­
­
­
­

Ein Geflecht aus Handwerk und Kunst

Pepito F. Zwahlen ist einer der wenigen Korb- und Flechtwerkgestalter in der Schweiz. In seinem Atelier in Grabs repariert in erster Linie Stühle, erschafft dazwischen aber auch die besten Einkaufskörbe der Welt.

Grabs. – Über mangelnde Arbeit kann sich Pepito Zwahlen nicht beklagen. In seinem Atelier an der Staatsstrasse in Grabs stehen rund ein Dutzend Stühle, die ihren Zweck nicht mehr zur vollsten Zufriedenheit ihrer Besitzer erfüllen. Der Zahn der Zeit hat an den geflochtenen Rückenlehnen und Sitzflächen genagt.
In den meisten Fällen sind die löchrigen Stellen nicht mehr auszubessern. Dann muss Pepito Zwahlen den Sitz beziehungsweise die Lehne komplett neu flechten. «Damit bin ich rund zwei Nettoarbeitstage beschäftigt», sagt Zwahlen. Mit dem Schraubstock fixiert er die Umrandung eines Sitzes und geht mit grosser Sorgfalt an die Einteilung. Wenn die nicht stimmt, muss er unter Umständen auf halbem Weg neu anfangen. Dann beginnt die eigentliche Arbeit, das Flechten der Flechtfäden. Obwohl sich die Arbeitsschritte nun ständig wiederholen, kommt bei Zwahlen nie Langeweile auf, wie er betont. Und wenn ihm nach einer Abwechslung ist, lässt er die Arbeit auch einmal liegen. Der Pensionist hat seinen Beruf zum Hobby gemacht.

Ein zweites Standbein aufbauen

Erlernt hat Pepito Zwahlen das Flechthandwerk in einem Familienbetrieb in Thun. Nach der Lehre fand er in der Nähe eine Stelle im Freilichtmuseum Ballenberg. Von April bis Oktober brachte er Besuchern das Handwerk näher und flocht in der übrigen Zeit Körbe auf eigene Rechnung. «Als Korbflechter ist es schwierig, sich zu 100 Prozent selbstständig zu machen», sagt Zwahlen. Eine Möglichkeit sei, eine Teilzeitstelle in einer Behindertenwerkstatt oder etwas Vergleichbarem zu finden und die übrige Zeit an eigenen Projekten zu arbeiten.
Gerade weil Geflechte aus Billiglohnländern – vor allem Osteuropa und Südostasien – die Existenz der heimischen Branche bedrohen, sei es wichtig, ein zweites Standbein aufzubauen. Doch eines müsse man sich bewusst sein: «Man wird nicht reich damit.» Weil es schwierig ist, mit dem Handwerk eine Familie zu ernähren, sei es mehr und mehr ein Frauenberuf geworden.
Trotz des Nischendaseins und der Tatsache, dass es in der Schweiz bloss rund zwei Dutzend Korbflecht-Betriebe gibt, gilt der Weiterbestand des Beruf als gesichert. Damit das Handwerk angesichts der Billigkonkurrenz nicht ausstribt, haben Zwahlen und einige Mitstreiter die Interessensgemeinschaft Korbflechterei ins Leben gerufen.

Neu aufgestellt

Mit dem Schweizerischen Amt für Berufsbildung hat die IG Korbflechterei neu erarbeitet, was während der Ausbildung auf dem Lehrplan stehen soll. Neben der praktischen Arbeit in einem Flechtatelier, einem Werkheim oder einer Behindertenwerkstä?tte wird den Lernenden in Brienz im Kanton Bern an der Schule für Holzbildhauerei – wo auch andere kunsthandwerkliche Berufe gelehrt werden – die Theorie nähergebracht. Nach drei Jahren Lehre dürfen sich die Absolventen «Korb- und Flechtwerkgestalter EFZ» nennen. «Uns war bei der Erarbeitung der neuen Ausbildungsrichtlinien wichtig, dass das Wort ‹Gestaltung› in der Berufsbezeichnung vorkommt», sagt Zwahlen. Kreative Köpfe braucht das Flechthandwerk. «Mit der Herstellung von Körben allein kann man kaum existieren», sagt Zwahlen, «man muss ständig neue Sachen erfinden.» Dabei dürfe man auch Materialien, die dem traditionsreichen Gewerbe neu sind, nicht ignorieren. «Auch Flechtmaterial aus Kunststoff hat seine Existenzberechtigung.»

Handwerkskunst

So beweisen die jungen, aber auch arrivierten Flechter regelmässig, dass ihnen die Ideen nicht ausgehen. An diversen Ausstellungen und Festivals heben sie gerne die künstlerische Seite des Handwerks hervor, was bei den oft ahnungslosen Besuchern wahre Begeisterung auslöst.
Der Zusammenhalt unter den Flechthandwerkern ist gross. Man kennt sich, arbeitet miteinander statt gegeneinander. «Wir haben die Devise, nie einen Auftrag abzulehnen», sagt Zwahlen, «wer gerade keine Zeit für eine aufwendige Arbeit hat oder damit überfordert ist, gibt den Auftrag an einen Kollegen weiter.» So auch er. Aufträge für massgefertigte Möbelstücke beispielsweise gibt er seinem Berufskollegen in Langenthal weiter.
Zwahlen selbst konzentriert sich auf die Reparatur von Stühlen. Ab und zu setzt er sich aber auch an sein Arbeitsbrett und fertigt Körbe. In seinem Atelier präsentiert er ein fertiges Exemplar. «Das ist der beste Einkaufskorb der Welt.» Die Vorzüge sind zahlreich. Der Korb ist wiederverwendbar, man kann ihn auf den Gepäckträger des Fahrrads schnallen, er fällt im Kofferraum des Autos nicht um und ist stabil, was man von den gängigen Supermarkt-Einkaufstaschen nicht behaupten kann.

Faszination Naturprodukt

Auch nach jahrzehntelanger Tätigkeit als Korbflechter ist Zwahlen seine Begeisterung für den Beruf noch stets anzusehen. Mit leuchtenden Augen erzählt er von den verschiedenen Materialien, deren unterschiedlichen Eigenschaften und den unzähligen Möglichkeiten, etwas Bleibendes aus einem Naturprodukten herzustellen. «Es ist faszinierend, was aus einer einfachen Rute alles entstehen kann», sagt er. Und noch etwas entschädigt ihn dafür, dass er sich mit dem Flechten keine goldene Nase verdiente: «Es ist unbezahlbar, sein eigener Chef zu sein.» (sl)

 

Schlagwörter

Lädt

Schlagwort zu Meine Themen

Zum Hinzufügen bitte einloggen:

Anmelden

Schlagwort zu Meine Themen

Hinzufügen

Sie haben bereits 15 Themen gewählt

Bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits

Entfernen

Um «Meine Themen» nutzen zu können, stimmen Sie der Datenspeicherung hierfür zu.

Ähnliche Artikel

Sonderserie – Bauberufe mit Zukunft
Peter Kieber jun., Sektionspräsident der Ofenbauer, erklärt, welche Herausforderungen in der Branche nicht länger anstehen können.
05.12.2024
Abo
Peter Kieber jun., Sektionspräsident der Ofenbauer, erklärt, welche Herausforderungen in der Branche nicht länger anstehen können.
04.12.2024
Die Chefin vom Salon Mano
Sabine Marxer ist ganzheitlich im Einklang mit der Natur und führt den Naturfriseur Salon Mano mit ihrer persönlichen Lebensphilosophie.
30.10.2024
Wettbewerb
2x2 Tickets für das Liechtensteiner Cup-Finale zu gewinnen
Cup-Finale
vor 12 Stunden
Umfrage der Woche
Wie sollen Muslime in Liechtenstein bestattet werden?
­
­