Steuer-CD: Keine neue Staatsaffäre erwartet
VON WOLFGANG FREY
Vaduz/Berlin. – Die Beschimpfungen waren wüst. Kaum war der frühere Liechtensteiner Stiftungskunde und Chef der Deutschen Post AG am Morgen des 14. Februar 2008 vor laufenden Fernsehkameras in seiner Kölner Villa in ein Polizeiauto verfrachtet worden, ergoss sich eine wahre Gülleflut über Liechtenstein. Von einer «Räuberhöhle» war seitens deutscher Politiker die Rede, von einem «Schurkenstaat», der eine «moderne Form des Raubrittertums» betreibe. Die diplomatischen Verwerfungen schlugen ein Jahr lang Wellen und gipfelten in der Drohung mit Wirtschaftssanktionen. Der Finanzplatz erlebte eine historische Krise, verlor Milliarden an Kundengeldern und am Ende noch das Privileg des strikten Bankgeheimnisses für ausländischen Kunden.
Eine andere Tonart
Nun sind erneut gestohlene Bankkundendaten aus Liechtenstein in Deutschland aufgetaucht. Angeblich von der Liechtensteinischen Landesbank LLB. Und der Ton ist freundlich. «Wir sind mit Liechtenstein regelmässig in kontruktiven Gesprächen», hiess es diese Woche im Berliner Bundesfinanzministerium (BMF). «Wir gehen nicht davon aus, dass diese Gespräche von irgendwelchen steuerstrafrechtlichen Verfahren beeinträchtigt werden.»
Solche könnten nach einem Bericht der «Süddeutschen Zeitung» Hunderten von deutschen Kunden der LLB drohen. Das BMF wollte zwar auch gestern nicht bestätigen, dass die dem Bundesland Schleswig-Holstein angebotene Datensammlung von der zweitgrössten Vaduzer Bank stammt, wie es das «Liechtensteiner Volksblatt» am Freitag vermeldet hatte – dass es sich um Daten deutscher Kunden einer Liechtensteiner Bank handelt, gilt aber als sicher.
Eine mögliche Indiskretion
Die Nachricht von einem möglichen neuerlichen Datenklau hatte am Finanzplatz Vaduz Spekulationen ausgelöst, ob es sich um eine bewusste Indiskretion Berlins handeln könnte, um in den laufenden Verhandlungen über ein Doppelbesteuerungsabkommen Druck aufzubauen. Zur Erinnerung: Auch von der Zumwinkel-Razzia wurden Medien vorab informiert, offenbar um ein grösstmögliches Echo zu erreichen. Der Übertragungswagen des ZDF stand bei Zumwinkel im Morgengrauen vor der Tür, längst bevor die Steuerfahnder eintrafen.
Mutmassungen in diese Richtung wies das Bundesfinanzministerium diese Woche im Gespräch mit «Wirtschaft regional» weit von sich. Deutschland habe «grosses Interesse», das Abkommen mit Liechtenstein zu schliessen. Das in zwei Gesprächsrunden erzielte «Mass an Übereinstimmung» sei «hoch». Daneben lote man zusammen mit Vaduz auch Möglichkeiten «zur ordnungsgemässen Versteuerung bislang unversteuerter Vermögen» aus. «Negative Beeinträchtigungen» durch die neuerliche CD-Affäre sehe man in Berlin nicht.
Ein «gutes Klima»
Liechtensteins Regierungschef Klaus Tschütscher sprach mit Blick auf die Daten-CD diese Woche im «Liechtensteiner Vaterland» ebenfalls von einem «guten und konstruktiven Klima» der Gespräche mit Berlin. Auch er erwartet keine neuerlichen Verstimmungen. Diese Einschätzung wird auch am Finanzplatz geteilt. Die Diskussion über Steuerhinterziehung und Datenklau finde heute «auf einer ganz anderen Ebene» statt als 2008, sagte der Geschäftsführer des Liechtensteinischen Bankenverbands LBV, Simon Tribelhorn, gestern zu «Wirtschaft regional». Mit Berlin sei ein Informationsaustausch in Steuerhinterziehungsverdachtsfällen vereinbart worden, der Finanzplatz befinde sich mitten im Transformationsprozess. Die Liechtensteiner Banken hätten sich neu ausgerichtet, «auf ein Geschäft mit steuerlich deklarierten Geldern und nachhaltigen Produkten». Er sei überzeugt, dass die Fortschritte am Finanzplatz auch und gerade in Deutschland anerkannt würden, sagte Tribelhorn. Die Nachrichten über die in Deutschland aufgetauchten Daten sei natürlich «unangenehm» für den Finanzplatz, da sie wieder Negativ-Schlagzeilen produzierten. «Das ändert aber nichts an dem von uns eingeschlagenen Weg der Neuausrichtung», unterstrich Tribelhorn.
Eine andere Sorge
Unterdessen ist nach wie vor unklar, ob bei einer Liechtensteiner Bank ein neuerlicher Datenklau stattgefunden hat, wie ihn die ehemalige LGT-Treuhandtochter und auch die LLB bereits erlebt haben. Die «Süddeutsche Zeitung» präzisierte gestern zwar, es handele sich bei den Daten nicht um jene, mit denen die LLB seit 2003 erpresst worden sei. Quellen dafür blieb die Zeitung aber erneut schuldig. Wenn auch niemand am Finanzplatz Vaduz eine neue Affäre à la Zumwinkel erwartet – die Sorge um einen neuen aktuellen Fall von Datenklau geht allenthalben um.
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