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Gerangel um Lehrlinge

Die liechtensteinische Industrie will dem Buhlen um die besten Schüler einen Riegel vorschieben und schlägt einen einheitlichen Stichtag für die Vergabe von Lehrstellen vor. Finanzdienstleister und Gewerbler sind skeptisch.

VON PATRICK STAHL

Vaduz. – Rund zwölf Monate vor Lehrbeginn kommt der Wettstreit um die besten Nachwuchskräfte jeweils in Fahrt. Die Lehrbetriebe laden spätestens im August die künftigen Schulabgängerinnen und Schulabgänger zu Informationstagen ein, organisieren für diese Schnupperlehren und führen bereits erste Bewerbungsgespräche.

Seit einigen Jahren gilt die Abmachung, dass Lehrstellen ab dem 1. November vergeben werden. An diese Spielregeln fühlen sich heute jedoch viele Betriebe nicht mehr gebunden, mit Ausnahme der grossen Industriefirmen. Die Banken und Treuhänder vergeben ihre Lehrstellen für das folgende Jahr beispielsweise bereits ab dem 1. Oktober und kleine Gewerbebetriebe schlagen oft sofort zu, wenn sich ein passender Kandidat meldet. 

Stichtag 1. März zur Diskussion

«Die Jugendlichen stehen unter einem enormen Druck, möglichst rasch einem Lehrvertrag zuzustimmen», sagt Klaus Risch, Präsident der Liechtensteinischen Industrie- und Handelskammer (LIHK). Diese hohe Belastung führe dazu, dass sich die
Jugendlichen immer weniger auf ihre schulischen Leistungen konzentrieren und sich Fehlentscheide bei der
Berufswahl häufen.

Firmen wie der Bautechnologiekonzern Hilti, die sich noch immer an den Stichtag 1. November halten, müssen damit rechnen, dass der eine oder andere Bewerber anderswo zusagt. «Wir erleben immer wieder, dass Kandidaten unter Druck geraten, weil andere Lehrbetriebe auf einen Entscheid vor dem 1. November drängen», sagt Daniel Oehry, Leiter der Berufsausbildung bei Hilti. Er hält deshalb nach wie vor einen einheitlichen Stichtag für «den richtigen Weg».

Eine Arbeitsgruppe der LIHK setzt sich seit Längerem ein, den Stichtag für die Lehrstellenvergabe auf ein späteres Datum festzulegen. Ab dem Jahr 2012 sollen die Lehrstellen flächendeckend ab dem 1. März vergeben werden. Um dieses Ziel zu erreichen, sollen möglichst viele Lehrbetriebe von den Vorteilen einer späteren Vergabe überzeugt werden. «Wir nehmen derzeit Kontakt mit anderen Verbänden in Liechtenstein und über der Grenze auf», sagt LIHK-Präsident Risch.

Finanzverbände auf der Bremse

Die anderen Wirtschaftsverbände stehen dieser Idee jedoch teilweise skeptisch gegenüber. Die Banken sind der Ansicht, dass sie bei der Lehrlingssuche nicht in direkter Konkurrenz zu anderen Branchen stehen. Für die Banken sei es wichtig, dass sich die Bewerberinnen und Bewerber bewusst für einen Einstieg in das Bankumfeld entscheiden, sagt Anita Hardegger, beim Liechtenteinischen Bankenverband für die Personalentwicklung zuständig.

Einzelne Banken wollen die Tür zu einem Kompromiss offenhalten: «Wenn sich alle Branchen in Liechtenstein auf einen gemeinsamen Stichtag einigen können, ist auch die Liechtensteinische Landesbank mit einer Verschiebung des Termins einverstanden», sagt Corina Bigger, Lehrlingsverantwortliche der Bank.

Vertreter von Kleinbetrieben haben ebenfalls Bedenken gegen einen einheitlichen Stichtag am 1. März. Sie argumentieren, dass Jugendliche, die zu diesem Zeitpunkt noch keine Zusage erhalten, anschliessend zu wenig Zeit hätten, um sich beruflich neu zu orientieren. LIHK-Präsident Risch entgegnet, dass die Jugendlichen mit dem neuen Stichtag ein halbes Jahr mehr Zeit hätten, um persönlich zu reifen und sich auf die Berufswahl vorzubereiten.

Fairplay im Rheintal hat ausgedient

Auch über dem Rhein kämpft man mit dem Problem, dass die Lehrstellen vor dem November vergeben werden: «Die Situation ist sicher nicht befriedigend», sagt Christian Fiechter, Geschäftsleitungsmitglied der SFS-Gruppe in Heerbrugg. Er bedauert, dass wegen der frühen Vergabe von Lehrstellen der Kampf um gute Schulabgänger immer härter wird.

 

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