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Martin Meyer: «Ich fühle mich wie ein Lehrling»

Martin Meyer ist im Frühjahr nach acht Jahren aus der Liechtensteiner Regierung ausgeschieden. Im Alter von 40 Jahren entschied er sich für einen Neuanfang in der Privatwirtschaft. Bereut hat er dies keine Sekunde: «Es war Zeit für eine
Neuorientierung», sagt Martin Meyer.

Herr Meyer, Sie haben nach acht Jahren in der Regierung entschieden, nicht mehr zu kandidieren. Warum wollten Sie Ihre politische Karriere nicht mit dem Amt des Regierungschefs krönen?

Martin Meyer: Ich habe insgesamt elf Jahre für die öffentliche Hand gearbeitet ? drei Jahre als Regierungsmitarbeiter in unterschiedlichsten Funktionen, acht Jahre als Regierungsrat und davon vier Jahre als Vizeregierungschef und Wirtschaftsminister. Am Ende dieser elf Jahre hatte ich den Wunsch, mich beruflich zu verändern, etwas komplett Neues anzufangen. Mich in einem neuen Umfeld beweisen zu müssen, hatte für mich den grösseren Reiz als auf dem bestehenden Karrierepfad weiterzumachen und vielleicht noch Regierungschef zu werden. Obwohl die Chancen dazu ganz gut gewesen wären.

Sie wollten nicht nochmals zehn bis zwölf Jahre für die Regierung arbeiten?

Ich glaube, nach zehn bis zwölf Jahren ist für jeden Menschen, und egal in welcher beruflichen Position, die Zeit gekommen, eine Standortbestimmung vorzunehmen und sich zu überlegen, wo man überhaupt hin möchte. Ich habe bei der öffentlichen Hand und der Regierung elf schöne Jahre gehabt, als ich diese Standortbestimmung vorgenommen und mich für eine Neuorientierung entschieden habe.

Sie hatten sicher mehrere Optionen. Warum haben Sie sich für die ITW entschieden?

Nachdem ich meinen Rückzug bekannt gegeben habe, sind verschiedene Anfragen und Jobangebote an mich herangetragen worden. Für mich war immer klar, dass ich mich nach meiner aktiven politischen Tätigkeit im Inland in einer Führungsposition engagieren möchte. Deshalb habe ich Engagements im Ausland abgelehnt. Dafür bin ich mit Werner Vogt als Eigentümer der ITW-Gruppe ins Gespräch gekommen. Er hat mir die einmalige Chance geboten, mit ihm zusammen eine Nachfolgelösung aufzubauen. Das Vertrauen von Werner Vogt und die Möglichkeit, für eine Unternehmung, die seit über 40 Jahren sehr solide am Markt positioniert ist, eine Nachfolgelösung auf oberster Führungsstufe mitzugestalten, haben den Ausschlag zugunsten meines heutigen Arbeitgebers gegeben.

Die ITW-Gruppe ist in der Baubranche tätig. Wenn man Ihren Werdegang betrachtet, ist das für Sie eher Neuland. Wie rasch haben Sie sich eingewöhnt?

Der Immobilien- beziehungsweise Bausektor respektive die Projektentwicklung ganz allgemein haben sehr viel mit Menschen und Kommunika­tion zu tun. Auf diesem Gebiet bringe ich aufgrund meiner beruflichen Vergangenheit einen grossen Erfahrungsschatz mit. Ich bin in dieser Unternehmung nicht der Fachspezialist, sondern ich habe eine Managementaufgabe mit grosser Verantwortung inne. Das Instrumentarium, welches für diese Aufgabe notwendig ist, beherrsche ich, die Themen sind branchenunabhängig.

Es braucht für Ihren Job also kein Fachwissen im Bau- oder Ingenieurbereich?

Doch, es braucht natürlich ein gewisses Fachwissen. In der ITW selbst komme ich mir manchmal vor wie ein Lehrling. Ich lerne jeden Tag über die Branche dazu, das bereitet mir grosse Freude. Man braucht auch ein bestimmtes Mass an Fachwissen, um von den Mitarbeitern und Geschäftspartnern akzeptiert zu werden. Meine Rolle ist aber die des Generalisten: Ich bin als Vorsitzender für die Weiterentwicklung und Führung der gesamten Gruppe verantwortlich. Hierzu benötige ich weniger Fachwissen, sondern die notwendige Portion Leadership.

Angebote aus dem Ausland haben Sie abgelehnt. Hätte es Sie nicht gereizt, für einen Weltkonzern zu arbeiten?

Natürlich wäre es spannend, einmal über einen längeren Zeitraum einen Managerposten bei einem Weltkonzern innezuhaben. Wenn man das will, muss man aber frühzeitig bestimmte Karrierepfade einschlagen. Ich habe mich vor über zehn Jahren ganz bewusst dafür entschieden, mich am Standort Liechtenstein zu engagieren und meine berufliche Karriere hier aufzubauen. Rückblickend kann ich heute voller Befriedigung feststellen: Das war richtig. Ich habe heute die Möglichkeit, völlig unterschiedliche Unternehmen mitzugestalten. Die ITW ist ein mittelgrosser Familienbetrieb, daneben bekleide ich ein VR-Mandat bei einem grossen Industriekonzern, und ich arbeite bei einem IT-Start-up mit ? das sind völlig unterschiedlich gelagerte Tätigkeiten, die mir sehr viel Befriedigung geben.

Vermissen Sie nach Ihrem Ausscheiden aus der Regierung die Politik nicht?

Ich bin nach wie vor politisch sehr interessiert, vermisse aber mein vergangenes aktives Politikerleben überhaupt nicht. Ich bin per Definition Mitglied des Landesvorstandes der Fortschrittlichen Bürgerpartei, besuche auch Veranstaltungen, betreibe aber keine aktive Politik.

Rückkehr in die Politik ausgeschlossen?

Aus heutiger Sicht: Ja, ausgeschlossen. Ich habe im Beruf so spannende Aufgaben zu lösen, dass mich eine politische Funktion aus heutiger Sicht nicht reizt. Aber sag niemals nie ? ich weiss nicht, was in ein paar Jahren sein wird.

Seit dem 1. September stehen Sie wieder im Berufsleben ? ziemlich genau 100 Tage. Wie fällt Ihre erste Bilanz an der Spitze der ITW-Gruppe aus?

Durchwegs positiv. Ich geniesse das volle Vertrauen des Eigentümers beziehungsweise der Eigentümerfamilie, was für die anstehende strategische Weiterentwicklung der Unternehmensgruppe von essentieller Bedeutung ist. Ich bin aber auch von den Mitarbeitern und den Geschäftspartnern der verschiedenen Unternehmen sehr wohlwollend aufgenommen worden und habe in den letzten drei Monaten bereits in verschiedenen Projekten Akzente setzen und einiges lancieren können. Das freut natürlich, wenn man bereits in den ersten Wochen etwas bewegen und umsetzen kann.

Sie haben sich nach Ihrem Ausscheiden aus der Politik fünf Monate Auszeit genommen. Was haben Sie gemacht?

Ich habe ganz bewusst eine Auszeit genommen, um in einem ersten Schritt die Vergangenheit gut abzuschliessen, man ist ja doch eine öffentliche Person. Da tut es gut, wenn man einen Schnitt macht, sich aus der Gesellschaft und der Öffentlichkeit zurückzieht und sich dann auch in aller Ruhe auf die neue Aufgabe vorbereitet. Ich habe aber diese Zeit auch ganz bewusst genutzt, um persönliche Dinge zu erledigen, für die ich in den letzten Jahren keine Zeit gefunden habe. Ich habe verschiedene Kurzreisen mit der Familie unternommen, daheim im und ums Haus mitgeholfen, mich intensiv sportlich betätigt und vor allem wieder Kontakte und Freundschaften gepflegt, für die ich in den letzten Jahren keine Zeit mehr hatte. Und nicht zu vergessen, ich habe die Kinder im Schulalltag erleben können ? wenn man beruflich voll engagiert ist, hat man hierzu weniger Gelegenheit.

Der bewusste Schritt raus aus der Öffentlichkeit ist wichtig, sagen Sie. Wie haben Sie die Situation empfunden, als sie plötzlich Realität geworden ist?

Das ist eine ganz spezielle Erfahrung. Eine Erfahrung, die man machen muss. Ich hatte den Vorteil, dass ich mich aktiv entschieden habe, aus der Politik auszuscheiden, deshalb hatte ich mir auch überlegt, wie das sein wird, wenn ich Ende März aus dem Regierungs- oder Landtagsgebäude hinausgehe und wieder ein «normaler» Mensch bin. Man kann sich gedanklich viel vorstellen, aber erleben muss man das dann doch selbst. Das sind spannende Erfahrungen, wieder einer unter vielen zu sein.

Spannend in dem Sinn, dass Ihnen die Menschen nun anders begegnen?

Es gibt Menschen, die primär an der Funktion interessiert sind, die man ausübt. Das ist ganz natürlich. Zu diesen Menschen hat man nach dem Ausscheiden aus dem Amt automatisch weniger Kontakt. Dann gibt es Menschen, die sich überhaupt nicht mehr um einen bemühen, und es gibt Menschen, zu denen man schon vor der politischen Karriere Kontakt hatte ? oder auch welche, die man in dieser Zeit kennengelernt hat ?, zu denen man auch weiterhin Kontakt hat. Das sind wirklich interessante Erfahrungen, die man da macht. Und wie gesagt, man muss sie auch durchleben.

Da waren wohl auch Überraschungen dabei?

(lacht) Natürlich waren da auch Überraschungen dabei.

Sie geben Sport und Musik als Ihre Hobbys an, in diesen Bereichen betätigen Sie sich auch schon länger auf Funktionärsebene. Spielen Sie ein Instrument?

Ich habe früher mit Klavier begonnen, zwischenzeitlich auch E-Bass gespielt, dann einmal in einer Guggenmusik Schlagzeug und Trompete. Im Moment spiele ich aktiv Blockflöte ? und zwar besser als je zuvor! Dies, weil ich mit meiner zweitgeborenen Tochter die gesamte Blockflötenschule durchlaufe.

Bei Meyers gibts also Familienmusik?

Ja, bei uns wird musiziert. Aktuell bemühen wir uns, im Hinblick auf Weihnachten die gängigsten Advents- und Weihnachtslieder einzuüben, um diese dann performen zu können. (Interview: fass)

 

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