Wolfgang Werlé: «Hotellerie hätte mich gereizt»
Wolfgang Werlé ist seit knapp vier Jahren Verwaltungsrats-präsident des Grand Resorts Bad Ragaz. Der 65-jährige gebürtige Deutsche weiss, wovon er spricht, er ist sein Berufsleben lang gereist und kennt Hotels in aller Welt. Gerade in der Schweiz habe ein Luxusresort Zukunft, sagt Werlé.
Herr Werlé, Sie sind jede freie Minute auf Reisen. War Ihr Fernweh der Grund, dass Sie Ihre Karriere bei Lufthansa gestartet haben?
Wolfgang Werlé: Nein, als ich mit dem Studium fertig war, wollte ich eigentlich in die Werbung gehen. Ich hatte schon einen unterschriebenen Vertrag einer Werbeagentur auf dem Tisch, da traf ein Brief der Lufthansa Service ein, man lud mich zu einem Interview. Das reizte mich. Ich sagte der Werbeagentur ab, verzichtete dadurch auf eine Menge Geld, und fing als Trainee bei der Lufthansa Service an.
Das klingt aber doch nach Herzensangelegenheit, immerhin haben Sie auf eine Menge Geld verzichtet.
Ja, das wurde Leidenschaft. Diesen Weg einzuschlagen, bedeutete ein absolutes Risiko. Damals gab es bei der Lufthansa Service zwölf Führungsnachwuchskräfte ? keiner hatte die Garantie, übernommen zu werden. Von diesen zwölfen sind zwei übrig geblieben; einer davon war ich. Nach einem Jahr habe ich einen Festanstellungsvertrag bekommen, zunächst in der Abteilung Marketing, dann ging ich als kaufmännischer Leiter in den Betrieb Köln ? mit dem Versprechen, wenn ich meinen Job gut mache, dürfte ich einen eigenen Betrieb aufbauen. Das war dann in Nürnberg der Fall. So bin ich reingewachsen; irgendwann war ich verantwortlich für Business Development und Customer Service und habe die grossen Akquisitionen für Lufthansa Service gemacht, unter anderem in Asien ein Airline-Catering-Unternehmen akquiriert, sodass ich auch diesem Teil der Welt nahe gekommen bin. Dann haben die mich aus der Schweiz «geheadhuntet» ? was ich bei Lufthansa Service als Nummer 2 gemacht hatte, sollte ich nun bei Swissair Catering als Nummer 1 machen.
Das war vor 21 Jahren. Wie wurden Sie damals in der Schweiz begrüsst?
Ich habe nie in irgendeiner Art und Weise gespürt oder zu verstehen bekommen, dass ich unerwünscht bin. Als ich 1992 in die Schweiz gekommen bin, war noch nicht so viel Deutschland hier. Ich war der erste Deutsche in der Swissair-Führung und hatte das Glück, dass ich Schweizerdeutsch sehr rasch sehr gut verstanden habe. Dazu gibt es eine nette Anekdote: Wir sind früher regelmässig ins Wallis in die Skiferien gefahren, dort konnte ich die Einheimischen nicht verstehen. Dann komme ich nach Zürich und verstehe plötzlich Schweizerdeutsch (lacht). Ich fragte mich, ob ich so intelligent bin, bis ich dann merkte: Noch nicht einmal die Schweizer verstehen die Walliser! Im Ernst: ich habe nie Integrationsprobleme gehabt. Auch meine Familie nicht, die ich ein Jahr später aus Frankfurt hierher geholt habe. Unsere Kinder waren von Beginn weg integriert, wir haben sie an Schweizer Schulen geschickt, sie sind an sich Schweizer. Wir haben nun auch den Schweizer Pass beantragt.
Sie fühlen sich auch als Schweizer?
Ja, ich fühle mich als Schweizer. Ich werde den deutschen Pass aber behalten ? das ist eine emotionale Sache, wenn es um Heimat geht.
Ihr Weg führte per Zufall in die Luftfahrt. War der Foodbereich auch ein Zufall, hätte die Lufthansa Sie beispielsweise auch für die Technik holen können?
Es war Zufall, ein glücklicher Zufall. Technik wäre aber nicht gegangen. Das könnte ich nicht; so wenig, wie ich Versicherungen verkaufen könnte. Ich muss ein Produkt haben ? zum Beispiel ein wunderschönes Hotel ?, das etwas darstellt, womit ich etwas anfangen kann, bei dem ich die Hintergründe kenne, wo ich die Prozesse erkenne und auch verstehe. Für mich muss ein Produkt interessant sein ? zum Schmecken, zum Anfassen ? um Leidenschaft entwickeln zu können.
Wie häufig sind Sie hier im Grand Resort Bad Ragaz?
Oft. Der Verwaltungsrat trifft sich sechsmal im Jahr zu Sitzungen im Resort. Ich bin daneben in diversen weiteren Gremien tätig, nehme jeden Monat Rücksprache mit dem Management, bin bei Veranstaltungen dabei und komme auch privat gerne her ? ein bis zweimal pro Monat bin ich sicher in Bad Ragaz. Letzten Samstag zum Beispiel zur Illumination unseres Parks, dem sogenannten Lichterfest, das finde ich jeweils wunderschön, da bleibe ich gerne über Nacht.
Sie haben mal gesagt, Hotellerie sei Ihre Leidenschaft. Wer Ihnen begegnet, ist überzeugt, Sie wären ein guter Hotelier geworden. Hat Sie das nie gereizt?
Bei Swissair war ich auch für die Swissôtels, 23 Häuser rund um den Globus, verantwortlich. Ich war deren Verwaltungsratspräsident und besuchte in dieser Funktion all unsere Hotels. Damals habe ich gemerkt, dass die Hotellerie etwas für mich gewesen wäre ? wenn ich das in jüngeren Jahren erkannt hätte. Eine Hotelfachschule besuchen, in eine internationale Hotelkette eintreten und versuchen, an die Spitze zu kommen, das hätte ich sehr gerne gemacht; aber diese Idee ist mir zu spät gekommen. Umso schöner ist meine heutige Aufgabe im Grand Resort; ich kenne sehr viele Stammgäste, bin gerne hier und pflege den Kontakt.
Sie sind ein weltgewandter und weitgereister Mann. Was macht das Grand Resort Bad Ragaz für Sie zu einem aussergewöhnlich guten Luxushotel?
Ich sehe das nicht als Hotel, sondern als Resort. Wir haben hier so viele Facetten: Golfplatz, Tamina Therme, Medizinisches Zentrum, die Hotels, Casino ? alles was darin ist, diese Kombination, das macht uns einzigartig. Faszinierend, wie alles zusammenspielt, die Rädlein ineinander greifen, Synergien ausgearbeitet werden, das finde ich sensationell. Und man darf nicht vergessen: Das Resort ist Fünf-Sterne «Leading of the World» ? also auch qualitativ am oberen Ende. Wir haben zudem das Glück, eine Eigentümerfamilie zu haben, die unsere Strategie unterstützt und sich involviert.
So ein Resort zu betreiben, kostet sehr viel Geld. Hat das Zukunft?
Ja, das hat Zukunft. Gerade in der Schweiz. Die Schweiz steht für Luxushotellerie. Unser Hotel hat Zukunft, wir sind sehr gut unterwegs, haben letztes Jahr ein sehr gutes Ergebnis gehabt und erwarten ein solches auch für dieses Jahr. Um das zu erreichen, muss man sehr flexibel sein, sich permanent den Gegebenheiten anpassen. Früher kamen die Stammgäste für zwei, drei Wochen, heute wird kurzfristiger gebucht, der Gast bleibt nur drei bis vier Tage. Früher lebte das Hotel von sehr guten Gästen aus der Schweiz, Deutschland und Österreich, heute ist das Resort internationaler, die ganze Welt ist bei uns zu Gast. Da muss man sich darauf einstellen, muss wissen, welche Kulturen man beherbergt, wie man diese Gäste behandelt. Wenn man das verinnerlichen und mit Leidenschaft pflegen kann, hat ein solches Resort Zukunft.
Gibt es auch Reibereien zwischen den unterschiedlichen Kulturen der Gäste?
Das kann passieren. Dann sind Management und Mitarbeiter gefordert, die Gäste unterschiedlicher Kulturen mit Fingerspitzengefühl aneinander vorbeizuführen. Ein Beispiel: Im Januar feiern wir russische Weihnachten, entsprechend sind viele russische Gäste hier. Da kann für alte Stammgäste der Eindruck entstehen, dass nur Russen im Haus sind. Ich rate dann einfach: Feiert doch mit!
Hat sich der russische Gast in den letzten Jahren verändert? Gleich nach der Öffnung des Ostblocks hatten diese Gäste nicht unbedingt den besten Ruf.
Wir haben immer schon gute russische Gäste gehabt, gesittete, sehr gut ausgebildete Menschen mit Stil. Es gab meines Wissens nie grössere Beschwerden anderer Gäste.
Gibt es auch keine Probleme, wenn Fussballer im Haus sind?
So viele Fussballmannschaft haben wir nicht im Resort, aber wenn welche da sind, finde ich das ganz toll. Borussia Dortmund, meine Lieblingsmannschaft, ? die sollen kommen, so lange ich laufen kann (lacht)! Fussballmannschaften im Haus zu haben, belebt. Und es rückt das Resort auch ins sportliche Scheinwerferlicht ? beste Werbung für uns.
Wenn die Borussia im Haus ist, haben Sie zufällig Termine in Ragaz?
(grinst) Jaaaaa! Leider ist es mir dieses Jahr nicht gelungen, weil ich ? mal wieder ? auf Reisen gewesen bin.
Sie haben in diesem Jahr Ihren 65. Geburtstag gefeiert, keimen da langsam Gedanken auf, kürzer zu treten?
Ich glaube, ich könnte ohne meine Arbeit nicht sein. Meine 94-jährige Mutter sagt immer, «jetzt hör doch mal auf, lass dir doch mehr Zeit». Ich brauche gar nicht mehr Zeit! Ich kann mir meine Zeit einteilen. VR-Termine werden ein Jahr im Voraus festgelegt und ich versuche sie zu bündeln, sodass dazwischen Zeit zum Reisen und für die Hobbys bleibt.
Sind Sie eigentlich ein Gambler?
Ich bin zwar Verwaltungsratspräsident des Casinos im Grand Resort, aber absolut kein Gambler und darf sowieso von Gesetzes wegen nicht spielen. (Interview: fass)