Ein Traumberuf mit Gitterzwang
Triesen. – «Es ist der schönste Beruf, den es gibt – wenn man Millionärssohn ist. Aber wenn man davon leben muss, ist es ein hartes Brot», beschreibt Thomas Lenherr den Zwiespalt, der über seiner Profession hängt wie dunkle Wolken über einer sonnigen Alm. Der 54-Jährige ist Büchsenmacher – einer von wenigen, die es in der Schweiz und Liechtenstein noch gibt.
Viel Geld gibt es in diesem Beruf nicht zu verdienen, weshalb sich Lenherr auch nicht dazu durchringen kann, einen Lehrling einzustellen: «Ich kann niemanden ausbilden, wenn es nach der Ausbildung kaum Berufschancen gibt», zeichnet der Büchsenmacher eine wenig vielversprechende Zukunft seines Berufsstandes. Dieser ist heute schon wegen des eher überschaubaren Kundenkreises selten vertreten. Lenherr selbst hat seine Ausbildung beim Jägereifachbetrieb Nimrod in Vaduz gemacht.
In seiner beschaulichen Werkstatt in Triesen sorgt Thomas Lenherr dafür, dass viele Jäger in der Region eine Ausrede weniger haben, wenn sie ihr Ziel verfehlen: «Das wichtigste Kriterium für eine gute Waffe ist die Präzision.» Die Streuung einer modernen Jagdbüchse liegt bei fünf Schuss auf 100 Metern Entfernung bei maximal 3,5 Zentimeter.
Meist werden die Waffen in modernen Fabriken hergestellt – ein Büchsenmacher wie Lenherr ist in der Regel nur mehr ein «Büchsenfertigmacher». Die Gelegenheit, ein Gewehr von Grund auf zu fertigen, bietet sich nur selten – aus einem ganz simplen Grund: «Das ist eine Geldfrage.» Schliesslich wäre Lenherr ein bis zwei Monate damit ausgelastet, eine Waffe komplett herzustellen. Kein Wunder also, dass er bislang nur während seiner Lehrzeit die Chance hatte, eine Büchse fast komplett herzustellen.
Also besteht seine Haupttätigkeit darin, eine an sich fertige Waffe für den Schussgebrauch fertigzumachen und an die Bedürfnisse des Kunden anzupassen. Dazu gehört beispielsweise die Montage des Zielfernrohrs, aber auch die genaue Anpassung des Schaftes und des Abzugs. «Der Büchsenmacher ist derjenige, der zuletzt Hand an die Waffe anlegt, bevor sie an den Kunden übergeben wird», sagt der passioniert Jäger. Der Büchsenmacher ist auch für das Einschiessen verantwortlich, also für den ultimativen Test, dass die Waffe gut in Schuss ist und ins Schwarze trifft.
Präzise Ausbildung
Präzision ist wichtig, nicht nur bei der Jagd, sondern auch bei der Fertigung. Das zeigt sich insbesondere in der vierjährigen Ausbildung, die in der Schweiz in Zusammenarbeit mit der Berufsschule Lenzburg angeboten wird und als Schwerpunkt die Polymechanik hat. In Fachkursen bringen ausgewiesene Experten dem spärlichen Nachwuchs ein vertieftes Wissen über Optik und Konstruktion bei, aber auch die theoretische Fachkunde und die aktuelle Gesetzeslage stehen auf dem Stundenplan.
Vor allem Letztere macht es den Büchsenmachern nicht gerade leichter, noch glücklich in ihrem Beruf zu werden. «Die Vorschriften machen uns das Leben immer schwerer», sagt Lenherr, der beispielsweise wegen des Beitritts Liechtensteins zum Schengen-Dublin-Abkommen zur Personenfreizügigkeit in Europa in seiner Werkstatt neue Sicherheitsstandards befolgen muss: Die Fenster müssen jetzt vergittert werden. Ausserdem muss er eine Alarmanlage installieren.
Jagdwaffen nicht überfalltauglich
Wobei Lenherr noch nie ein Problem mit unerwünschten Besuchern hatte: Jagdwaffen sind für die «bösen Buben» eben nicht so interessant. In der Unterwelt sind eher Automatikwaffen gefragt. Ein einschüssiges Gewehr, das ständig nachgeladen werden muss, eignet sich kaum für einen Banküberfall. Zumal es vergleichsweise leicht ist, ein Jagdgewehr legal zu kaufen. Für gut 3000 Franken gibt es bereits qualitativ hochwertige Gewehre, das passende Zielfernrohr kostet 1000 Franken. «Das Gewehr hat dann zwar einen Plastikschaft, ist aber schon sehr hochwertig», sagt Thomas Lenherr mit dem Verweis auf die Möglichkeit, die Flinte nach und nach «aufzurüsten»: «Die Waffen sind heutzutage frei kombinierbar, man kann jederzeit den Lauf, den Verschluss oder den Schaft austauschen», eröffnet der Büchsenmacher die Möglichkeit, aus einem Einsteigermodell ein Schmuckstück zu machen. Obendrein ist es möglich, den Schaft mit Gravuren oder Edelmetalleinlagen zu verschönern. Die Optik spielt eben nicht nur beim Zielen eine Rolle, sondern auch bei der Waffe selbst, die nicht selten über mehrere Generationen zur Jagd gebraucht wird.
Wobei der Schaft an sich schon oftmals ein wahres Kunstwerk von Mutter Natur ist. In zwölf verschiedene Holzkategorien teilt ein Büchsenmacher das edle Material ein, das sich beim Schuss an die Schulter schmiegen soll. Vor allem das Wurzelholz des Nussbaums sei sehr begehrt. Dieses muss zuvor zehn Jahre lang getrocknet werden, ehe es sich für die Verarbeitung zum Gewehrschaft eignet: «Es sollte keine Feuchtigkeit mehr enthalten», sagt Lenherr.
Sogar aus Dänemark
Eines aber kann auch der schönste Schaft der Welt nicht ersetzen: Die Präzision, für die ein guter Büchsenmacher bürgt. Nicht von ungefähr hat Thomas Lenherr neben vielen Jägern aus der weiteren Region auch Kunden aus Ländern wie Dänemark, die die Arbeit des Fachmanns schätzen. Ein schöner Beruf – aber leider nur für Millionärssöhne empfehlenswert. (ky)
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