung auf Überlebende gebe, sagte Bornelli in Genua vor Journalisten, dass zurzeit gearbeitet werde, um alles möglich zu machen, was noch möglich ist. "Der Einsatz hat sich nicht verlangsamt."
Stimmen verstummt
Doch die Bergungsarbeiten gestalten sich schwierig: Ein einziges Auto zu bergen habe am Morgen vier bis fünf Stunden gedauert. An jeder Stelle müsse das Sicherheitsrisiko für die Einsatzkräfte neu bewertet, erst dann könne gearbeitet werden. "Die Arbeit ist in mentaler und physischer Hinsicht sehr anstrengend."
Die Wahrscheinlichkeit, Überlebende zu finden, sinkt mit jeder Minute. In der Nacht seien noch Stimmen zu hören gewesen, berichteten zwei Polizistinnen im italienischen Fernsehen. Mittlerweile seien sie verstummt.
Die rund 400 aus den umliegenden Häusern in Sicherheit gebrachten Anwohner durften wegen der Einsturzgefahr der restlichen Brückenteile zunächst nicht in ihre Wohnungen zurückkehren.
Betreiber zur Rechenschaft ziehen
Die italienische Regierung macht den Autobahn-Betreiber Autostrade per l'Italia für den Brückeneinsturz verantwortlich und will ihm die Lizenz entziehen. Das Unternehmen habe Milliarden Euro von Maut eingenommen, das Geld aber nicht wie vorgesehen eingesetzt, kritisierte Innenminister Matteo Salvini am Mittwoch.
Gegen Autostrade per l'Italia seien Schritte eingeleitet worden, um die Lizenz für die Strasse zu entziehen und eine Strafe von bis zu 150 Millionen Euro zu verhängen, erklärte Verkehrsminister Danilo Toninelli. Er forderte das Management zum Rücktritt auf.
Vize-Ministerpräsident Luigi di Maio, Chef der populistischen Fünf-Sterne-Bewegung, machte die Firma für das Unglück verantwortlich: "Die Verantwortlichen haben einen Namen und einen Vornamen und es sind Autostrade per l'Italia", sagte er im italienischen Radio. Die Brücke sei eingestürzt, weil die Wartung nicht erfolgt sei. "Es war kein Schicksal, es war menschliches Versagen", sagte auch der Staatsanwalt von Genua, Francesco Cozzi.
Die Firma Autostrade per l'Italia wies den Vorwurf der Pflichtvergessenheit zurück. Der aus den 60er Jahren stammende Viadukt sei gemäss den gesetzlichen Vorgaben alle drei Monate kontrolliert worden, erklärte das Unternehmen.
In die Tiefe gestürzt
Während eines schweren Unwetters war am Dienstagmittag der 40 Meter hohe Polcevera-Viadukt, der auch Morandi-Brücke genannt wird, auf einem etwa 200 Meter langen Stück eingestürzt. Etwa 35 Autos und drei Lastwagen stürzten etwa 45 Meter in die Tiefe und wurden teils unter Betontrümmern begraben.
Zum Zeitpunkt der Tragödie waren laut Betreibergesellschaft Bauarbeiten im Gange. Mehrmals gab es Diskussionen um eine Alternative für die Brücke, an der ständig gearbeitet werden musste.
Die Infrastruktur in Italien ist vielerorts dramatisch veraltet. Die Katastrophe an der "kranken Brücke", wie "Corriere della Sera" sie nennt, lässt nach mehreren weniger dramatischen Einstürzen in den vergangenen Jahren nun die Alarmglocken umso lauter schrillen. Laut der Tageszeitung "La Repubblica" sind um die 300 Brücken und Tunnel marode. (sda/dpa/afp/reu)
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