London bestellt Kopie von Steuersünder-CD
VON WOLFGANG FREY
London/Berlin/Stuttgart. – Deutschland hatte vergangene Woche nach heftigen Diskussionen beschlossen, von einem unbekannten Datendieb eine CD mit rund 1500 Kundendaten einer Schweizer Bank zu kaufen. Der Betrag liegt Presseberichten zufolge bei rund 2,5 Millionen Euro. Wie das Magazin "Fokus" in seiner heutigen Ausgabe berichtet, haben sich die federführenden Wuppertaler Steuerfahnder am Wochenende auf den Weg nach Frankreich gemacht, um den Datendieb dort zu treffen. Angeblich fürchtet er sich vor einer Einreise nach Deutschland, weil er dort verhaftet würde. Die Daten sollen Pressespekulationen zufolge von der Grossbank Credit Suisse oder der Bank Julius Bär stammen.
Die britische Steuerbehörde wolle aus den gestohlenen Daten nun ebenfalls "schnell Kapital schlagen", schreibt die FT. Nach den Kanalinseln sei die Schweiz für die Steuerbehörde die hervorstechendste Jurisdiktion für Steuersünder, so die Zeitung. Der Erhalt der Daten könnte die Jagd der Behörde auf Steuersünder katalysieren. Nach dem Auslaufen einer Amnestie vor wenigen Wochen, untersucht die Steuerbehörde derzeit die von britischen Banken angeforderten Informationen über Auslandskonten britischer Bürger.
Vaduzer "Goldmine"
Die aktuellen Datenankaufspläne erinnerten an den Datendiebstahl bei der LGT Treuhand, schreibt die FT weiter. Auch damals habe die Steuerbehörde dem Datendieb Geld bezahlt. Die Ware habe sich als "Goldmine" entpuppt.
Am Wochenende wurden weitere Angebote von Datendieben an die deutsche Behörden bekannt. Sowohl bayerische als auch baden-württembergische Finanzämter sollen Angebote erhalten haben. Nach «Spiegel»-Informationen handelt es sich bei den in Bayern angebotenen Daten von Kunden einer kleineren Bank in der Schweiz. Darunter sollen auch Daten von rund 1000 Steuersündern mit Konti bei Luxemburger Banken sein.
Minister wollen zugreifen
Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) will auch bei den anderen CDs mit illegalen Steuersünderdaten zugreifen, wenn die Umstände wie bei der jüngsten Schweizer CD sind. Das sagte er laut «Frankfurter Allgemeine Zeitung» (Montagausgabe).
Baden-Württembergs Finanzminister Willi Stächele (CDU) sagte der «Bild am Sonntag», er sei «für einen Ankauf, wenn er rechtsstaatlich konform ist». Justizminister Ulrich Goll (FDP) kündigte dagegen sein Veto an, sollten die Daten illegal beschafft worden sein.
Stächele sagte, ein Informant habe sich Anfang vergangener Woche bei der Steuerfahndung in Freiburg gemeldet und fordere 500.000 Euro für eine CD mit 1700 Namen mutmasslicher Steuerhinterzieher. 52 Namen von Anlegern habe er geliefert. Er habe ausserdem ein zweites Datenpaket von Depotauszügen überreicht – allerdings ohne Namen.
Merkel am Telefon
Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel, die sich prinzipiell für den Datenkauf ausgesprochen hatte, bemüht sich in der Affäre um die Schweizer Kundendaten nun offenbar um Schadensbegrenzung.
Wie Regierungssprecher Ulrich Wilhelm am Montag mitteilte, telefonierte Merkel am Samstag mit der Schweizer Bundespräsidentin Doris Leuthard. Beide hätten beteuert, dass das gutnachbarliche Verhältnis nicht belastet werden solle, sagte Wilhelm. Die Verhandlungen über das Doppelbesteuerungsabkommen sollten zu einem Abschluss gebracht werden. (mit Agenturen)
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Datenklau