Olivier Jaquet: «Ich lebe im Hier und Jetzt»
Olivier Jaquet ist CEO der Centrum Bank in Vaduz, die derzeit ihr Geschäft neu ausrichtet. Wer der Mensch hinter dem Bankier ist, zeigt ein Gespräch mit dem früheren Vizeweltmeister im Degenfechten. «Veränderungen kann man sich nicht entziehen», sagt Jaquet.
Herr Jaquet, wollten Sie immer schon in der Finanzbranche arbeiten?
Olivier Jaquet: Nein, ursprünglich nicht. Ich wollte eigentlich Anwalt werden. Nach meinem Jurastudium habe ich eine Teilzeitstelle beim Schweizerischen Bankverein angenommen. Dort wurde eine Abteilungsleiterstelle frei ? gerade zu dem Zeitpunkt, als ich meine Doktorarbeit beendet hatte. So habe ich mich spontan dafür entschieden, in der Bankenwelt zu verbleiben. Zudem war mein Vater 42 Jahre bei einer Schweizer Privatbank tätig, weshalb ich früh mit der Bankenwelt in Berührung gekommen bin. Die Dynamik der Finanzbranche hat mich schon immer fasziniert.
Sie waren vor Ihrem Wechsel nach Vaduz CEO der Grossbank Clariden Leu. Denken Sie gerne an diese Zeit zurück?
Ja, das war eine sehr spannende Zeit, die ich gerne in Erinnerung behalte. Die Integration in die Credit Suisse kam für mich jedoch sehr überraschend.
2012 wurde die Bank in die Muttergesellschaft Credit Suisse integriert. War das ein Wendepunkt für Sie?
Das war plötzlich eine neue Ausgangslage. Ich habe die Integration in dieser Form nicht erwartet. Vor allem auch, weil es ein sehr erfolgreiches Jahr für die Clariden Leu war. Aber ich bin ein Mensch, der gerne nach vorne schaut: Wenn sich eine Tür schliesst, dann öffnet sich eine andere.
Die Integration der fünftgrössten Privatbank der Schweiz ins Mutterhaus kam für Sie also unerwartet?
Absolut. Es war überraschend, aber auch Überraschungen haben manchmal ihr Gutes. Und ich bin glücklich, dass ich heute bei der Centrum Bank bin und das wäre ich wahrscheinlich nicht, wenn damals diese Integration nicht erfolgt wäre. Aber wie gesagt: Manchmal ändern sich die Dinge und man muss sich der neuen Ausgangslage immer wieder anpassen.
Clariden Leu hatte über 1800 Angestellte. Jetzt sind Sie CEO der Centrum Bank mit rund 130 Mitarbeitern. Inwiefern verändert das Ihre Arbeit?
In einem kleinen, familiengebundenen Unternehmen ist der Zugang zu den Leuten sicher direkter und persönlicher. Man kennt sich; die Zusammenarbeit ist durch die kurzen Entscheidungswege angenehmer und sicherlich effizienter. Ich verbringe auch weniger Zeit mit Reisen, insofern ist das Ganze überschaubarer geworden.
Die Centrum Bank hat jüngst erklärt, dass sie die Banklizenz in der Schweiz zurückgeben wird. Was bedeutet das für die Mitarbeiter in Zürich?
Die gesamte Finanzbranche befindet sich in einem fundamentalen Wandel. Die regulatorischen Anforderungen und die damit verbundenen Kosten sind gestiegen. Dieser Entscheid wurde nach reiflicher Überlegung getroffen. Die Mitarbeiter der Centrum Bank Schweiz sind natürlich davon betroffen. Ein Teil der Betroffenen wird zur Belvédère Asset Management wechseln oder erhält eine neue Beschäftigung bei der Centrum Bank in Vaduz angeboten. Leider wird aber ein gewisser Stellenabbau unausweichlich sein.
Welche Beweggründe gab es für diese Entscheidung?
Die strategischen Überlegungen standen im Vordergrund: Wir sind der Meinung, dass wir mit der Belvédère Asset Management ideale Voraussetzungen haben, eine ganzheitliche Betreuung unserer Kunden zu gewährleisten, zumal wir sie umfassend, also unabhängig von ihrer Depotbank, beraten können. Insofern ist das ein Schritt nach vorne, mit dem wir das Beratungsspektrum erweitern. Zudem waren auch die Erhöhung der Effizienz und die Reduktion der Kosten wichtige Kriterien. Wir mussten uns in diesem von fundamentalen Veränderungen geprägten Umfeld die Frage stellen, ob es noch Sinn macht für eine Bank unserer Grösse ?, innerhalb von rund 100 Kilometern Distanz und im gleichen Währungsraum ? zwei Buchungsplattformen zu betreiben.
Angesichts der regulatorischen Veränderungen ist die Grösse im Privatbankengeschäft nicht entscheidend?
Die veränderten Rahmenbedingungen haben es grundsätzlich kostenintensiver gemacht, eine Bank zu betreiben. Daher kommt auch die Diskussion über die Grösse einer Bank. Diese geht aber meines Erachtens mit der Frage nach dem Fokus einher. Wir müssen uns als kleine, aber feine Privatbank auf unsere Stärken konzentrieren. Für mich ist die Fokussierung zentraler als die Grösse. Wir haben ja die fünf Kernmärkte Liechtenstein, Schweiz, Deutschland, Österreich und Grossbritannien. Ich denke, es wäre schwierig, wenn sich eine Bank unserer Grösse in zu vielen Märkten verzettelt.
Die Centrum Bank hat im vergangenen Jahr einen herben Gewinneinbruch erlitten. Woran lag das?
Es gibt drei zentrale Faktoren, die zu diesem Resultat geführt haben. Der eine Faktor ist das historisch tiefe Zinsumfeld, das dazu führt, dass die Zinserträge geringer ausgefallen sind. Das Zweite ist sicher die Verunsicherung der Anleger aufgrund der geopolitischen Lage. Das führte dazu, dass unsere Kunden doch sehr vorsichtig waren und sich mit Investitionen zurückhielten. Der dritte Faktor sind natürlich ? und das ist ein wichtiger Punkt ? die gezielten Investitionen, die wir in den strategischen Ausbau unseres Geschäfts getätigt haben. Wir streben nicht die kurzfristige Gewinnmaximierung an, sondern ein langfristiges und nachhaltiges Wachstum.
Auch die verwalteten Kundenvermögen sind 2013 gesunken. Ist dieser Rückgang der Weissgeldstrategie geschuldet?
Nein, das hat damit nichts zu tun. Das waren zwei grössere Kundengruppen, die ihre Finanz- und Vermögensangelegenheiten restrukturiert haben.
Aber die Weissgeldstrategie wirkt sich auf Ihr Geschäft aus?
Grundsätzlich hat die Weissgeldstrategie eine Auswirkung auf alle Finanzplätze. Trotzdem haben wir das laufende Jahr erfolgreich begonnen, zumal wir einen substanziellen Neugeldzufluss verzeichnen konnten. Das Jahr ist nicht zu Ende, aber der Start ist vielversprechend. Ich bin der festen Überzeugung, dass das Augenmerk auf das Kundenwohl gerichtet werden muss, um langfristig erfolgreich zu sein. Und insofern wollen wir uns nicht von externen Gegebenheiten beeinflussen lassen, sondern uns auf die Beratung unserer Kunden konzentrieren.
Das internationale Umfeld ändert sich laufend. Was geschieht etwa mit den Altlasten, wenn der automatische Informationsaustausch kommen wird?
Grundsätzlich ist die konkrete Ausgestaltung des automatischen Informationsaustausches noch offen. Es ist auch schwierig, eine zeitliche Prognose abzugeben, es dürfte aber nicht mehr allzu lange dauern. Zentral ist die Erkenntnis, dass es einheitliche Spielregeln braucht. Liechtenstein hat sich sehr früh zum Austausch bekannt und ich glaube, dass es ein sehr wichtiger Schritt war. Liechtenstein betreibt eine sehr proaktive und innovative Finanzplatzstrategie. Ich glaube, es ist sehr wichtig, dass man die Voraussetzungen schafft, damit man sich bei der Ausgestaltung früh einbringen kann.
Das Land kommt daran nicht vorbei?
Ich glaube, dass man sich diesen fundamentalen Veränderungen nicht entziehen kann. Und da stellt sich definitiv die Frage, ob man lieber frühzeitig dabei ist und dafür seinen Einfluss bei der Ausgestaltung geltend machen kann, oder ob man noch abwartet.
Sie sind seit bald einem Jahr wieder in Liechtenstein tätig. Wie gut kennt man den CEO der Centrum Bank hier?
Mein Bezug zum Land war immer beruflicher Natur. Das Land kenne ich demnach vor allem aus beruflicher Perspektive. Privat ist mein Lebensmittelpunkt meine Familie. Ich wohne mit meiner Frau und meinen Kindern in Männedorf, im Grossraum Zürich.
Sie wohnen in der Nähe von Zürich, obwohl Sie nicht dort aufgewachsen sind?
Ich bin in Basel geboren und aufgewachsen. Ich habe auch dort studiert. Ich war bis 1999 in Basel, dann bin ich erst nach Zürich gekommen.
In jüngeren Jahren waren Sie Vizeweltmeister im Degenfechten. Wie kommt man zu diesem Sport?
Ich hatte einen Bruder, der diesen Sport bereits vor mir praktiziert hat und mich einmal zum Fechten mitgenommen hat. Sicherlich haben mich in der Jugend auch Filme wie «Zorro» oder «Die drei Musketiere» inspiriert. Was gibt es Schöneres für einen kleinen Jungen, als sich mit dem Degen duellieren zu dürfen?
Wie schalten Sie heute ab ? beim Sport?
Heute ist es sicherlich primär bei meiner Familie, mit der ich viel Zeit verbringe. Da kann ich abschalten und mich erholen. Und wenn dann noch Zeit bleibt, dann treibe ich Sport und halte mich fit.
Sind Sie eigentlich ein eitler Mensch?
Als eitel würde ich mich nicht bezeichnen. Ich lege Wert auf ein gepflegtes Äusseres. Der Kontakt mit Kunden diktiert dies, vor allem in unserer Branche. Ich bin aber grundsätzlich davon überzeugt, dass der Charakter, die Persönlichkeit und die Werte wichtiger sind als die Kleidung.
Sie sind jetzt fast 45. Wie sehen Ihre Pläne für die Zukunft aus?
Ich fokussiere mich auf die Aufgabe bei der Centrum Bank. Persönliche Pläne haben für mich an Bedeutung verloren, ich lebe im Hier und Jetzt. Das liegt vielleicht auch am Älterwerden. (Interview: dws)